Hamburg (NZ/dpa/ADN). Zwei Tage vor der Vollendung der staatlichen Einheit haben sich die Christdemokraten aus dem Osten und Westen Deutschlands am Montag auf ihrem ersten gemeinsamen Parteitag in Hamburg vereinigt. Die CDU sei die stärkste politische Kraft, sagte Helmut Kohl, der mit überwältigender Mehrheit zum ersten Parteivorsitzenden der gesamtdeutschen CDU gewählt wurde. In Hamburg erhielt er 98,5 Prozent der Stimmen. 943 Delegierte stimmten für ihn, vierzehn votierten mit Nein, sieben enthielten sich.
DDR-Regierungschef Lothar de Maizière ist mit großer Mehrheit zum stellvertretenden CDU-Parteivorsitzenden gewählt worden. 908 Delegierte votierten für de Maizière, vierundzwanzig gegen ihn.
Mit 82 Prozent der Stimmen wurde Volker Rühe als CDU-Generalsekretär in seinem Amt bestätigt.
Mit Ovationen feierten die Delegierten Kohl als den "Kanzler der Einheit". Großen Beifall bekamen auch die zweihundertfünfzig Delegierten aus den fünf Landesverbänden der Noch-DDR und Ost-Berlins mit dem DDR-Regierungschef Lothar de Maizière an der Spitze.
In seiner Grundsatzrede nannte Kohl "drei große politische Gestaltungsaufgaben" für das nächste Jahrzehnt: Die neuen Bundesländer müssten "schon bald wieder blühende Landschaften" werden: die europäische Union mit der Vision eines europäischen Bundesstaates müsse vollendet werden; Deutschland müsse seinen Beitrag bei der Gestaltung der Welt leisten. Kohl vertrat die Ansicht, dass die "überwiegende Mehrheit" der DDR-Bürger die Notwendigkeit erkenne, "gemeinsam eine Durststrecke zu bewältigen". Durch den Einigungsprozess entstehe "auf Jahre hinaus" eine zusätzliche wirtschaftliche Dynamik. Der wirtschaftliche Wiederaufbau der DDR werde Arbeitsplätze in ganz Deutschland schaffen.
Die Vergangenheit der Partei in der DDR, die früher als Blockpartei mit der SED verbunden war, sei gekennzeichnet gewesen von "rücksichtsloser Unterdrückung durch das Regime".
Der Weg von der Gründung der CDU in der Sowjetzone zu der Partei, die man in vierzig Jahren SED-Staat erlebt habe, umfasse bis zur Erneuerung seit dem vergangenen Jahr "viele bittere und tragische Abschnitte". Es sei ein Weg "verzweifelten Kampfes um Selbstbehauptung und manchmal auch von später Einsicht" gewesen.
Kohl dankte nicht nur den CDU-Mitgliedern aus der DDR für ihren kämpferischen Einsatz beim Aufbau einer neuen Demokratie, sondern hob auch den Beitrag der Kirchen beim Beschreiten dieses Weges hervor.
DDR-Regierungschef Lothar de Maizière hat um Verständnis für die Vergangenheit der CDU als SED-Blockpartei geworben.
Bedenken, dass die CDU durch das jetzige Zusammenwachsen eine andere werden könne, wollte er zerstreuen. "Die Partei wird nicht anders. Sie wird stärker. Ich sehe außerdem einen Zugewinn darin, dass wir von der Ost-CDU nach vierzig Jahren Diktaturerfahrung eine große Demokratiebegeisterung mitbringen".
Im Schnellverfahren hatten die West-Delegierten am Vormittag ohne Diskussion einer Reihe von Satzungsänderungen zugestimmt, darunter der Erweiterung des Präsidiums um drei auf zehn und des Bundesvorstandes um sechs auf sechsundzwanzig Mitglieder. Zu den Beschlüssen gehört auch, dass ein Parteimitglied ausgeschlossen werden kann, wenn es vor oder während seiner Mitgliedschaft "Mitbürger eines totalitären Regimes denunziert oder seine gesellschaftliche Stellung dazu missbraucht hat, andere zu verfolgen".
Die vereinigte Union wird ein sechzehn Punkte umfassendes Vereinigungsmanifest verabschieden. Darin geht es um die gemeinsamen Wurzeln und Wertvorstellungen der Partei, um Solidarität, Schutz der Umwelt und soziale Marktwirtschaft.
(Neue Zeit, Di. 02.10.1990)
Der 38. Bundesparteitag der BRD-CDU wird im Hamburger CongressCentrum eröffnet. Nach der Änderung des Statuts wird der Bundesparteitag bereits nach einer Stunde geschlossen.
Am Nachmittag wird der 1. Parteitag der vereinten CDU eröffnet.
Die fünf Landeverbände der CDU der DDR, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen treten der Bundes-CDU bei. Der Ostberliner Landesverband war bereits am 08.09. dem Westberliner Landesverband beigetreten.