KARIN BENCZE, Volkskammerabgeordnete, Demokratischer Frauenbund Deutschlands:

Ich will die Interessen von Frauen weiter verfechten

Als einzige Volkskammerabgeordnete des Demokratischen Frauenbundes Deutschlands (DFD) haben Sie In den zurückliegenden Monaten im Parlament In gemeinsamer Fraktion mit der Demokratischen Bauernpartei Deutschlands (DBD) gearbeitet. Jetzt, da eine Fusion der DBD mit der CDU bevorsteht, ließen Sie verlauten, dass Sie sich als Gast der Fraktion der Liberalen anschließen. Warum gerade diese Fraktion?

Das Wirken in der DBD/DFD-Fraktion gab mir sehr gute Möglichkeiten, die Interessen von Frauen, Familien, Kindern, Rentnern wahrzunehmen. Mein wichtigstes Anliegen ist es, auch in der noch verbleibenden Zeit der Volkskammer, die Ziele unserer Frauenorganisation durch parlamentarische Arbeit so effektiv wie es nur geht zu verfechten. Dafür sehe ich nach Auflösung meiner bisherigen Fraktion als Gast der Fraktion der Liberalen die besten Chancen. Nicht nur, dass diese Fraktion keine Frau in ihren Reihen hat und ich auch als einzige Juristin meine bisher erworbenen Kenntnisse einbringen kann - sie vertritt auch eine Frauenpolitik, die weitestgehend durch den DFD akzeptiert wird.

Woran denken Sie da konkret?

In Anbetracht der Debatten um den Einigungsvertrag sehe ich gegenwärtig zum Beispiel als wichtiges Problem die Frage der Fristenregelung beim Schwangerschaftsabbruch. Hier vertreten die Liberalen einen ganz klaren Standpunkt, der sich mit unserem - nämlich der Beibehaltung des in der DDR geltenden Rechts der Frau auf selbstbestimmte Schwangerschaft - deckt Es besteht ein sehr großer Handlungsbedarf in dieser Frage, da die Festschreibung unserer Lösung in den auch mir nur durch die Medien bekannten Vertragsentwurf nicht aufgenommen wurde. Weiterhin ist in dem Vertrag z. B. nicht erkennbar, dass sich beide deutsche Staaten zur Eigentumsfrage verbindlich erklären; was mir im Hinblick auf meine juristische Tätigkeit Möglichkeiten gibt, die Fraktion in ihrem Ansinnen der Festschreibung der Eigentumsverhältnisse zu unterstützen. Übrigens treffe ich gerade in diesen beiden prekären Punkten in der noch bestehenden DBD/-DFD-Fraktion und in der Fraktion der Liberalen auf keine konträren Standpunkte.

Für Sie hätte aber auch die Möglichkeit bestanden, als unabhängige Abgeordnete bzw. innerhalb einer Abgeordnetengruppe zu wirken ...

... das stimmt, das ließe die neue Geschäftsordnung der Volkskammer zu. Und ich habe mir das auch überlegt. Die Möglichkeiten, sich aktiv an der parlamentarischen Arbeit zu beteiligen, sind m. E. jedoch weitaus geringer. Fraktionen bekommen Redezeiten, um zu den Problemen der jeweiligen Tagesordnung Stellung zu beziehen. Ein unabhängiger Abgeordneter muss aber beispielsweise Rederecht beantragen und 20 Abgeordnete mit Unterschrift hinter seinen Antrag bringen. Mein Wirksamwerden innerhalb des Plenums wäre in Zukunft nicht mehr wie bisher möglich. Die Arbeitsmöglichkeiten des einzelnen Abgeordneten der Vereinigten Linken (VL) haben mich stark beeinflusst, mich wieder einer Fraktion anzuschließen. Ohne sein parlamentarisches Engagement beurteilen zu wollen diesem Abgeordneten fällt es schwer, und es wird ihm auch durch die Geschäftsordnung schwer gemacht, wirksam werden zu können. Im Interesse des DFD und seiner Ziele sehe ich daher meine Mitwirkung als Gast in der liberalen Fraktion für eine gute Lösung an.

Sie sind also der Meinung, dass Sie durch diese Entscheidung am besten im Wählerinneninteresse handeln?

Selbstverständlich. Bei der Gründung des DFD-Landesverbandes Sachsen/Anhalt, an der ich kürzlich teilnahm, konnte ich auch erfahren, dass diese Entscheidung in meiner Frauenorganisation verstanden und mitgetragen wird. Ich habe mir vorgenommen, auch weiterhin im Namen von vielen Frauen zu den brennenden Problemen Stellung zu nehmen, ihre Forderungen in der Volkskammer zu artikulieren. Und die Verhandlungen mit der Fraktion der Liberalen haben gezeigt, dass man gewillt ist, mir das zu ermöglichen.

Interview: BRIGITTE BOECK

Neues Deutschland, Sa. 11.08.1990, Jahrgang 45, Ausgabe 186

Δ nach oben