Offener Brief der KGL an den Hauptdirektor

Werter Kollege Werner H(...)!

In unserem Kombinat gibt es harte Kritik an die Adresse der KGL wie auch an die Gewerkschaftsarbeit insgesamt und es gibt konstruktive Vorschläge vieler unserer Mitglieder. Dem stellen wir uns.

Die Gewerkschaftsarbeit auf allen Ebenen muss durch ihre Mitglieder getragen werden. Wir müssen erreichen, dass alle Mitglieder sich im FDGB als ihrem Interessenvertreter geborgen fühlen.

Die KGL stellt alles Erreichte konstruktiv in Frage und hat begonnen, neue Formen und Methoden der Arbeit zu entwickeln, die sichern, dass sowohl die individuellen Interessen des einzelnen Mitgliedes als genauso der Querschnitt der kollektiven Interessen unserer Mitglieder der Kombinatsgewerkschaftsorganisation (von den Arbeitern in der Vorfertigung und auf den Baustellen sowie in den Betrieben über die Angestellten und Angehörigen der Intelligenz bis zu den Lehrlingen und unseren 900 Veteranen) vertreten werden.

Was die KGL erwartet

Dem Rechnung tragend, muss die KGL ein echter Kontrahent des Hauptdirektors sein. Deshalb wenden wir uns mit einem offenen Brief an Dich.

Im Interesse unserer Mitglieder und aller Wohnungsbauer erwartet die KGL vom Hauptdirektor:

1. einen anspruchsvollen, aber realen und bilanzierten Plan 1990. Ein realer Plan 1990 für das Kombinat insgesamt wie für jeden einzelnen Betrieb und Bereich ist eine wesentliche Grundlage zur Erhöhung der Kontinuität und Effektivität der Arbeit in unserem WBK als Voraussetzung für

- die Erhöhung des Grundurlaubs für Arbeiter ab 1990 um 3 Tage

- den Abbau von Überstunden

- die schrittweise Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden in den nächsten Jahren

- die Vergütung von Arbeitserschwernissen

- die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und die Gestaltung der Arbeitsumwelt.

Perspektive für Werke

Wir erwarten die endgültige Klärung der Perspektive für die Kollegen des Betonwerkes Ferdinand-Schulze-Straße und das Werk Pasedagplatz genauso wie die Übergabe eines Planes an den VEB Bauinstandsetzung, der dem Charakter dieses Betriebes entspricht. Es ist alles zu tun, damit die Kollektive des VEB Elektromontage im Verband unseres Kombinates ihre Zukunft sehen.

Wir erwarten, dass der neue Plan 1990, einschließlich des Planteiles Arbeits- und Lebensbedingungen, erneut vor der KGL und auf Vertrauensleutevollversammlungen verteidigt wird und auf dieser Grundlage die Diskussion über die Betriebskollektivverträge frühestmöglich beginnen und auf Vertrauensleutevollversammlungen im Januar/Februar 1990 abgeschlossen werden kann.

2. die schrittweise Durchsetzung des Leistungsprinzips in unserem Kombinat unter Berücksichtigung folgender Maßnahmen:

- Der geplante Lohnfonds bleibt ab sofort in voller Höhe im Betrieb, auch wenn Arbeitskräfte fehlen oder eingespart werden. Die BGL'n verhandeln über seine Verwendung mit den Betriebsdirektoren.

Gerechte Entlohnung

- Die von den Mitgliedern als leistungsgerecht verstandenen Grundsätze sind durchzusetzen, wie "Gleicher Tariflohn für gleiche Arbeit", "Spitzenlohn für Spitzenkönner", "Bezahlung der Leiter, insbesondere der Meister und Bauleiter, entsprechend ihrer Verantwortung und Leistung" sowie "exakte Leistungsvorgabe und ehrliche Abrechnung".

- Die Lohngestaltung und -abrechnung ist für alle Werktätigen verständlich und von ihnen kontrollierbar zu gestalten.

- Die Arbeitsklassifizierung und die WAO ist so zu qualifizieren, dass sie den neuen Anforderungen gerecht werden kann.

3. dass gemeinsam mit der KGL neue Prämienregelungen vereinbart werden, mit dem Ziel, die Jahresendprämien dem tatsächlichen Lohn- und Gehaltsniveau anzupassen und die Kombinatsverbundenheit spürbar anzuerkennen. Wir sind der Auffassung, dafür ab 1990 auch die bisher für die Anerkennung des Titelkampfes verwendeten 50 Mark zu nutzen. Die Richtlinie zur Stimulierung der Mehrschichtarbeit ist zu überarbeiten und die Lehrlinge sind einzubeziehen.

Die Prämienmittel für 1990 sind, ausgenommen ein notwendiger kleiner Betrag, der zwischen uns zu vereinbaren ist, auf die Konten der Kombinatsbetriebe und ?bereiche zu überweisen, damit sie sofort nach erbrachter Leistungserfüllung verfügbar sind. Die genannten Maßnahmen verstehen wir auch als Schritte zur Durchsetzung des Leistungsprinzips.

Besteuerung prüfen

4. dass wir uns gemeinsam für die Veränderung des Steuersystems insgesamt einsetzen, damit bei allen Werktätigen leistungsabhängige Lohn- und Gehaltsbestandteile gleich besteuert werden.

5. dass entsprechend des Vorschlages der KGL (vom 16.10.1989) das Tempo beim Abbau exponierter Arbeitsplätze und der Schaffung von Arbeitsplätzen für leistungsgeminderte Werktätige spürbar erhöht wird. Über 3 000 Wohnungsbauer arbeiten an exponierten Arbeitsplätzen, konzentriert in den Betonwerken und den Ausbaugewerken. Alarmierend ist, dass die Expositionen gegenüber 1988 in diesem Jahr zugenommen haben.

Baustellenbedingungen

6. dass der Grundsatz "erst die Sicherung der Arbeits- und Lebensbedingungen und dann die Aufnahme der Arbeit" auf unseren Wohnkomplexen, Schwerpunkt ist Altglienicke, durchgesetzt wird.

Dabei stellen wir unmissverständlich klar, dass die Gestaltung der Arbeits- und Lebensbedingungen die eindeutige Dienstaufgabe des verantwortlichen staatlichen Leiters ist. Die hier in der Vergangenheit praktizierte Arbeit von staatlichen Leitern, zur Verschiebung der Verantwortung auf die Gewerkschaften werden wir nicht mehr zulassen. Mit Hartnäckigkeit werden wir unsere Kontrollpflicht und -recht wirksamer als bisher durchsetzen.

Erholung sichern

7. dass die Rekonstruktion unseres Ferienheimes in Binz zur Erhöhung der Kapazität und Attraktivität des betrieblichen Erholungswesens 1990 abgeschlossen, die Betriebsgaststätte im Betonwerk Grünau zur Sicherung einer niveauvollen Arbeiterversorgung kurzfristig fertiggestellt und nun endlich die seit vielen Jahren überfällige Neugestaltung der sanitären Einrichtungen des Kinderferienlagers Glubigsee in Angriff genommen wird, damit unsere Kinder ohne Angst frohe Ferientage verbringen können.

8. dass wir gemeinsam solche Formen und Methoden vereinbaren, die dem Charakter des sozialistischen Wettbewerbs Rechnung tragen und die gegenseitige Hilfe und Zusammenarbeit unserer Kollegen und Kollektive fördern und alles über Bord werfen, was sich nicht bewährt hat.

9. dass Festlegungen getroffen werden, die die gewerkschaftliche Mitbestimmung bei der Auswahl und den Einsatz von staatlichen Leitern sichern.

Mit gewerkschaftlichem Gruß
Jürgen M(...)
KGL-Vorsitzender

(Zwischenüberschriften von der Redaktion [der Betriebszeitung])

aus: Das Bautempo, Nr. 22/89, 28. Jg., Tribüne der Werktätigen des VEB Wohnungsbaukombinat "Fritz Heckert" Berlin

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