Das bekamen die Kollegen vom amt. Betriebsdirektor zu hören:

Gewerkschaft im Betrieb ist illegal

Die BGL machte sich stark für Rechte der Gewerkschaft ohne Wenn und Aber

Ein gehöriges Stück übers Ziel hinaus schoss der amtierende Betriebsdirektor des VEB Eisen- und Blechwaren J(...), als er am 11. Dezember eine schriftliche Anordnung veröffentlichte, mit der er praktisch die gewerkschaftliche Arbeit im Betrieb lahm legen wollte.

"Gesellschaftliche Tätigkeit", hieß es da in dem Aushang, "hat grundsätzlich außerhalb der Arbeitszeit und bis auf genehmigte Veranstaltungen auch außerhalb des Betriebes zu erfolgen." Seiner Weisung stellte Kollege L(...) die Überlegung voran: "In Ländern, die ungleich erfolgreicher sind als wir in der DDR, ist in den Betrieben jegliche politische Betätigung untersagt."

Das ließ sich die BGL natürlich nicht bieten. Sie lud den amtierenden Direktor zu einer BGL-Sitzung am 20. Dezember ein. Aber dabei kam nichts heraus. Kollege L(...) versuchte, anhand des Arbeitsgesetzbuches nachzuweisen, dass die BGL nicht das Recht hat, während der Arbeitszeit gewerkschaftliche Tätigkeit zu machen. Diese Arbeit sei illegal.

Wirr und widersprüchlich

Dann gab es noch eine schriftliche Antwort des amtierenden Direktors an die BGL. Die ist ziemlich wirr und widersprüchlich. Die Gewerkschaft dürfe schon innerhalb der Arbeitszeit gesellschaftlich aktiv sein, hieß es da sinngemäß im ersten Satz. Aber dann wieder: "Gewerkschaftliche Interessenvertretung ist für keinen Kollegen im Arbeitsvertrag vereinbart." Oder: Wenn es eine Forderung der BGL sei, alle gewerkschaftliche Tätigkeit weiterhin während der Arbeitszeit in bezahlter Freistellung durchzuführen, möge sie auch die Verantwortung für die für betriebliche Aufgaben ausfallende Arbeitszeit übernehmen.

Offensichtlich keine Einsicht beim Direktor, dass die im Arbeitsgesetzbuch im Interesse der Werktätigen garantierten umfangreichen Rechte der Werktätigen für ihn verbindlich sind. Die BGL blieb hartnäckig. Sie holte sich die Unterstützung des Vorsitzenden des Bezirksvorstandes der IG Metall, des Zentralvorstandes und der "Tribüne". Ergebnis: eine weitere Runde zu dem Thema im Betrieb. Längst hatte die BGL klargestellt, dass gewerkschaftliche Arbeit nach der Arbeitszeit gemacht werden soll, wenn das möglich ist. Ist das nicht machbar, müssen die Gewerkschaftsfunktionäre die Möglichkeit haben, während der Arbeitszeit tätig zu sein. Die BGL hatte auch aufgelistet, was sie für notwendig hält.

Wieder Widersprüche in den Antworten des "Amtierenden" in dieser Runde. Natürlich solle die Gewerkschaftsarbeit weitergehen, aber über Umfang und Details müsse man reden. Wieso? Der Umfang der gewerkschaftlichen Rechte ist im AGB festgelegt, und Pflicht des Leiters ist es, ihre Wahrnehmung zu gewährleisten. Mit allem Nachdruck verwiesen die BGL-Mitglieder auf die in der Verfassung garantierte Pflicht der engen Zusammenarbeit der Wirtschaftsleiter mit den Gewerkschaften und auf das Verbot, gewerkschaftliche Tätigkeit einzuschränken.

Der amtierende Direktor: "Vieles ist im AGB nicht konkret festgelegt über die Freistellung." Es gibt aber eine ganz exakte Festlegung im AGB. Paragraph 182 sagt unmissverständlich: "Eine Freistellung von der Arbeit erfolgt, zur Wahrnehmung staatlicher und gesellschaftlicher Funktionen, soweit deren Ausübung außerhalb der Arbeitszeit nicht möglich ist." Das ist nun einmal geltendes Recht.

Unzufriedenheit bei der BGL über den Ausgang dieser Rund BGL-Vorsitzender Bodo M(...): "Wir haben heute mehr erwartet, zumal Kollege L(...) vom Vorsitzenden des Zentralvorstandes de IG Metall, Hartwig Bugiel, eben wegen dieser Einstellung öffentlich kritisiert werden musste" ("Tribüne" Nr. 10 vom 15. Januar). BGL-Mitglied Heinz K(...): "Haben wir es eigentlich nötig, dass die BGL gegen einen Leiter kämpfen muss?" Conrad B(...), Vorsitzender des Bezirksvorstandes Cottbus der IG Metall: "Das Schreiben des amtierende Direktors ist ein Angriff auf die Gewerkschaft."

Entschuldigung

Forderung der BGL jetzt: "Wir wollen endlich, dass der Kollege L(...) ohne Wenn und Aber die Rechte der Gewerkschaften in Betrieb akzeptiert. Das soll er öffentlich in einem schriftlicher Standpunkt erklären." Der Direktor reagierte nach zwei Tagen. Er teilte mit, dass er die Weisung vom 11. Dezember aufhebe, alle Aushänge seien einzuziehen. Er habe nicht beabsichtigt, die Gewerkschaftsarbeit zu behindern. Da dies jedoch eingetreten sei wolle er sich hiermit (auch das war eine Forderung der Gewerkschaftsleitung) bei der BGL und allen Mitgliedern der Betriebsgewerkschaftsorganisation entschuldigen.

Kann man darauf bauen? "Sicher", meint der BGL-Vorsitzende, "wir haben uns als Gewerkschaft stark gemacht, und Kollege Lebelt hat das mitgekriegt. Er hat die Gewissheit, dass er beim Wort genommen wird."

Siegfried K(...)

aus: Tribüne, Nr. 27, 07.02.1990, 46. Jahrgang, Zeitung der Gewerkschaften

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