Beteiligung von Arbeitnehmern an DDR-Treuhandstelle gefordert

Investitionen im Stil nötig

Gewerkschaftstag der IG Chemie-Papier-Keramik

Eine Beteiligung von Arbeitnehmern an der DDR-Treuhandstelle hat der DGB-Vorsitzende Heinz-Werner Meyer am Montag zum Auftat eines zweitägigen Außerordentlichen Gewerkschaftstages der IG Chemie-Papier-Keramik in Bonn gefordert. Kritik an der Ausschaltung der Gewerkschaften in der Treuhandanstalt übten auch IG-Chemie-Chef Hermann Rappe und der Vorsitzende der DDR-Gewerkschaft Chemie, Glas und Keramik, Hartmut Löschner.

Vor den 425 Delegierten, die in Bonn Satzungsänderungen für die Vereinigung mit der DDR-Partnergewerkschaft beschließen wollen, setzte sich Meyer für eine "Investitionsoffensive großen Stils" in der DDR ein. Die Frage des Eigentums an Grund und Boden sei im Einigungsvertrag so gelöst, dass sie kein Hindernis für westliche Firmen mehr sei. Über Investitions- und Kooperationshemmnisse lasse sich zwar lange und trefflich streiten, aber "streiten wir nicht zu lange, sondern handeln wir", forderte der DGB-Vorsitzende. Jetzt komme es darauf an, den Widerspruch zwischen "Konjunktur hier und Zusammenbruch dort" zu lösen. Vor allem solle die Bundesregierung von der geplanten Senkung der Unternehmersteuer Abstand nehmen.

Umbruch aller erster Ordnung nannte Hermann Rappe die Ereignisse, die sich seit November 1989 vollzogen haben. Als Antwort auf den Zusammenbruch der staatlich gelenkten Sozialismussysteme, so Rappe, sei es an der Zeit, dass sich die Gewerkschaften für die sozial gestaltete Marktwirtschaft aussprechen. Sie habe die Bewährungsprobe als Gesellschafts- und Wirtschaftsmodell bestanden.

Ausführlich begründete er auf dieser Position Weg und Haltung im Zusammengehen mit der Partner-IG in der DDR. Die Mitglieder müssten dabei "Die Nase im Gesicht behalten dürfen". So gebe es von Oktober bis November eine Mitgliedersammlungsbewegung in der IG Ost, Ende November erfolge dann der Übergang in die IG West. Mit diesen Schritten wird die Vorbereitung des 14 ordentlichen Gewerkschaftstages im Juni 1991 eingeleitet.

Hartmut Löschner bezeichnete dieses Zusammenwachsen als tiefen Wunsch der Mitglieder. Es sei jedoch kein Prozess, der schmerzlos verläuft. Die IG, so betonte er, wolle keine "Radaugewerkschaft" sein. Sie suche die Partnerschaft.

Gemeinsam hatten beide Vorsitzenden ihren Standpunkt zu Vermögensfragen formuliert. Anspruch erhoben wird dabei auf das Eigentum, das den Gewerkschaften vor 1933 gehörte. Zusammengetragenes aus Mitgliedsbeiträgen der Gewerkschafter sei gleichfalls rechtmäßiges Eigentum. Die Sicherung gewerkschaftlicher Vermögensansprüche sei Grundlage für künftige Arbeit.

Ingrid Aulich

Tribüne, Nr. 175, 46. Jahrgang, Di. 11.09.1990

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