"Arbeitsmarkt-Programm aufstellen"
DGB-Landeschefin Bretz fordert Schritte gegen Arbeitslosigkeit
MORGEN: Die Arbeitslosenquote im Ostteil der Stadt steigt. Was wollen Sie dagegen unternehmen?
BRETZ: Der neue Senat muss endlich ein arbeitsmarkt- und wirtschaftspolitisches Programm aufstellen. Was wir dazu tun können, liegt im Bereich unserer Mitbestimmung in den Arbeitsämtern. Wir werden natürlich auch mit der Regierung Pläne oder Fragen diskutieren.
MORGEN: Halten Sie es für sinnvoll, in Ost-Berlin und den neuen Bundesländern zu streiken, solange das Produktionsniveau dort niedrig ist?
BRETZ: Diese Frage muss im Zusammenhang mit den Einkommen und der Arbeitsplatzsicherheit geklärt werden. Die Gewerkschaften müssen sich daran beteiligen.
Der DGB wird nicht sagen, es sollten in den neuen Bundesländern alle streiken, damit sie Arbeitsplätze kriegen. Das wäre natürlich Unsinn. Aber wir wollen schon, dass etwas passiert, dass endlich Politik in den neuen Bundesländern gemacht wird.
MORGEN: Viele West-Berliner Arbeitnehmer betrachten ihre Ost-Berliner Kollegen als eine Gefahr für ihre Arbeitsplätze und Löhne. Was wollen Sie gegen solche Auffassungen tun?
BRETZ: Es ist dringend notwendig, das Lohnniveau im Osten Deutschlands langsam anzuheben, damit die Menschen eine Perspektive bekommen. Vertrösten hilft nicht. Die Arbeitnehmer im Westen betrachten die Kollegen dann als Konkurrenz, wenn sie als Leiharbeiter auftauchen oder schwarz arbeiten. Das ist das Problem. Das möchten wir nicht, weil sie dann auch ausgebeutet wer den und keine Sozialversicherung haben.
MORGEN: Wie weit ist die Organisation des DGB in Berlin und in Brandenburg gediehen?
BRETZ: Es ist soweit, dass wir jetzt die Informations- und Beratungsbüros aufgebaut haben: Potsdam, Cottbus, Frankfurt (Oder) arbeiten schon seit 1. Oktober. Ab 1. Januar wird in Brandenburg und in Neuruppin ein Büro arbeiten. In der Wallstraße, Berlin-Mitte, und Köpenick werden auch Rechtsberatungsbüros aufgebaut. Der nächste Schritt wird sein, DGB-Kreise zu bilden, in denen Vorstände gewählt werden.
Wir schätzen, zwischen 600 und 700 000 Mitglieder in Ost-Berlin und Brandenburg zu haben.
Das Gespräch führte
Christian Münter
Der Morgen, Sa. 158.12.1990