Wie steht es um die Strukturen der Gewerkschaften?

Abgespeckt und doch aktiv

Fragen an Rainer Schramm, stellvertretender Vorsitzender des Dachverbandes

• Neue Strukturen auch in der Gewerkschaft. Wie ist der Stand?

Kongressauftrag war ja, die Bezirks-und Kreisvorstände des FDGB aufzulösen und den aufgeblähten Apparat um 80 Prozent zu reduzieren. Das ist geschehen; in den Kreisen und Bezirken sind im Februar und März die Vorstände aufgelöst worden, und der gewerkschaftliche Dachverband ist jetzt durch Geschäftsstellen präsent.

• Wie sind sie kadermäßig besetzt?

In den Bezirken sind 12 bis 16 Mitarbeiter und ein Geschäftsstelleiter tätig, der jeweils durch die Vorsitzenden der Einzelgewerkschaften bestätigt wurde. In den Kreisen gibt es jeweils zwei bis vier Mitarbeiter.

• Welche Aufgaben haben die Geschäftsstellen?

Sie vertreten die gesamtgewerkschaftlichen Interessen in Abstimmung mit den IG und Gewerkschaften in ihren Territorien über die Zusammenarbeit mit Arbeitsgruppen und Ausschüssen der Volksvertretungen muss gewerkschaftliches Engagement deutlich werden. Es geht um die Sicherung von Arbeitsplätzen, um eine perspektivische Beschäftigungspolitik. Ein Schwerpunkt wird auch die Rechtsberatung sein, denn allzu gern kehren heutzutage wendeflinke Betriebsleiter den Unternehmer hervor und machen ihre eigenen Gesetze. Und auch die Koordination gewerkschaftlicher Aktionen - wie Meetings zum 1. Mai - gehört zu deren Aufgaben.

• Sind die Ortsgewerkschaftsorganisationen passé?

Im Gegenteil, gegenwärtig sind wir dabei, nach effektiven Lösungen für die Arbeit der Ortsgewerkschaftsorganisationen zu suchen. Ihre Bedeutung wächst. Geht es vor allem doch um die gewerkschaftliche Betreuung der Rentner, um den Interessenschutz der Beschäftigten der kleinen Privatbetriebe, und keinesfalls dürfen Beschäftigte, die arbeitslos geworden sind, den Kontakt zur Gewerkschaft verlieren.

• Beim DGB herrscht offensichtlich Funkstille, was die Zusammenarbeit mit dem FDGB betrifft. Wie siehst du die Zukunft des FDGB?

Ich sehe die Sache sehr pragmatisch. Äußerungen in der Presse sind die eine Seite, die praktische Arbeit ist die andere. Schon jetzt lassen sich die territorialen und überregionalen Aktivitäten beider Gewerkschaftsverbände kaum noch zählen. Kooperationsverträge, Vereinbarungen und Kommissionen, Kontaktbüros und gemeinsame Aktionen zeugen von immer enger werdender Zusammenarbeit. Hier wird Konkretes geleistet, und das allein zählt. Die DGB-Basis und die Einzelgewerkschaften geben hierbei wertvolle Unterstützung, dafür sind wir sehr dankbar. Es geht um die gemeinsamen Interessen der IG und Gewerkschaften, und der Dachverband wird seine Kraft dafür einsetzen, dass diese gemeinsamen Interessen auch mit entsprechenden Mitteln vertreten und durchgesetzt werden.

Tribüne, Mi. 25.04.1990

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