Berlin. dpa/BZ Nach der umstrittenen Durchsuchung der Berliner PDS-Zentrale hat sich die Kontroverse über die Rechtmäßigkeit dieser Aktion am Wochenende zugespitzt.
Dagegen meinte Grünen-Bundesgeschäftsführer Eberhard Walde, die Durchsuchung habe eigentlich Zwecken des Verfassungsschutzes gedient. Die Sicherheitsbehörden wollten sich vermutlich einen Überblick über die Räumlichkeiten der PDS-Zentrale verschaffen und diese mit Fotos für mögliche Einsätze und Observierungen dokumentieren. Der Bundeshauptausschuss der Grünen kritisierte die Durchsuchung als rechts- und verfassungswidrig.
Auf Verlangen von Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth soll der Immunitätsausschuss des Parlaments prüfen, ob die Immunitätsrechte der PDS-Abgeordneten verletzt wurden. Der Ausschuss werde einen ausführlichen Bericht des Bundesjustizministeriums anfordern, hieß es.
Unterdessen prüft der Verfassungsschutz nach Angaben von Staatsminister Lutz Stavenhagen (CDU), ob sich die PDS verfassungsfeindlich betätigt. Vom Ergebnis dieser Prüfung wird abhängen, ob die PDS vom Verfassungsschutz beobachtet wird oder nicht.
Der deutschlandpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Eduard Lintner, forderte eine Einbeziehung von PDS-Chef Gysi in die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen. Es gehe nicht an, dass Gysi "den intellektuellen Saubermann spielt, während Dunkelmänner seiner Partei für zweifelhafte und illegale Geldgeschäfte zuständig sind", sagte Lintner.
(Berliner Zeitung Mo. 22.10.1990)
Berlin (NZ/ADN/dpa). Staatsanwaltschaft und Polizei haben bei der Durchsuchung der PDS-Zentrale in Berlin in der Nacht zum Freitag "ihre gesetzliche Pflicht" erfüllt, erklärte Innensenator Erich Pätzold (SPD) am Sonnabend. In einer Pressemitteilung kündigte er die sorgfältige Untersuchung der "dubiosen" Überweisungen von mehr als hundert Millionen DM aus Berlin auf ausländische Konten an.
Bei der laut Parteiengesetz erforderlichen treuhänderischen Verwaltung für das PDS-Vermögen habe man weder das riesige Konto noch den Geldabfluss gekannt, meinte der Innensenator. Der Verdacht einer Straftat konkretisierte sich. "Die Ermittlungsbehörden konnten bei den riesigen ungenehmigten Zahlungen nicht davon ausgehen, dass es sich um die Begleichung uralter SED-Verbindlichkeiten handeln sollte", schätzte der SPD-Politiker ein. Er unterstrich, die Räume der Bundestagsabgeordneten Gysi und Modrow, die Immunität genießen, waren nicht durchsucht worden. Davon habe man "wegen der gebotenen Behutsamkeit bewusst Abstand genommen".
Der Verfassungsschutz prüft nach Angaben von Staatsminister Lutz Stavenhagen (CDU) zur Zeit, ob sich die PDS verfassungsfeindlich betätigt oder entsprechend äußert. In einem Interview der Illustrierten "Bunte" sagte der für die Koordination der Geheimdienste zuständige Politiker, "vom Ergebnis dieser Prüfung wird abhängen, ob die PDS vom Verfassungsschutz beobachtet wird oder nicht". Bei der PDS werde nach Recht und Gesetz wie bei jeder anderen Partei auch verfahren.
Stavenhagen kündigte ferner an, dass Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt "mit großem Nachdruck an die Arbeit gehen, um die Stasi-Seilschaften zu zerschlagen", die mit dem sowjetischen Geheimdienst KGB zusammenarbeiteten.
(Neue Zeit Mo. 22.10.1990)