ND-Exklusiv-Interview mit Minister RAINER EPPELMANN
Wir stehen zu Verträgen, Konsens mit Sowjetgeneralität
Herr Eppelmann, Ihr Treffen mit dem Bundesverteidigungsminister steht bevor . . .
Es wird am 27. April in Köln stattfinden.
Worüber werden Sie mit ihm reden?
Über eine ganze Reihe von Problemen. Wenn zwei Republiken aufeinander zuwachsen sollen, dann wird dieser Prozess an zwei Armeen nicht vorbeigehen. Wir werden die 2 plus 4-Verhandlungen vorbereiten müssen und über ein paar Detail- und Problemfälle zu reden haben, Dinge, die sich möglicherweise verändern müssen, weil sich die Beziehungen zwischen beiden Staaten verändert haben.
Welche sind das?
Das möchte ich nicht sagen, auch nach dem Gespräch mit Herrn Stoltenberg nicht.
Sie haben mit dem Oberkommandierenden der Vereinten Streitkräfte gesprochen. Zu lesen war, in welchen Fragen Sie übereinstimmen. Wo haben Sie denn keinen Konsens erzielt?
Es hat keinen Punkt gegeben, an dem wir uns gestritten haben. Unterschiede werden möglicherweise noch auftreten. Aber auch dafür wird die Runde 2 plus 4 das entscheidende Gremium sein. Ich konnte beiden hohen sowjetischen Offizieren, und wie mein Eindruck ist. glaubhaft, versichern, dass die DDR auch unter der Regierung de Maiziere ein verlässlicher Partner ist, zu seinen Verträgen steht, und dass man da, wo politische oder ökonomische oder wirtschaftliche Verhältnisse sich verändert haben, und davon ist ja auszugehen, in einvernehmlichen Verhandlungen zu neuen Verträgen kommen muss, dass wir aber keine Verträge einseitig aufkündigen.
Nun kosten Abrüstung und Konversion, für die Sie sich ja einsetzen, Geld. Wo wollen Sie dies hernehmen, wenn der Verteidigungshaushalt - wie man hört - erheblich gekürzt wird?
Das habe ich noch nicht gesagt, dass der Verteidigungshaushalt sinkt. Ich kann mir sehr wohl vorstellen, weil ich inzwischen dabei bin zu begreifen, dass auch Abrüstung Geld kostet, dass die 16 Milliarden zunächst nicht viel geringer werden, aber dass die Verteilung des Geldes anders aussehen wird. Dass man also keine neuen teuren Waffen kauft, oder zumindest sehr viel weniger als früher, und dass dieses Geld etwa in Konversionsprogramme gesteckt wird, oder in Umschulungsprogramme oder Sozialprogramme oder in Bereiche des Umweltschutzes.
Wie sieht beispielsweise Ihr Sozialprogramm aus?
Das kann ich noch nicht sagen. Ich kenne Details noch nicht.
Wie stellen Sie sich einen Rückzug ausländischer Truppen von deutschem Boden vor?
Auch das nur, und das vielleicht noch in besonderer Weise, innerhalb einer europäischen Friedensordnung. Ich erhoffe mir Impulse von den Ergebnissen der Abrüstungsverhandlungen in Wien. Ich gehe davon aus, dass danach die Truppen der Alliierten auf deutschem Boden deutlich verdünnt werden und dass sofort nach erfolgreichem Abschluss dieser Verhandlungen in Wien die zweite Abrüstungsrunde beginnen wird. Ich habe den Eindruck, wir sind in einer hoffnungsvollen und guten Phase, so dass es tatsächlich gelingen kann, noch in diesem Jahrhundert zu einer vernünftigen europäischen Friedensordnung zu kommen, in der es innerhalb Europas nur noch sehr wenige Soldaten gibt und eine stärkere Ansammlung nur noch an den Grenzen, aber dann des Kontinentes.
Wie stehen Sie denn zu Gewerkschaften in der NVA?
Ja, das ist eine Frage, zu der ich noch keine endgültige Meinung habe, weil das Gespräch mit der Gewerkschaft noch aussteht. Zumindest ein Teil der Vertreter besteht auf einem Streikrecht. Ich bin dafür, dass der Soldat das Recht hat, einen Befehl zu verweigern, der gegen Ethos oder Sitte oder Menschlichkeit verstößt, aber ich kann mir schlecht vorstellen, dass eine Kompanie sagt wir haben jetzt keine Lust, Herr Major.
Sie waren selbst Wehrdienstverweigerer und Bausoldat - da hätte ich mir vorstellen können, dass Sie der beste Anwalt für die Abschaffung der Wehrpflicht wären.
Bin ich damals auch gewesen. Aber die Verhältnisse in der DDR haben sich ja verändert. Zu der Zeit, als ich Bausoldat gewesen bin, gab es die Möglichkeit des Zivildienstes noch nicht. Und das zweite ist, das war mir früher nicht deutlich: Mir fallen inzwischen eine ganze Reihe von staatsbürgerlichen und -politischen Gründen ein, die dafür sprechen, die Wehrpflicht auch weiter zu erhalten. An der Stelle ein ganz deutliches Wort zu Aussagen der PDS, Aussagen von Bündnis 90: Sie gehen meiner Meinung nach in eine falsche Richtung. Sie fordern den Staat im Staate, etwas, was wir eigentlich nicht wollen. Wenn wir bürgernahe Soldaten, einmal im Jahr eine "halbe Bluttransfusion", haben wollen, dann müssen wir bei der Wehrpflicht bleiben.
Es fragte RAINER FUNKE
aus: Neues Deutschland, Jahrgang 45, Ausgabe 95, 24.04.1990, Sozialistische Tageszeitung. Die Redaktion wurde 1956 und 1986 mit dem Karl-Marx-Orden und 1971 mit dem Vaterländischen Verdienstorden in Gold ausgezeichnet.