IG Chemie, Glas und Keramik beschloss Vereinigung mit ihrer Schwestergewerkschaft

Vorlauf verhindert ein Vakuum

Interview mit Hartmut Löschner, Vorsitzender des Geschäftsführenden Hauptvorstandes

• Die Zentraldelegiertenkonferenz der IG Chemie, Glas und Keramik beschloss die Fusion mit der bundesdeutschen Schwesterorganisation. Wann kommt es auf Vereinigung?

Einen Zeitpunkt gibt es nicht. Wir haben aber einen Fahrplan, der vorsieht, die Fusion über eine Kooperation zu erreichen. Vor der Vereinigung kommt die Arbeit in gemeinsamen Ausschüssen und Kommissionen.

• Nun hat aber die staatliche Vereinigung an Tempo angelegt . . .

Unabhängig vom Termin der Einheit Deutschlands bestimmen die Industriegewerkschaften, wann sie fusionieren. Ein überstürztes Zusammenwerfen ist unklug.

• Stellt die DDR-IG Bedingungen?

Untragbar sind für uns Streichungen mit dem Rotstift, was zum Beispiel unsere satzungsmäßigen Leistungen betrifft. Es sei denn,es gibt weitergehende Leistungen.

• Die IG Chemie, Glas und Keramik ist eindeutig für Betriebsräte. Ist das Gewerkschaftsgesetz gestorben?

Ja, man muss eben die Realitäten sehen. Die Weichen sind in Richtung Betriebsrätesystem gestellt. Diese und ein Element der Marktwirtschaft. Indem wir so klar auf Betriebsräte orientieren, schaffen wir Vorlauf, bis ein Betriebsverfassungsgesetz in Kraft getreten ist. Ein Vakuum in der Vertretung von Arbeitnehmerinteressen wird so vermieden.

• In vielen Betrieben sind gerade neue Gewerkschaftsleitungen gewählt worden. Alles umsonst?

Auf keinen Fall. Die Betriebsgewerkschaftsleitungen sollen in die Funktion der Betriebsräte hineinwachsen. Außerdem beweisen die Wahlen nach meinem Dafürhalten das Vertrauen der Mitglieder in die Erneuerungsfähigkeit ihrer Industriegewerkschaft Chemie, Glas und Keramik.

Björn Seeling

Tribüne, Di. 08.05.1990

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