DDR 1989/90Brandenburger Tor

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Der Beschluss des Staatsrates der DDR über eine Amnestie hat folgenden Wortlaut:

1. Die Amnestie erstreckt sich auf Personen, die

- vor dem 6.12.1989 wegen vorsätzlicher und fahrlässiger Vergehen rechtskräftig zu Strafen mit Freiheitsentzug verurteilt wurden,

- vor dem 6.12.1989 wegen Verbrechens zu Freiheitsstrafen bis zu 3 Jahren verurteilt wurden,

- vor dem 6.12.1989 wegen vorsätzlicher und fahrlässiger Vergehen zu einer Strafe mit Freiheitsentzug und wegen Verbrechens zu Freiheitsstrafen bis zu 3 Jahren verurteilt wurden, deren Rechtskraft erst nach dem 6.12.1989 eintritt.

2. Die Amnestie erstreckt sich nicht auf Personen, die wegen

- Sexualstraftaten

- Raub und Erpressung

- vorsätzlicher Tötungsdelikte, Körperverletzung mit Todesfolge und schwerer Körperverletzung

- Rowdytums verurteilt wurden.

3. Die zu Freiheitsentzug verurteilten Personen sind aus dem Strafvollzug zu entlassen.

Strafen sind nicht zu vollstrecken, wenn der Vollzug noch nicht begonnen wurde. Personen, gegen die Verdacht einer vor dem 6.12.1989 begangenen strafbaren Handlung besteht, die aber vor dem 6.12.1989 noch nicht rechtskräftig verurteilt wurden, sind nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung zu amnestieren, sofern die in Ziffer 1 genannten Voraussetzungen vorliegen und nicht die in Ziffer 2 genannten Ausschließungsgründe gegeben sind.

4. Von der Amnestie werden folgende Zusatzstrafen und gerichtliche Maßnahmen zur Wiedereingliederung erfasst:

- Aufenthaltsbeschränkung gem. §§ 51, 52 StGB

- Maßnahmen zur Wiedereingliederung gem. §§ 47, 48 und 249 Abs. 5 StGB.

5. Schadenersatzverpflichtungen werden von der Amnestie nicht berührt.

6. Werden amnestierte Personen innerhalb von 3 Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, ist die bisher nicht vollstreckte Strafe zusätzlich zu verwirklichen.

7. Die Entlassungen aus dem Strafvollzug werden in der Zelt vom 12.12.1989 bis 15.2.1990 durchgeführt.

8. Die örtlichen Räte, Betriebe und Einrichtungen sowie die Vorstände der Genossenschaften haben auf der Grundlage des Gesetzes über die Wiedereingliederung der aus dem Strafvollzug entlassenen Bürger in das gesellschaftlichen Leben vom 7. April 1977 (GBl. 1 Nr. 10 S. 98) die gleichberechtigte Eingliederung in den Arbeitsprozess und die wohnungsmäßige Unterbringung zu sichern.

9. Der Generalstaatsanwalt der DDR hat in Zusammenarbeit mit den Leitern der zentralen Justiz-und Sicherheitsorgane die Durchführung der Amnestie zu gewährleisten und darüber dem Staatsrat zu berichten.

Berlin, 6. Dezember 1989


Der amtierende Vorsitzende des Staatsrates der Deutschen Demokratischen Republik
Prof. Dr. Manfred Gerlach

Der Sekretär des Staatsrates der Deutschen Demokratischen Republik
Heinz Eichler

Neues Deutschland, Do. 07.12.1989