Demokratischer Aufbruch -
sozial, ökologisch
Berlin, den 29.10.1989

Liebe Kinder!

Wir leben in einer aufregenden Zeit. Auch Ihr merkt das jeden Tag. In der Schule ist ein Platz neben Euch leer. Ihr habt Freundinnen oder Freunde verloren, weil sie die DDR verlassen haben. Das tut weh. Auch deswegen sind viele Menschen in vielen Orten auf die Straße gegangen. Sie demonstrieren. Das ist gar nicht wie am 1. Mai. Und immer wieder rufen die Menschen nach "Demokratie". Was ist Demokratie? Man kann das ganz einfach erklären: Wir alle, Kinder und Erwachsene, haben das Recht zu sagen, was wir denken. (Zu lange haben wir das versäumt).

Ihr Kinder könnt eine große Hilfe sein. Fragt in der Schule, wenn Ihr etwas nicht versteht. Sprecht über die Ausreise. Fragt auch, warum es so wenig Bananen gibt, auch wenn sie nicht wichtig sind.

Aufrichtigkeit und Freundlichkeit brauchen wir dringender!

Verzeiht uns, den Erwachsenen, dass wir so lange gewartet und geschwiegen haben.

Jetzt wollen wir vieles verändern. Dazu gehört Mut. Diesen Mut braucht Ihr auch in Eurer Klasse, Eurer Kindergruppe.

Glaubt uns, dass wir alles tun wollen, damit unser Leben in unserem Land wieder Spaß macht.

Demokratischer Aufbruch


[Der Entwurf für den Brief an die Kinder stammt von Margot Friedrich. Er lehnt sich an einen Text der Ökumenischen Versammlung in Dresden im April 1989 an.]