Endlich in Bewegung kommen, um aus dem dicken Nebel herauszufinden

12. Tagung des Zentralvorstands der Gewerkschaft Kunst wählte neuen Vorsitzenden

Wo steht die Gewerkschaft Kunst? Was kann, was muss sie jetzt tun? Fragen, die am vergangenen Freitag in Berlin auf der 12. Tagung der Zentralvorstandes der Gewerkschaft Kunst zur Debatte standen. Fragen, auf die noch niemand fertige Antworten parat hat, zu groß sind die angestauten Probleme. Erörtert wurde der Entwurf eines Positionspapiers mit einem Aktionsprogramm, das nun als Diskussionsgrundlage über künftige Inhalte und Methoden der Gewerkschaftsarbeit in allen Grundorganisationen dienen soll. Darin wird unter anderem die Eigenständigkeit einer neuen Gewerkschaft Kunst, Kultur, Medien in einem parteiunabhängigen erneuerten Einheitsgewerkschaftsbund betont. Zustimmung fand ein Antrag auf Ausschluss aus dem FDGB für jene Präsidiumsmitglieder des Bundesvorstandes, die den Beschluss über die Solidaritätsgelder fürs FDJ-Pfingsttreffen mitgetragen haben.

Um die gründliche Vorbereitung einer außerordentlichen Delegiertenkonferenz der Gewerkschaft Kunst zu gewährleisten, beschloss die Tagung, diese erst noch dem außerordentlichen FDGB-Kongress im März oder April durchzuführen. Als neue ehrenamtliche Vorsitzende der Gewerkschaft wurde bei zwei Gegenstimmen die Schauspielerin Walfriede Schmitt gewählt. Wir hatten Gelegenheit zu einem kurzen Gespräch:

• Wie fühlst du dich?

Locker. Ich habe keine Angst vor der Funktion. Bisher war ich Vorsitzende der Frauenkommission im Zentralvorstand. Ob das jetzt der effektivste Platz für mich ist, weiß ich natürlich nicht. Es wird sich ja herausstellen. Vor uns liegt ein Berg von Arbeit.

• Warum ist die Funktion nun eine ehrenamtliche?

Um der Verselbständigung des Apparates entgegenzuwirken. Wir haben uns im Sekretariat des Zentralvorstandes schon länger damit beschäftigt, wie wir aus der Stagnation herauskommen. Ich glaube, das ist ein Anfang.

• Warst du mit der heutigen Tagung zufrieden?

Nein. Ich fand die Diskussion etwas mager. Viel mehr Debatten um neue Ideen, Vorschläge hätte ich mir gewünscht. Denn eigentlich hätte hier jeder etwas sagen müssen, damit man sich von den Problemen der Kollegen ein Bild machen, Bewegungen abschätzen kann. Wir müssen lernen, miteinander produktiv umzugehen.

• Wie stellst du dir die zukünftige Arbeit vor?

Viele unserer Mitglieder wissen überhaupt nicht, dass es einen Zentralvorstand gibt, fühlen sich nicht ausreichend vertreten. Ich hatte immer das Gefühl, dass wir bisher im dicken Nebel gearbeitet haben. In Bewegung müssen wir jetzt kommen und uns - ich nenne es mal so - verdünnen. Damit meine ich, den Aufwand nicht ausufern zu lassen, unsere Arbeitsweise durchschaubarer zu machen. Zwischenräume brauchen wir, Eigenständigkeit. Nur so hat der einzelne eine Chance, sich einbringen zu können.

Das Dringlichste ist heute miteinander zu reden, um voneinander zu erfahren. Dann können wir auch unsere Ziele abstecken, eine konsequente zweig- und berufsspezifische Interessenvertretung anstreben.

• Befürchtest du nicht, dass der Beruf unter der neuen Aufgabe leidet?

Meine Zeit wird sehr knapp sein, sicherlich. Aber die Schauspielerei bleibt die Nummer eins für mich. Es kann nur klappen, wenn wir die Aufgaben in einem kollektiven Leitungsprozess auf viele verteilen.

Mario Zeidler

Tribüne, Mo. 04.12.1989, Organ des Bundesvorstandes des FDGB

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