Satzungsänderungen ermöglichen Mitarbeit

Gespräch mit Günther Lappas, Vorsitzender der DGB-Gewerkschaft Gartenbau, Land- und Forstwirtschaft

• Seit dem vergangenen Wochenende gilt: Ab 1. Oktober 1990 eine Gewerkschaft Gartenbau, Land- und Forstwirtschaft in ganz Deutschland. Wie ist die GGLF darauf vorbereitet?

Dem vielfachen Zusammenwirken der beiden Gewerkschaften des grünen Bereiches seit dem Kooperationsvertrag vom Januar dieses Jahres folgte im Juli der mit der GLNF abgestimmte Beschluss, unseren Organisations- und Wirkungsbereich auf das Territorium der DDR auszudehnen. Der Handlungsbedarf war durch das Tempo politischer, ökonomischer und sozialer Entwicklungen gegeben. Am vergangenen Samstag beschloss unser außerordentlicher Gewerkschaftstag weitreichende Satzungsänderungen. Sie machen ob sofort eine wirkungsvolle Vertretung der Arbeitnehmerinteressen und die aktive Beteiligung der Mitglieder aus der DDR an der Politik der Gesamtorganisation möglich.

• Wie viel Mitglieder hat die GGLF auf dem Territorium der DDR?

Vor Beginn unserer gemeinsamen Arbeitskonferenz am 23. September kamen aus dem Land Sachsen 3 000 Beitrittserklärungen hinzu. Damit dürften es zur Zeit um die 34 000 sein.

• Mit wie viel Mitgliedern insgesamt rechnet der Hauptvorstand zum Jahresende?

Wir arbeiten daran, dass unsere Organisation dann deutlich über 100 000 Mitglieder zählt.

• Gleich zu Beginn der Arbeitstagung am vergangenen Sonntag schilderten DDR-Forstleute in drastischen Worten die soziale Situation der Arbeitnehmer. Wie wird, wie kann die GGLF darauf reagieren?

Die ersten Stunden dieser gemeinsamen Arbeitstagung mit Gewerkschaftern aus der DDR ergaben, dass die Probleme partiell viel drückender sind im Vergleich zu dem, was uns bisher bekannt wurde. Staatliche Forstwirtschaftsbetriebe zahlen die 200 DM Brutto Teuerungszuschlag nicht. Staatsgüter halten sich nicht an die jüngsten Tarifabschlüsse. Die Gelder dafür sind staatlicherseits da. Manche Direktoren verstehen es offenbar nicht, die Gelder bei den Behörden loszueisen. Ab 3. Oktober ist für uns klar, rechtsgültige Tarifvereinbarungen werden auch eingeklagt.

• Wie steht die GGLF zu den Staatsgütern?

Die sind in Treuhandverwaltung! Wie es zur Zeit aussieht, sollen von den 465 Gütern gut 400 erhalten bleiben. Wir bestehen auf Mitsprache in der Treuhand. Werden Staatsgüter, die in Länder- oder Kommuneeigentum übergehen, nicht weitergeführt, sind Ersatzarbeitsplätze bereitzustellen.

• Wie real ist diese Forderung?

Es steht viel Aufbauarbeit an im ländlichen Raum. Auch in ganz anderen Formen als bisher üblich. Es wird sich beispielsweise ein völlig neuer Berufszweig aufbauen, der des Garten- und Landschaftsbauers, den es in der BRD seit vielen Jahren gibt. Landschaftsschutz und Landschaftsneugestaltung. Natürlich muss in den Territorien sorgfältig ermittelt werden, welche Bereiche in welchem Umfang nötig sind. Darauf fußen die Umschulungsprogramme.

• Wie ist die GGLF in all den Belangen für die Mitglieder eines Territoriums erreichbar?

Ab 1. Oktober ist sie mit 19 Bezirken und mit fünf Landesbezirken auf dem Territorium der DDR vertreten. Alle Geschäftsstellen werden besetzt mit Kollegen aus der DDR. Sie waren überwiegend Beschäftigte der Gewerkschaft Land, Nahrungsgüter und Forst. Auf jeden Bezirk kommen ein Bezirksleiter, zwei Organisationssekretäre, zwei Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen. Aus jeden Landesbezirk ein Landesbezirksleiter, zwei Organisationssekretäre, zwei Mitarbeiter. Wir sind übrigens die einzige BRD-Gewerkschaft, die in diesem Maße DDR-Kollegen und -Kolleginnen einstellt.

• Was bewog die GGLF zu diesem Verhalten?

Wir waren bislang eine kleine Gewerkschaft, hätten gar nicht das Personal, um die Geschäftsstellen in fünf Ländern zu besitzen. Also haben wir ganz pragmatisch gedacht, warum soll man nicht Kollegen nehmen, die bisher Gewerkschaftsarbeit gemacht haben, wenn auch in anderem Sinne. Natürlich fragten wir uns auch, was Mitglieder unserer Gewerkschaft wohl denken, wenn nie es mit bisher gewohnten Mitarbeitern zu tun haben. Wir teilen diesen Kollegen einen Vertrauensvorschuss. Innerhalb von neun Monaten müssen sich alle politischen Sekretäre in ihren Bezirken zur Wahl stellen. Wer gewählt wird, ist demokratisch eingesetzt. Wer nicht gewählt wird, ja - dann hat die Basis entschieden. Ich glaube aber kaum, dass das in großen Maße auftreten wird.

• Wie geht es mit der Tarifarbeit weiter?

Einen großen Brocken, ich meine An Staatsgüter mit etwa 90 000 Beschäftigten, haben wir ja vom Tisch. Der Tarifvertrag ist da, in dem einen oder anderen Punkt, wie uns gesagt wurde, schon verbesserungswürdig. Jetzt ist ganz wichtig, dass wir mit den Staatsforstbetrieben einen Tarifvertrag unter Dach und Fach kriegen. Zur Zeit haben wir aber keinen Ansprechpartner. Diese Betriebe sind auch in der Treuhand, sollen in Länder- oder Kommuneeigentum übergehen. Kein Mensch fühlt sich verantwortlich, mit uns einen Tarifvertrag abzuschließen. Wir werden deswegen auch unser Bundeslandwirtschaftsministerium angehen.

In den Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften gibt es auch einige tausend Arbeitnehmer. Ein Riesenreservoir an neuen Mitgliedern für uns. Wir müssen für diese LPG Tarifverträge aushandeln. Wir tun das zunächst in Form von Haustarifverträgen. Solche Verträge unterschreibe ich jede Woche stapelweise.

Das Gespräch führte
Horst Wiese

Tribüne, Nr. 187, 27.09.1990

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