Konkrete Absprachen mit den Kollegen der Bundesbahn
Hoffen auf Tochterfirmen
Fragen an PETER ROTHE, Chef der Gewerkschaft der Eisenbahner in der DDR
• Kollege Rothe, du hast gerade auf dem Flughafen Berlin-Tegel die PanAm-Maschine verlassen, die aus Frankfurt (Main) kam. Was hattest du dort zu tun?
Ich nahm auf Einladung von Rudi Schäfer, Vorsitzender der Eisenbahnergewerkschaft (GdED) im DGB, an einer Pressekonferenz teil. Es ging um die Entwicklung der Eisenbahn in ganz Deutschland und sich daraus ergebende Fragen für die abgestimmte Tätigkeit beider Gewerkschaften.
• Was tut sich denn bei der Eisenbahn?
Es bahnt sich das Zusammenwachsen beider Eisenbahnen im Rahmen einer Verkehrsunion an. Von einem bloßen Zusammenwirken kann man schon gar nicht mehr reden. Es wird bereits konkret geplant. Darum ist auch eine enge Zusammenarbeit der Gewerkschaften erforderlich, um auftretenden sozialen Härten wirksam entgegentreten zu können. Die Deutsche Reichsbahn wird neu strukturiert. Herr Gohlke, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bundesbahn, rechnet mit einer Reduzierung des derzeitigen Arbeitskräftebedarfs um ein Drittel.
• Trübe Aussichten für die Eisenbahner?
Vielleicht nur auf den ersten Blick. Lassen wir den natürlichen Abgang jetzt erst einmal außer acht, vollzieht sich die genannte Reduzierung vor allem in den Bereichen Transport, Fahrzeuge und Bahnanlagen. Vorgesehene Tochterfirmen nach dem Beispiel der Bundesbahn sollen die freigesetzten Arbeitskräfte aufnehmen. Dieser Entwicklung stehen wir nicht abwartend gegenüber. Eine der ersten Handlungen unserer GdE war der Abschluss eines Rationalisierungsschutzabkommens.
Vertraglichen Schutz besitzen jetzt Schwangere und Mütter im Babyjahr. Für sie sind entsprechend ihrer Qualifikation und ihrer neuen Situation Umschulungsprogramme vorgesehen. Wir nehmen Herrn Gohlke und Herrn Keddi, Generaldirektor der Deutschen Reichsbahn, beim Wort: Im Prozess des Zusammenwachsens soll kein Eisenbahner entlassen werden. Die Eisenbahn darf nicht aufs Abstellgleis geraten. Der Entwicklung der Deutschen Reichsbahn zu einem marktorientierten Unternehmen stimmen wir zu. Mehr Effektivität, attraktivere Angebote bringen schließlich mehr Gewinn und gewährleisten sichere Arbeitsplätze.
• Wie seid ihr mit euren BRD-Partnern verblieben?
Auf der Pressekonferenz wandte sich Rudi Schäfer dagegen, das Bundesbahngesetz automatisch auf die Deutsche Reichsbahn zu übertragen. Besseres aus der DDR sollte übernommen werden. Die GdED besitzt reiche Erfahrungen in der Gewerkschaftsarbeit unter marktwirtschaftlichen Bedingungen. Die wollen wir vor allem in der Tarifarbeit nutzen. Ein Zusammenwachsen beider Eisenbahnen wird in logischer Konsequenz auch ein Zusammenwirken beider Gewerkschaften nach sich ziehen. Das wird durch eine gemeinsame Arbeitsgruppe vorbereitet.
Holger Arnhold
Tribüne, Do. 22.03.1990