Wir müssen schneller seid als das Kapital

Pressekonferenz vor Neubeginn in den Gewerkschaften

• Wer sind die Leute im Komitee zur Vorbereitung des FDGB-Kongresses?

Werner Peplowski: Wir sind nicht Funktionäre, wie es früher üblich war. Ich bin Vorsitzender des Zentralvorstandes der IG Druck und Papier und habe mich der Verantwortung gestellt, dieses Komitee zu leiten. Meine beiden Kollegen Rainer Schramm, BGL-Vorsitzender im VEB Elektrokohle Berlin, und Hartwig Bugiel, Vorsitzender des Zentralvorstandes der IG Metall, haben es geschafft, als Vertreter der Gewerkschaften mit an den Runden Tisch zu kommen.

• Ist der FDGB noch zu retten?

Werner Peplowski: Auf dem Kongress werden wir uns die Möglichkeit erarbeiten, den gewerkschaftlichen Standpunkt deutlich zu machen in diesem Land; unter Bedingungen, die wir alle noch nicht kennen. Wir gehen davon aus, dass es in den nächsten Tagen und Wochen eine DDR gibt, die einen demokratischen Sozialismus aufbaut, in dem die Gewerkschaften ihren Platz haben. Eine Bedingung ist, dass die alte Rolle der Gewerkschaft aufgegeben wird, dass sie zu einer tatsächlichen Schutzfunktion der Werktätigen kommt. Wenn das nicht gelingt, dann sind die Gewerkschaften verloren.

Hartwig Bugiel: Es kommt in erster Linie darauf an, die Industriegewerkschaften und Gewerkschaften zu starken. Interessenvertreter zu sein, bedeutet für sie, die Tarifautonomie zu haben und auch über die Finanzen selbst bestimmen zu können. Wir haben heute die ersten Schritte dazu gemacht. Viele Kollegen haben Angst vor Joint ventures. Unser Standpunkt dazu ist: Bevor das Kapital kommt, müssen wir in den Betrieben sein.

• Gibt es genügend Fachleute in den Gewerkschaften, und wie werden sie ausgebildet?

Werner Peplowski: Den Kampf der Gewerkschaften um einen Teil des Gewinns der Betriebe sind wir alle nicht gewohnt. Wir haben wenige Fachleute auf dem Gebiet des Tarifrechts und des Gesundheits- und Arbeitsschutzes. Deshalb sind Überlegungen im Gange, die Gewerkschaftshochschule umzuprofilieren.

• Habt ihr am Runden Tisch etwas einbringen können?

Rainer Schramm: Wir haben erreicht, dass unsere Organisation mit zwei Vertretern als gleichberechtigter Partner am Runden Tisch auch in Zukunft vertreten sein wird. Es wird sicherlich notwendig sein, die Delegation mit Beratern zu unterstützen. Viele am Runden Tisch verfügen über eine ausgezeichnete Ausbildung in Rechtswissenschaften; auf so etwas müssen wir uns auch einstellen.

• Gibt es schon Vorstellungen über die gewerkschaftliche Interessenvertretung in Betrieben mit kapitalistischer Beteiligung?

Werner Peplowski: Man wird mitunter schon als blauäugig bezeichnet, wenn man in Richtung Bundesrepublik schaut. Aber wir werden im Komitee darüber beraten, wie wir die Erfahrungen dort unter unseren Bedingungen nutzen können.

Hartwig Bugiel: Mit Joint ventures gerät unser Land in die Gefahr, ein Billigland zu werden. Da ist das Problem der zwei Währungen. Es muss unter allen Umständen verhindert werden, dass ein Ausverkauf unseres Landes erfolgt. Aber man muss auch davon ausgehen, dass es in der BRD und in der DDR gemeinsame Interessen auf gewerkschaftlichem Gebiet gibt, der DGB ist zum Beispiel nicht daran interessiert, dass Tarife unterlaufen werden. Da tun sich Gemeinsamkeiten auf.

Tribüne, Mo. 11.12.1989

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