Bernau (Eig. Ber.) "Wir brauchen Optimismus und Zuversicht. Mit Untergangsstimmung sollten wir nicht herangehen. Die Worte des Vorsitzenden Peter Praikow auf dem letzten Kongress der Deutschen Postgewerkschaft, Sitz Berlin, am vergangenen Wochenende klangen vertraut. Ähnlich hatte die Gewerkschaft der Postler vor 31 Wochen ihre eigene Existenz begonnen.
Nun ist sie auch schon wieder zu Ende, denn die Delegierten beschlossen ihre Auflösung zum 31. Oktober. Um dann der Deutschen Postgewerkschaft, Sitz Frankfurt am Main, beitreten zu können. Mit dieser Maßgabe verlief der Kongress dann auch über die Maßen gesittet und friedlich. Wobei es schon etwas seltsam anmutete, dass als erster Redner Kurt van Haaren, Vorsitzender der West-Postgewerkschaft, zu einer 50minütigen Rede das Wort nahm, um den Ost-Postlern zu versichern: „Ihr steht nicht allein! Nur gemeinsam sind wir stark." Er beschwor die gewerkschaftlichen Tugenden der praktischen Nächstenliebe und Solidarität. Arbeitnehmer bräuchten starke Gewerkschaften, damit sie nicht unter den Schlitten geraten. Denn die soziale Marktwirtschaft könne auch sehr ungerecht sein. Darum eben seien Gegengewichte nötig.
Aber ging es auf diesem Kongress der Ost-Postler nicht zuerst um die eigene Geschichte, um das, was mühsam erreicht wurde in den letzten Monaten, um das, was nun als neue Erfahrung hinübergenommen werden kann in die Gewerkschaftseinheit? Es scheint, dass die Prioritäten längst gesetzt sind.
Dabei hatte das, was Vorsitzender Praikow dann mit neuem Selbstbewusstsein vortrug, durchaus den Charakter einer sehenswerten Bilanz. Ein Ratioschutzabkommen wurde im März erkämpft, im Mai eine Lohntarifvereinbarung. Als erste Gewerkschaft hier hatten die Postler die Trennung vor den staatlich diktierten Produktivlöhnen durchgesetzt. Mit der überstürzten Postunion stellen sich nun die Probleme wieder ganz anders dar. Es hört sich erst mal ganz gut an, dass der überwiegende Teil der Postler die Arbeitsplätze behält, so wie es die beiden Postgewerkschaften mit der Unternehmerseite ausgehandelt hatten. Doch durch den Einigungsvertrag besteht jetzt die Möglichkeit der vereinfachten Kündigung wegen mangelnden Bedarfs. Das dürfe nicht angewendet werden. Auch Nettolohnausgleich und Teuerungszuschläge müssten neu eingefordert werden. Peter Praikow: "Wir nehmen es nicht hin, dass hiesige Besitzstände weiter abgebaut werden. Unsere Postler missen in die geltenden Tarifverträge der Bundespostler einbezogen werden."
Auf die andere Seite der Medaille machte während der Diskussion Manfred Wiczorek vom Zentralamt für Funkdienste aufmerksam: Es gibt viele, die jetzt einfach nicht mehr gebraucht werden. In der Statistik der kleinere Teil, doch was sagt das schon über das Schicksal der Betroffenen. Er gehört mit über 1 000 Kollegen seiner Einrichtung zu denen, die "abgewickelt" werden. Auch die Studiotechniken und etliche Dienststellen hängen in der Luft. Sozialpläne müssten durchgesetzt werden. "Durch den Einigungsvertrag sind wir rechtsfreie Ossis geworden", so seine bittere Erkenntnis.
Jutta Schütz
(Tribüne, Mo. 15.10.1990)
Bernau (NZ/ADN). Die Deutsche Postgewerkschaft (DPG) Ost hat am Sonnabend zum Abschluss ihres ersten ordentlichen Kongresses in Bernau ihre Auflösung beschlossen. In einer Entschließung appellierten die Delegierten an alle Mitglieder aus dem Bereich der ehemaligen Deutschen Post, ihre Mitgliedschaft ab 1. November in der DPG, Sitz Frankfurt/Main, fortzusetzen.
(Neue Zeit, Mo. 15.10.1990)
Bernau (ADN). Die Deutsche Postgewerkschaft (DPG) Ost hat am Sonnabend auf ihrem ersten ordentlichen Kongress in Bernau bei Berlin Ihre Auflösung beschlossen. Damit haben die 128 Delegierten bei einer Stimmenthaltung den Weg freigemacht für die Schaffung einer einheitlichen deutschen Postgewerkschaft. Über 100 000 Postler und Postlerinnen aus Ostdeutschland haben diesen Schritt bereits vollzogen.
(Neues Deutschland, Mo. 15.10.1990)
Es werden zwei Liquidatoren für das Vermögen bestellt.