Arbeitsausschuss zur Vorbereitung des außerordentlichen Parteitages gebildet

Am Sonntag traten in Berlin das Zentralkomitee der SED und das Politbüro zurück. Zur weiteren Vorbereitung des außerordentlichen Parteitages formierte sich ein Arbeitsausschuss. Sein Vorsitzender Herbert Kroker gab nach der ersten Sitzung folgende Erklärung ab:

"Liebe Bürgerinnen und Bürger der Deutschen Demokratischen Republik, werte Genossinnen und Genossen!

1. Die Situation in unserer DDR verlangt entschlossenes Handeln. Sie ist entstanden durch das Versagen der Parteiführung, die von der Parteibasis zum Rücktritt gezwungen wurde, durch die Unfähigkeit der früheren Parteiführung; eine konstruktive Politik zur Erneuerung des Sozialismus zu entwickeln, und durch ihr Versagen bei der Aufklärung des Machtmissbrauchs früherer Politbüromitglieder und weiterer Funktionäre unserer Partei. In Verantwortung für das Land und für die Partei, legitimiert durch die Sorge um die Zukunft des Sozialismus in unserer DDR übernimmt der Arbeitsausschuss, bestehend aus gewählten Delegierten zum außerordentlichen Parteitag und weiteren Persönlichkeiten, mit sofortiger Wirkung die Aufgaben zur Vorbereitung des außerordentlichen Parteitages.

Ihm gehören folgende Genossinnen und Genossen an: Heinz Albrecht, Hans-Jürgen Audehm, Wolfgang Berghofer, Lothar Bisky, Ellen Brombacher, Roland Claus, Gregor Gysi, Hans-Joachim Hahn, Klaus Höpcke, Dagmar Hülsenberg, Norbert Kertscher, Dieter Klein, Herbert Kroker, Eva Maleck-Lewy, Bernd Meier, Peter Pechauf, Ulrich Peck, Wolfgang Pohl, Erich Postler, Gerd Schulz, Wolfgang Thiel, Heinz Vietze, Markus Wolf, Roland Wötzel und Brigitte Zimmermann. Die Genossen verbleiben in ihren derzeitigen Verantwortungsbereichen.

2. Der Arbeitsausschuss wählte in seiner 1. Zusammenkunft am 3. Dezember 1989 Genossen Herbert Kroker zum Vorsitzenden, die Genossen Heinz Albrecht, Dieter Klein und Genossin Eva Maleck-Lewy zu Stellvertretern des Vorsitzenden.

Pressesprecherin ist Genossin Brigitte Zimmermann.

3. Der Arbeitsausschuss stützt sich auf die Willensbekundungen zahlreicher Mitglieder und Kandidaten der Partei auf. Mitgliederversammlungen und Delegiertenkonferenzen zur generellen Erneuerung unserer Partei. Er richtet die Bitte an alle Genossinnen und Genossen, dass sie an ihren Plätzen ihre Verantwortung wahrnehmen. Der Arbeitsausschuss sieht es als seine Verpflichtung an, bereits vorliegende und weitere. Gedanken und Hinweise von Bürgerinnen und Bürgern aus allen gesellschaftlichen Bereichen aufzugreifen, die sich an unsere Partei richten. Zur Ausarbeitung notwendiger Materialien werden Arbeitsgruppen gebildet, die am 5. 12. 1989 ihre Arbeit aufnehmen. Die Kommission zur Untersuchung von Verstößen gegen das Parteistatut und gegen die Gesetzlichkeit durch ehemalige und jetzige Funktionäre der SED unter Leitung von Genossen Gregor Gysi ist bereits in der 1. Sitzung des Arbeitsausschusses gebildet worden und hat ihre Arbeit sofort aufgenommen.

4. Der Arbeitsausschuss spricht der Regierung Modrow sein Vertrauen aus und achtet ihre Souveränität.

5. Der Arbeitsausschuss sieht seine Aufgabe in einer solchen Vorbereitung des außerordentlichen Parteitages, dass dieser die Neuformierung einer modernen sozialistischen Partei von unten einzuleiten vermag. Wir. bitten alle Genossinnen und Genossen, die Arbeit unseres Ausschusses tatkräftig zu unterstützen."

Im unmittelbaren Anschluss an die erste Tagung des Ausschusses erklärte Herbert Kroker gegenüber „Neues Deutschland", dass beabsichtigt sei, auch Arbeiter aus jedem Bezirk in die Tätigkeit des Ausschusses einzubeziehen.

Neues Deutschland, Mo. 04.12.1989, Jahrgang 44, Ausgabe 285

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