Postler gründeten eigenständige Gewerkschaft
Samstags keine Zeitung mehr?
Fragen an Peter Praikow, Vorsitzender der Gewerkschaft Post
• Wie Phönix aus der Asche - hast du mit deiner Wahl gerechnet?
Nein, gar nicht. Doch die Delegierten haben sich in der Stichwahl so entschieden. Im Arbeitssekretariat habe ich diese Konferenz mit vorbereitet, war auf dem außerordentlichen FDGB-Kongress Sprecher der Delegation Post. Also nicht ganz neu.
• Der Gründungskongress vom Wochenende ist nun schon Geschichte. Und heute - wie siehst du die Position der Postler?
Wichtigste Sache: Wir haben nach langer und ausführlicher Debatte ein Aktionsprogramm beschlossen. Uns geht es darum, die Interessen unserer Mitglieder durchzusetzen. So wollen wir ein neues Tarifprojekt mit der Regierung aushandeln. Unsere Vorstellungen gehen da zu einer posttypischen Entlohnung. Da wir ein Dienstleistungsbereich sind, haben wir mit den Produktivlöhnen in der Vergangenheit keine guten Erfahrungen gemacht. Etwa mehr oder weniger ein Kennziffernkult.
Außerdem wollen wir ein umfangreiches Sozialpaket durchsetzen.
• Ist das in der gegenwärtigen Situation überhaupt realistisch?
Wir gehen nicht davon aus, dass man uns mit offenen Armen empfängt, wenn wir mit unseren Forderungen kommen. Doch das ändert nicht unsere Position. Beim Post-Minister liegt bereits ein Verhandlungsangebot von uns für ein Rationalisierungsschutzabkommen vor, das wir so schnell als möglich abschließen wollen. Es geht hier unter anderem um die Unkündbarkeit nach 15jähriger Tätigkeit bei der Deutschen Post, um den Schutz von alleinstehenden Mitarbeitern, Schwerbeschädigten. Uns dürfen doch unter marktwirtschaftlichen Bedingungen keine Rechte verlorengehen.
• Ist das als Drohung zu verstehen?
Nein. Wenn hier der Streik gemeint ist, er soll das allerletzte Mittel im Arbeitskampf sein. Denn: Ein Messer, das man oft benutzt, wird schnell stumpf. Wir müssen uns alle selbst erst mal klarwerden über unsere neue Position, unsere Möglichkeiten im Arbeitskampf. Es geht immer darum, den Willen unserer Mitglieder zum Ausdruck zu bringen, um den Schutz gewerkschaftlicher Interessen. Kontakte mit dem DGB unterstützen diesen Findungsprozess. Zu unserem neuen Selbstverständnis gehört deshalb auch das: Für die ökonomische Wirksamkeit eines wirtschaftlichen Unternehmens sind wir nicht verantwortlich.
• Man hört munkeln, dass sonnabends keine Zeitungen mehr zugestellt werden sollen . . .
Damit wären Tausende von Arbeitsplätze in Gefahr. Das kann nicht der Weg sein. Sicher, die Struktur bei der Post wird sich ändern müssen, um leistungsfähiger zu werden. Aber nicht auf Kosten der Kollegen und auch nicht auf Kosten der Postkunden. Wir treten für einen schrittweisen Übergang zur 40-Stunden-Arbeitswoche bis Ende 1991 ein.
Jutta Schütz
Tribüne, Mo. 12.03.1990