HBV-Büro in Thüringen bietet Hilfe und Unterstützung

BGL dringend notwendig

Bodo Ramelow leitet Informationsbüro der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen

• Seit drei Wochen hat die Gewerkschaft HBV des DGB in Thüringen ein Büro. Welche Aufgaben hat es?

Wir wollen für die betriebliche Gewerkschaftsarbeit Hilfe und Unterstützung gerade in solchen Bereichen wie Tarif-, Sozial- und Mitbestimmungspolitik geben, Vertrauensarbeit leisten und auch Bildungsveranstaltungen durchführen. Aber auch die Beziehungen des Kapitals versuchen wir nachzuvollziehen, und wir vermitteln Partnerschaften zwischen Betrieben in beiden deutschen Staaten.

• Hast du Kontakt zu den Gewerkschaften Handel, Nahrung und Genuss in Suhl, Gera und Erfurt?

Alarmrufe, die dort eingehen, werden an mich weitergegeben. In kritisch sich entwickelnde Bereiche gehe ich mit, um Lösungsansätze zu diskutieren und die Entwicklung in eine positive Richtung zu schieben. Endgültig die Probleme lösen müssen die Belegschaften und die sie betreuenden Gewerkschaften jedoch selbst. Allerdings müssen die Gewerkschaftsfunktionäre hier lernen, den Kollegen zuzuhören.

• Viele sind zur Zeit wie gelähmt, sagen, wozu noch eine BGL wählen, wenn es vielleicht doch bald Betriebsräte gibt . . .

Abwarten ist das Schlimmste, was man tun kann. Es bestehen in der DDR so viele rechtsfreie Räume, die Zug um Zug von jedem belegt werden, der Kapital hat. Wer die Interessen der Belegschaft zum Beispiel bei der Bildung von GmbH vertreten will, muss auf der Grundlage der bestehenden Gesetze schnellstens eine arbeitsfähige BGL wählen. Denn wo es diese nicht gibt, ist ihre Stellungnahme nicht mehr notwendig, und die staatliche Leitung muss die Belegschaft darüber nicht informieren. Wer sich nicht seine Rechte holt, hat keinerlei Möglichkeit, gestaltend etwas einzufordern. Ein Betriebsrat aber, der zur Zeit nicht die rechtlichen Grundlagen für eine Arbeit besitzt, muss tatenlos zusehen. Außerdem muss meines Erachtens ein Übergang zu Betriebsräten von den BGL eingereicht werden, die arbeitsfähig sind.

• Kollegen meinen, starke Gewerkschaften würden das Kapital davon abhalten zu investieren. Wie siehst du das?

Das Kapital macht es nicht davon abhängig, ob es starke Gewerkschaften gibt oder nicht. Die Frage ist, ob es eine starke Gewerkschaft im Betrieb gibt, mit der man Verträge schließen kann, die eine verlässliche Größe sind. Eine glaubwürdige BGL, von der Belegschaft getragen, wird auch vom Kapital als Partner anerkannt werden.

Helga Walther

Tribüne, Do. 29.03.1990

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