Armeeangehörige bereiten Gründung einer Gewerkschaft vor
Gesetze allein reichen nicht
Ein zentrales Koordinierungsbüro zur Bildung einer Gewerkschaft für alle Armeeangehörigen hat sich konstituiert. Darüber Auskunft gab Oberst Munkelt.
• Militär und Gewerkschaft. Vor einem halben Jahr noch ein Witz . . .
Das stimmt. Aber auch in unserer Armee geht es um demokratische Mitwirkung, die muss organisiert sein. Das betrifft die Mitbestimmung durch alle Armeeangehörigen, aber auch demokratische Kontrolle, was in und mit den Streitkräften geschieht.
• Also Schluss mit der "ruhenden" Mitgliedschaft?
Unserer Meinung nach ja. So wie für die Masse der Werktätigen, sehen wir auch für uns die Interessenvertretung durch eine Gewerkschaft als geeignetste Form. Warum eigentlich sollen Verfassung und AGB vor dem Kasernentor halt machen?
Dachverband könnte auch für uns der FDGB sein. Darum haben wir mit dem Vorbereitungskomitee für den außerordentlichen Kongress bereits Kontakt aufgenommen. fanden auch offene Ohren, Ende Januar eventuell als Beobachter teilnehmen und unseren Standpunkt deutlich machen zu können. Ebenso haben wir am 1. Basistreffen der Gewerkschaften in Bernau teilgenommen.
• Was wollt ihr durchsetzen?
Wir wenden uns nicht gegen Einzelleitung und Befehle. Sie gehören nun einmal zum Soldatenleben, nicht nur bei uns. In der Vergangenheit hatten wir wenig Möglichkeiten zur demokratischen Mitwirkung. Aber Mitbestimmung bei Entscheidungen, die die sozialen Interessen der Armeeangehörigen, ihre Dienst-, Arbeits- und Lebensbedingungen betreffen, ist möglich und notwendig. Die Existenz von Gesetzen allein reicht nicht aus. Das zeigte die Praxis auch bei uns. Eine Armee muss im Frieden anders geführt werden als im Krieg. Diesen Gedanken unserer Militärreform wollen wir mit Vorschlägen unterstützen.
• Welche Punkte wären wichtig?
Die Festlegung der Dienstverhältnisse, Rechte und Pflichten jedes Armeeangehörigen. Befugnisüberschreitungen bis hin zum Amtsmissbrauch sollen ausgeschlossen sein. Dazu zählen Mitsprache bei der Erarbeitung von Gesetzen, bei Kaderentscheidungen, Unterbringung von Soldaten und Prämienregelungen Die Abrüstungsmaßnahmen 1989 haben viele NVA-Angehörige hart getroffen Das Fehlen einer starken Gewerkschaft machte sich hierbei bemerkbar.
• Konstituieren will sich aber auch ein Verband der Berufssoldaten. Signalisiert das nicht Spaltung?
Nicht, wenn die Aufgaben klar abgegrenzt sind. Soziale Sicherheit nach innen kann aber nur die Gewerkschaft garantieren. Die Gewerkschaft der Zivilbeschäftigten der NVA, zu der wir ebenfalls Kontakt aufgenommen haben, besitzt Strukturen, die für uns Starthilfe sein könnten. Einigkeit besteht im Prinzip ein Betrieb, eine Gewerkschaft. In einer BGL könnten Armeeangehörige und Zivilbeschäftigte gemeinsam arbeiten. Soweit es die Gefechtsbereitschaft betrifft, verbietet sich Streik von selbst.
• Wie weit ist es noch zur Bildung eurer Gewerkschaft?
In allen Standorten sollen jetzt Gewerkschaftsgruppen für Armeeangehörige gebildet werden. Die Resonanz ist positiv. Die Koordinierung erfolgt durch unser zentrales Komitee in Schneeberg, Postfach 49 811.
Holger Arnhold
Tribüne, Fr. 19.01.1990