Interessengemeinschaft für VP-Angehörige gegründet

Bereit, vor der Untersuchungskommission auszusagen

Seit langem gibt es Forderungen von Volkspolizisten, eine eigene Interessenvertretung zu gründen, die insbesondere die Basis vertritt. Gestern fand die Gründungsversammlung statt. Ich unterhielt mich mit Meister der VP Hans-Jürgen H(...), einem der Initiatoren.

Welchem Ziel dient diese Interessenvertretung?

Viele Genossen der einzelnen Reviere und Inspektionen fühlten sich seit langem in keiner Weise gewerkschaftlich vertreten. Wir hoffen, dass aus der jetzt gegründeten Organisation eine Gewerkschaft für die Volkspolizisten entsteht, die sich um unsere Sorgen und Nöte kümmert.

Und die wären?

Das sind zunächst ganz praktische Dinge. Zum Beispiel arbeiten die Volkspolizisten im 3-Schicht-System, werden als Schichtarbeiter jedoch nicht anerkannt. Lohnfragen spielen ebenfalls eine Rolle. Was uns aber viel mehr auf der Seele brennt: Wir wollen endlich das sein, was unser Name besagt, nämlich Polizisten des Volkes. Nicht die "Bullen" oder gar die Prügelknaben der Nation. Dazu gehört aber auch, dass der Volkspolizist auch Befugnisse haben muss, selbst Entscheidungen zu treffen. Bislang führen wir Papierkrieg. Wir schreiben über alles Protokolle, schicken sie an die übergeordnete Leitung, meist auf Nimmerwiederhören. Ich will jedoch ausdrücklich betonen, es geht uns nicht darum, Befehle zu verweigern, aber eigene Handlungsfreiheiten auf der gesetzlichen Grundlage muss es geben.

Welchen Inhalt hat das Arbeitspapier, das auf der Gründungsveranstaltung der Interessenvertretung verabschiedet wurde?

Wir haben uns unter anderem vorgenommen, mit der zeitweiligen Untersuchungskommission zu den Ereignissen am 7./8. Oktober zusammenzuarbeiten. Die Genossen an der Basis wollen dazu beitragen, alles aufzudecken, was in jenen Tagen wirklich passierte. Viele von uns sind bereit, jederzeit vor der Kommission auf alle Fragen ehrlich und ohne Weglassen irgendwelcher Fakten zu berichten. Wir sind damals Befehlen gefolgt, von denen wir heute wissen, sie waren falsch. Wir schämen uns sehr für das, was passierte, und fordern nachdrücklich, dass sich die Verantwortlichen zu den Befehlen bekennen.

Das Gespräch führte Heidi Diehl

aus: Neues Deutschland, 44. Jahrgang, Ausgabe 287, 06.12.1989. Die Redaktion wurde 1956 und 1986 mit dem Karl-Marx-Orden und 1971 mit dem Vaterländischen Verdienstorden in Gold ausgezeichnet.