Demonstrationen, Kundgebungen und Dialogveranstaltungen Oktober 1989


Mo. 02.10.
Trotz größten Polizeiaufgebots und eines zuvor heißgelaufenen Propagandaapparates beteiligten sich am Montag Abend 15 000 bis 20 000 Menschen an einer Demonstration in Leipzig. In Sprechchören forderte die Menge: "Neues Forum zulassen", "Demokratie - jetzt oder nie", "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" und rief nach "Gorbi, Gorbi". Fast drohend muss das tausendfache "Wir bleiben hier!" in den Ohren der Staatsmacht geklungen haben. Nach drei Stunden endete der Marsch durch die Innenstadt mit einigen Festnahmen.

Lange vor Beginn des traditionellen Friedensgebetes in der Nikolaikirche wurde die Kirche wegen Überfüllung geschlossen. Während der Andacht forderten Redner die Freilassung der seit dem 11. und 18. September Inhaftierten. (Bisher erhielten elf Personen Haftstrafen zwischen vier und sechs Monaten.) In der ebenfalls nach wenigen Minuten randvollen Reformierten Kirche fand parallel ein Friedensgebet statt. Unterdessen warteten Tausende auf dem Nikolaikirchplatz. Die "Internationale" singend zog der Strom auf den Karl-Marx-Platz.

Di. 03.10.
Nach Bekanntwerden der Schließung der Grenze zur ČSSR versammeln sich mehrere Tausend Menschen auf dem Dresdener Hauptbahnhof und protestieren gegen diese Maßnahme. In mehreren Städten, u. a. in Eisenach und Ruhla kommt es zu Arbeitsniederlegungen.

Mi. 04.10.
Zu schweren Zusammenstößen mit Sicherheitskräften der DDR kommt es am Dresdener Hauptbahnhof. Hier haben sich etwa 10 000 Menschen (Reisende, Ausreisewillige, Schaulustige) versammelt. Es kommt zu tätlichen Auseinandersetzungen und zu Verletzten auf beiden Seiten.

Auch in Plauen kommt es in der Nacht im Zusammenhang mit der Durchfahrt von Zügen mit Ausreisenden DDR-Bürgern die aus der ČSSR kommen zu Gewalttätigkeiten, Verletzte, Verhaftungen.

In Karl-Marx-Stadt wird der Hauptbahnhof gesperrt. Im Bahnhof versammeln sich rund 1 000 Personen. Vor dem Bahnhof kommt es zu Auseinandersetzungen. In Freiberg, Plauen und Reichenbach versammeln sich hunderte von Personen. An Streckenabschnitten, wo die Züge langsam fahren müssen, versammeln sich Personen in der Nähe der Gleise.

Do. 05.10.
In Dresden kommt es erneut zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften.

Sa. 07.10.
Wie an jedem 7. eines Monates finden wieder Proteste gegen die Fälschung der Kommunalwahl vom 07.05. statt. Auf dem Berliner Alexanderplatz formierte sich ein Demonstrationszug. Es kommt zu Festnahmen. Zur größten Gewaltanwendung gegen Demonstranten kommt es rund um die Gethsemane-Kirche in Berlin-Prenzlauer Berg.

In Plauen findet die erste große Demonstration statt. Bereits am 26. September wird von zwei Ausreisewilligen eine Demonstration am Jahrestag der DDR Gründung für Plauen angemeldet. Die Antragsteller werden belehrt und die Anmeldung wird unter Strafandrohung abgelehnt. Die Anmelder hatten aber keine Absicht eine Demonstration durchzuführen, sie wollen ihre Ausreise beschleunigen. Zur Zeit der Demonstration befanden sie sich nicht mehr in der DDR.

Es kommt zu gewalttätigen Auseinandersetzungen und Verhaftungen. Nach Angaben des MfS gibt es 61 Festnahmen. Neben verletzten Personen werden auch zwei Löschfahrzeuge der Freiwilligen Feuerwehr Plauen, die als Wasserwerfer eingesetzt werden, beschädigt. Auf sie werden Steine geworfen. Große Empörung löst auch der Einsatz eines Hubschraubers aus, der über der Menge kreist. Er wird nach Protesten abgezogen.

Nach der Demonstration bildete sich die Bürgerinitiative Plauen.

Ein Jahr später wird dieser Tag mit einer Gedenkdemonstration gedacht.

Vor dem Dresdner Hauptbahnhof fordern am Abend die dort Versammelten die Zulassung des Neuen Forum. Die Internationale wird gesungen. Später bildet sich ein Demonstrationszug. Es ertönen "Gorbi", "Gorbi"-Rufe, die Forderung nach Zulassung des Neuen Forum und "Wir bleiben hier".

Weil nicht genug Platz für die in Dresden "Zugeführten" ist, werden "Zugeführte" auch nach Bautzen gebracht.

Nach einer Veranstaltung, organisiert von Künstlern, kommt es in Karl-Marx-Stadt zu einer spontanen Demonstration. Sie wird gewaltsam aufgelöst. Nach Angaben des MfS gibt es 48 Zugeführte.

Auf dem Platz der Nationen und der Klement-Gottwald-Straße in Potsdam versammeln sich Demonstranten. Die Staatsmacht geht gewaltsam gegen sie vor.

Demonstranten bewegen sich vom Universitätsplatz zum Rostocker Rathaus.

In Halle versammeln sich Bürger auf dem Marktplatz. Polizei und MfS gehen gegen die Versammelten vor. Nach einem Bericht des MfS werden 47 Personen zugeführt. 8 Personen, die außerhalb der Marktkirche "Freiheit" rufen, werden zugeführt.

Am Abend in Guben versammeln sich Bürgerinnen und Bürger am Wilhelm-Pieck-Denkmal. Die VP geht gewaltsam gegen sie vor.

Vom Dom in Magdeburg bewegen sich Demonstranten in Richtung Alter Markt. Die Demonstration wird aufgelöst. Auch unter Gewalteinsatz. Es kommt zu 120 Festnahmen, 16 kommen in Haft.

Auf dem Hof der Stephanikirche in Aschersleben versammeln 16 Personen. Eine Demonstration Richtung Markt wird nach etwa 30 Meter gestoppt. Es werden die Personalien aufgenommen. Zwei Personen werden zugeführt.

Auf dem Nikolaikirchhof und dem angrenzende Territorium in Leipzig versammeln sich Tausende. Es kommt zu Festnahmen. Die Festgenommenen werden u.a. auf das Agra-Gelände in Markkleeberg gebracht.

In Potsdam formiert sich ein Demonstrationszug mit rund 2 000 Personen. Es werden Losungen "Wir bleiben hier verändern wollen wir" und "Wir bleiben hier, gestalten wollen wir" gerufen. Es kommt zu 106 Zuführungen.

Da das Neue Forum sich um die Erreichung der Legalität bemüht, hält sie die Demonstration für falsch.

Nach Auskunft des "Neuen Deutschland" (10.10.1989), das sich auf Bezirkszeitungen der SED beruft, kommt es auch in Leipzig, Magdeburg, Karl-Marx-Stadt, Plauen, Dresden, Potsdam, Arnstadt zu Demonstrationen. Informationen des Neuen Forum zufolge nehmen an ihnen mehr als 60 000 Menschen teil. Alle diese als nicht genehmigt geltenden Kundgebungen werden von Sicherheitskräften gewaltsam aufgelöst. Die DDR-Medien berichten, dass es sich bei den Demonstranten nahezu ausschließlich um zum Teil schon vorbestrafte kriminelle Elemente und Randalierer handle. In der "Jungen Welt" (9.10.1989) ist zu lesen, dass neben "jenen, die immer vorneweg marschierten und dem Ganzen seine schlimme Richtung und die Parolen gaben", auch solche waren, "die 'nur' so mal mitliefen".

In Ilmenau werden nach einem Bericht des MfS am Abend und in der Nacht 48 Personen zugeführt. Es wurden Parolen gerufen "Freiheit, wir bleiben hier", "Gorbi gib uns Freiheit", "Stasi raus".

So. 08.10.
In Berlin kommt es im Bereich der Gethsemanekirche und der Schönhauser Allee erneut zu Demonstrationen. Tausende nehmen daran teil. Die Polizei geht mit Hunden und Räumfahrzeugen gegen die Demonstranten vor. Über die gewaltsame Auflösung dieser und anderer Demonstrationen in Berlin verfassen von der Polizei Festgenommene später Gedächtnisprotokolle in einem Gesamtumfang von etwa 80 Seiten.

In Berlin gibt es gestern und heute 1 071 Zuführungen. Mindestens 58 Personen bedurften sofortiger medizinischer Versorgung. Mindestens 163 Personen berichteten über ernstzunehmende Beeinträchtigungen, die nicht als Notfälle medizinisch versorgt wurden. Klaus Bästlein, nannte diese Zahlen in seinem Vortrag in Berlin am 30.09.2009. Er schätzt die Dunkelziffer der Verletzungen zwei bis drei Mal so hoch.

In Dresden auf dem Theaterplatz sammeln sich Bürger um 15 Uhr für eine Demonstration. "Wir bleiben hier, Reformen wollen wir", wurde u.a. gerufen. "Gesellschaftliche Kräfte" werden eingesetzt, die sich unter die Demonstranten mischen, um die Demonstration zu verhindern. Eine Stunde später kommt es zur Einkesselung durch die Polizei. Anschließend werden die eingekesselten mit LKWs weggebracht. Aufgerufen hat ein "Autonomes Forum". Was zu allgemeiner Verwirrung sorgt, neben dem Neuen Forum, den Demonstranten auch bei den staatlichen Organen. Es ist die Zeit, wo der Aufruf eines Einzelnen Hunderte auf die Beine bringt.

Um 18.30 Uhr formierte sich ein zweiter Demonstrationszug. Nachdem die Volkspolizei gegen 20 Uhr Demonstranten auf der Prager Straße eingekesselt hatte nahmen die Kapläne Andreas Leuschner und Frank Richter Kontakt mit der Polizeiführung auf. Es wurden 20 Teilnehmer ausgewählt, die einen Tag später sich mit dem Dresdner Oberbürgermeister zu einem Gespräch treffen sollten. Danach wurde die Einkesslung aufgehoben und die Demonstration löste sich auf. Die Geburtsstunde der Gruppe der 20 in Dresden.

Vor der Kreisdienststelle des MfS in Bischofswerda (Bezirk Dresden) versammeln sich Personen und rufen Parolen gegen die Staatssicherheit und u.a. "Wir bleiben hier, Reformen wollen wir". Sie werden von der Polizei zugeführt.

In Lindow (Mark) demonstrieren rund 300 Personen. Es wird ebenfalls gerufen, "Wir bleiben hier, Reformen wollen wir".

Wie einen Tag zuvor wird in Ilmenau demonstriert. Wieder kommt es zu Festnahmen.

Mo. 09.10.
Nach dem inzwischen traditionellen Friedensgebet in mehreren Leipziger Kirchen kommt es in der Messestadt erneut zur Montagsdemonstration für demokratische Erneuerung in der DDR, an der rund 70 000 Menschen teilnehmen. In den Kirchen und über den Leipziger Stadtfunk wird ein Aufruf verlesen, der die Unterschriften von Generalmusikdirektor Prof. Kurt Masur, Gewandhauskapellmeister, dem Pfarrer Peter Zimmermann, dem Kabarettisten Bernd-Lutz Lange und der drei Sekretäre der SED-Bezirksleitung Leipzig Roland Wötzel, Kurt Meyer und Jochen Pommert trägt. In dem Aufruf heißt es u. a.:

"(...) Wir alle brauchen einen freien Meinungsaustausch über die Weiterführung des Sozialismus in unserem Lande. Deshalb versprechen die Genannten heute allen Bürgern, dass dieser Dialog nicht nur im Bezirk Leipzig, sondern auch mit unserer Regierung geführt wird. (...)"

An jenen Tag erinnert der Wittenberger Pfarrer Friedrich Schorlemmer später in einem Zeitungsinterview:

"Die Leute gingen mit der chinesischen Angst im Bauch auf die Straßen. Ich habe das erlebt in Leipzig. Wie war die Stadt belagert. Sie können sich das nicht vorstellen.

In dieser bedrohlichen Situation ist etwas Wunderbares passiert. Als nämlich drei der Kirche nahen Gruppen in Leipzig am 9. Oktober den Appell zur Gewaltlosigkeit verabschiedeten, der dann in den Kirchen verlesen worden ist. Leute, die jahrelang unter starker Bespitzelung und Bedrängung der Staatssicherheit standen, bekannten sich darin zu ihrer Angst, auch zu der Angst um die Uniformierten und mahnten: Gewalt löst keine Probleme, ist unmenschlich. Gewalt kann nicht das Zeichen einer neuen, besseren Gesellschaft sein."

Auf dem Marktplatz vor der Marktplatzkirche in Halle versammeln sich die Menschen zu einer Kundgebung. Der Marktplatz wird am Abend mehrmals von der Polizei auch unter Gewaltanwendung geräumt. Zugeführte werden in die Kaserne der Transportpolizei gebracht.

Demonstriert wird in Lindow (Bezirk Potsdam).

Mi. 11.10.
Die SED entdeckt den Dialog

Vor der Mensa Nord der Humboldt-Universität Berlin versammeln sich Studenten, um gegen das gewaltsame Vorgehen gegen Demonstranten am 07. und 08. zu protestieren.

Sa. 14.10.
In Plauen demonstrieren rund 10 00 Personen. Neben Reformen werden Meinungs-, Presse- und Reisefreiheit gefordert. Gerufen wird u.a. "Gorbi" und "Wir sind das Volk".

Die BV des MfS Karl-Marx-Stadt meldet nach Berlin:

"An der Identifizierung der Hintermänner und Rädelsführer sowie der Struktur und Zusammensetzung der Demonstration wird gearbeitet.

Gleichfalls wird an der Identifizierung der Teilnehmer aus anderen Bezirken gearbeitet.

Eine Video-Aufzeichnung über den Verlauf der Demonstration am Otto-Grotewohl-Platz und vor dem Rathaus liegt vor."

Mo. 16.10.
Nach Friedensgebeten in fünf Leipziger Kirchen trafen sich am Montag Zehntausende Bürger der Messestadt sowie aus dem Bezirk Leipzig und aus angrenzenden Territorien zu einer Demonstration. Der Zurückhaltung der Sicherheitskräfte und der eingesetzten Ordnungskräfte sowie der Demonstranten ist es zu danken, dass es zu keinen Ausschreitungen kam.

Bei der Demonstration in Leipzig werden neben den Parolen, "Schließt Euch an", "Gorbi", "Gorbi", "Wir sind das Volk", "freie Wahlen", "Freiheitsrechte" auch die "Internationale" gesungen.

Wiederum müssen die DDR-BürgerInnen aus Medien der BRD und Westberlin erfahren, dass auch in Magdeburg und Dresden jeweils 10 000, in Halle 5 000 und in Berlin 3 000 Menschen auf der Straße demonstrieren.

Auch in Halle versammeln sich Bürgerinnen und Bürger, hier auf dem Marktplatz. Beginn der Montagsdemonstrationen in Halle.

Nach einem Friedensgebet im Magdeburger Dom kommt es zur ersten Demonstration.

Im Anschluss eines Fürbittgottesdienstes wird in Waren an der Müritz ein Schweigemarsch durchgeführt.

Di. 17.10.
Auf der Demonstration in Dresden wird die Freilassung der Inhaftierten gefordert.

Mi. 18.10.
In Proseken bei Wismar wird eine Dialogveranstaltung durchgeführt.

Nach einem Friedensgebet in der evangelischen Johanneskirche in Neubrandenburg kommt es zu einer Demonstration. Gefordert wird Meinungsfreiheit, Offenheit, Reformen und Reisefreiheit. Der Friedensgottesdienst wird in der katholischen Kirche fortgesetzt.

Beginn der wöchentlichen Friedensgottesdienste in Greifswald. Zum Schluss wird eine Erklärung des Neuen Forum verlesen. Im Anschluss an den Gottesdienst kommt es zu einer spontanen Demonstration.

Demonstriert wird auch in Zittau.

In Greifswald demonstrieren 1 000 Menschen, in Neubrandenburg gehen 10 000 auf die Straße und fordern Reformen.

Do. 19.10.
Zu Demonstrationen kommt es in Zeulenroda mit 3 000, in Erfurt mit 300 Teilnehmern. In Halle werden Vertreter des Neuen Forum der Polizei zugeführt, wo ihnen Kontaktaufnahme mit Leipziger Gesinnungsgenossen vorgeworfen und untersagt wird.

Vor der Kreisdienststelle des MfS in Zeulenroda werden Kerzen abgestellt. Gerufen wird "Stasi in die Volkswirtschaft".

Nach den Führbittandachten in der Marien- und Petrikirche kommt es in Rostock zu einer Demonstration. Auf die Aufforderung die Demonstration zu beenden wird mit Pfiffen geantwortet. "Stasi raus" und "Stasi in die Produktion" wird gerufen. Es ist die erste Demonstration in Rostock. Beginn der Donnerstagsdemonstrationen in Rostock. Sie führen immer am Haus der Staatssicherheit vorbei.

Nach einem Friedensgebet in Friedrichroda ziehen Demonstranten unter rufen "Wir sind das Volk" vor das Rathaus.

Fr. 20.10.
In Gotha demonstrieren 6 000 Menschen.

Ein Führbittgottesdienst für die Freilassung der Inhaftierten findet in der Dresdner Kreuzkirche statt. Zum Abschluss kommt es zu einer Demonstration. Nach einem Friedensgebet in der Johanniskirche in Dessau, Neues Forum und SDP stellen sich vor, findet eine Demonstration statt. Beginn der Freitagsdemonstrationen in Dessau.

In Anklam bewegte sich ein Demonstrationszug durch die Innenstadt. Er wird gerufen "Anklam erwache – wir bleiben hier". Als der Demonstrationszug an der Kreisdienststelle des MfS vorbeikommt sind "Stasi raus"-Rufe zu hören. Im Anschluss kommt es zu einem Gespräch zwischen einer Abordnung der Demonstranten und dem Bürgermeister.

Ein Führbittgottesdienst für die Freilassung der Inhaftierten findet in der Dresdner Kreuzkirche statt. Zum Abschluss kommt es zu einer Demonstration. Vor zwei Polizeigebäuden und dem Rathaus werden Kerzen abgestellt.

Nach einer Diskussion im Zwickauer Dom formiert sich ein Demonstrationszug.

In Klingenthal werden die Abschaffung der führenden Rolle der SED und die Bereitstellung von Räumlichkeiten für das Neue Forum erhoben.

In Mühlhausen werden Kerzen vor dem Stasigebäude abgestellt.

In Karl-Marx-Stadt wird während der Demonstration Presse- und Reisefreiheit, freie Wahlen und die Zulassung des Neuen Forum gefordert. Vor dem Karl-Marx-Monument werden Kerzen abgestellt.

Demonstriert wird auch in Görlitz, Ilmenau, Saalfeld, Schleitz und Suhl.

Sa. 21.10.
Rund 20 000 Bürger aus Plauen, weiteren Kreisen des Bezirks Karl-Marx-Stadt und anderer Bezirke nahmen am Sonnabend an einer Demonstration in Plauen teil. In Losungen und Sprechchören forderten sie "Egon, mache etwas daraus", "Arbeiten, arbeiten, arbeiten", "Meinungsfreiheit", "Reisefreiheit". Im Anschluss an die Demonstration sprach Oberbürgermeister Dr. Norbert Martin zu Tausenden vor dem Rathaus über gerechtere Verteilung von Wohnungen, notwendige Umverteilung der Baukapazitäten der Stadt, damit Plauener Probleme schneller gelöst werden, und andere kommunalpolitische Aufgaben der allernächsten Zeit.

Rund 150 Menschen demonstrieren in Potsdam vor dem Brandenburger Tor. Es werden Transparente mit der Aufschrift "Abrüstung der Sicherheitsorgane Dialog statt Gummiknüppel" und "Keine Repressalien gegen Andersdenkende" mitgeführt.

Wie in Plauen und Potsdam wird in Anklam, Dresden, Karl-Marx-Stadt und Rostock demonstriert.

Vor dem Rathaus in Arnstadt stellen rund 400 Bürger Forderungen nach freien und demokratischen Wahlen sowie nach Reise- und Pressefreiheit.

Es war am Sonnabendnachmittag gegen 16.30 Uhr. Im Zentrum Berlins versammelten sich etwa 1 200 zumeist junge Menschen zu einer nicht genehmigten Demonstration. Zu Ihr war mit einem anonymen Flugblatt aufgerufen worden.

Zwischen Karl-Liebknecht-Straße und Polizeipräsidium bildeten 850 Personen eine Menschenkette. Man wolle gegen Übergriffe der Schutz- und Sicherheitsorgane während der Ereignisse am 7. Oktober protestieren und die Freilassung noch Inhaftierter verlangen. Am Tag zuvor hatten das Berliner Präsidium der Volkspolizei und die Generalstaatsanwaltschaft von Berlin bereits versichert, dass jeder Sachverhalt allseitig und unvoreingenommen aufgeklärt wird und sich seit dem 13. Oktober in Berlin keine Person mehr in Untersuchungshaft befindet.

Der 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung Berlin, Günter Schabowski, Oberbürgermeister Erhard Krack, der 2. Sekretär Helmut Müller, die weiteren Mitglieder des Sekretariats der Bezirksleitung und zahlreiche Genossen, der Berliner Parteiorganisation, Abgeordnete, Vertreter anderer Parteien, gesellschaftlicher Organisationen und des Präsidiums der Volkspolizei schalteten sich in die Ereignisse ein und führten an Ort und Stelle Gespräche mit den Demonstranten.

In Berlin wird zu einer Menschenkette von 16-17 Uhr vom Palast der Republik, die Karl Liebknechtstraße entlang bis zur Keibelstraße aufgerufen. Gefordert wird Freiheit für alle, auch für Befehlsverweigerer aus Bereitschaftspolizei und Kampfgruppen. Einstellung aller Ermittlungs- und Strafverfahren. Zurücknahme ausgesprochener Strafen. Höchstmögliche Entschädigung der Opfer. Meinungsfreiheit. Recht auf auf Demonstration.

So. 22.10.
Als Auftakt für eine breitangelegte öffentliche Aussprache, die an jedem Sonntag in verschiedenen Sälen um den Leipziger Karl-Marx-Platz herum weitergeführt werden soll, trafen sich gestern Vormittag weit über 500 Bürger im Gewandhaus der Messestadt.

Das Gesprächsforum, das Menschen aller Generationen - Arbeiter, Handwerker, Wissenschaftler, Schüler, Lehrlinge, Studenten sowie Angestellte, Künstler und Funktionäre - vereint, soll als "Dialog am Karl-Marx-Platz" die Ziele der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung in der DDR mitbestimmen helfen. So umriss einleitend Gewandhauskapellmeister Prof. Kurt Masur das Anliegen.

Zusammen finit den Sekretären der SED-Bezirksleitung Dr. Kurt Meier, Jochen Pommert und Dr. Roland Wötzel sowie mit dem Theologen Dr. Peter Zimmermann und dem Kabarettisten Bernd-Lutz Lange war er Einlader zu diesem öffentlichen Disput.

Diese sechs Leipziger Persönlichkeiten hatten sich am 9. Oktober mit einem Aufruf an die Demonstrierenden im Zentrum der Messestadt gewandt, ruhig und besonnen den Dialog über die gegenwärtig zu lösenden Fragen und Probleme zu suchen.

Vielfach wurde begrüßt, dass der Dialog in Gang gekommen ist. Doch nun sei es an der Zeit, konstruktiv aber Ursachen für die entstandene Situation zu reden und im Sinne des gesamten Volkes Lösungen als Ausweg zu finden.

In Rostock demonstrieren nach Angaben des Neuen Forum 18 000 Menschen.

Erste Demonstration in Gera mit rund 250 Personen. Vorausgegangen sind Informationsveranstaltungen des Demokratischen Aufbruch und der Sozialdemokratischen Partei in der DDR.

Mo. 23.10.
Nach Friedensgebeten in sechs Leipziger Kirchen, zu denen nahezu 9 000 Menschen gekommen waren, vereinten sich gestern Abend in Leipzig rund 150 000 Bürger aus der Messestadt, aus anderen Orten des Bezirkes sowie aus angrenzenden Territorien zu einer friedlichen Demonstration. Über zwei Stunden lang zogen sie in gewaltlosem und diszipliniertem Marsch über den das Stadtzentrum umschließenden Ring. Sie bekundeten auf diese Weise mit Nachdruck ihre Forderung nach Fortführung des begonnenen Dialogs, kritischer Bewertung der gesellschaftlichen Entwicklung in der DDR sowie nach spürbaren Veränderungen im täglichen Leben.

In der Nikolaikirche informierte Superintendent Friedrich Magirius während des Friedensgebetes über das Treffen zwischen Generalsekretär Egon Krenz und Landesbischof Dr. Werner Leich. Jetzt gelte es, alle Angebote zum Dialog, die in Leipzig beispielhaft unterbreitet würden, zu nutzen und zu schnellen Entscheidungen zu führen.

Der Stadtfunk hatte seit den Mittagstunden auf vielfältige Möglichkeiten zum abendlichen Meinungsstreit in den Stadtbezirken an der Karl-Marx-Universität sowie andernorts hingewiesen. Damit wurde eine Alternative zur Willensbekundung auf der Straße aufgezeigt, um den von Tag zu Tag mehr in Gang kommenden Dialog nicht zu belasten. Dennoch hatte sich kurz nach 18 Uhr dann vom Karl-Marx-Platz aus der Menschenstrom unter Rufen "Ohne Gewalt" in Bewegung gesetzt. Gegen 20.30 Uhr löste sich die Demonstration friedlich auf. Ordnungskräfte waren nicht im Einsatz.

Während der ganzen Zeit sorgten Verkehrspolizisten für die Umleitung des Verkehrs. Das war ohne beträchtliche Erschwernisse für viele Bürger nicht möglich, da nahezu alle Straßenbahnlinien den Ring passieren.

Im Stadtzentrum von Halle formierten sich am Montagabend mehrere tausend Demonstranten, zündeten Kerzen an und entfalteten Transparente. Mit Losungen wie "Ja zur Demokratie!", "Mehr Sozial, weniger Muss" und "Wir fordern den Bürgermeister zum Podiumsgespräch" forderten sie spürbare Veränderungen. Nachdem sich die Teilnehmer an der Marktkirche versammelt hatten, führte ein Zug Hunderter durch die Straßen der Stadt. Andere nutzten die Gelegenheit, mit Ratsmitgliedern ins Gespräch zu kommen.

An der Treppe werden brennende Kerzen abgestellt.

Es wird die Internationale gesungen und u.a. "Wir sind das Volk", "Wir bleiben hier", "Stasi in die Volkswirtschaft", "Weg mit den Kampfgruppen" und "Schnitzler in den Ruhestand" gerufen.

Bei einem Gespräch mit dem Oberbürgermeister wird eine Dialogveranstaltung im Volkshaus Halle mit Beschallung vereinbart. Es soll der größtmöglichen Personenzahl Zutritt gewährt werden und freien Zugang für die Presse.

Am Montagabend versammelten sich in und am Magdeburger Dom mehr als 10 000 Bürger zum Montagsgebet für gesellschaftliche Erneuerung. Sie formierten sich anschließend zu einem Demonstrationszug durch das Stadtzentrum. Der Marsch, der vom Dom durch einige Straßen zurück zum Ausgangspunkt führte, verlief ohne Zwischenfälle. An der Spitze des Zuges wurde ein Transparent mit einer Friedenstaube getragen. Ein Teil der Demonstranten hielt brennende Kerzen in den Händen.

Im Anschluss an ein über eineinhalbstündiges Fürbitt-Gebet in der Gethsemane-Kirche im Berliner Stadtbezirk Prenzlauer Berg formierten sich Montag Abend über zweitausend Teilnehmer zu einem Demonstrationszug. Durch die Schönhauser Allee, die Dimitroffstraße, die Prenzlauer Allee und die Karl-Liebknecht-Straße zogen sie zum Gebäude des Staatsrates am Marx-Engels-Platz. Auf dem Wege dorthin forderten sie Passanten auf, sich anzuschließen. Vor dem Staatsratsgebäude stellten die Demonstranten vor der Gethsemane-Kirche entzündete Kerzen auf und verlasen, eine Petition. In dieser wenden sie sich an die Abgeordneten der Volkskammer der DDR mit ihrem Standpunkt, dass sich der Wahl zum Vorsitzenden des Staatsrates mehrere Kandidaten stellen sollten. Das, wie es hieß, mit 300 in der Kirche gesammelten Unterschriften versehene Schreiben wurde an einen diensthabenden Mitarbeiter im Staatsrat übergeben. Nach der Aufforderung durch ihre Sprecherin löste sich die Demonstration auf.

Nach den außerordentlichen Tagungen der Stadtverordnetenversammlung und des Bezirkstages Dresden am Donnerstag werden rund 500 bis 600 Foren zwischen Elbe und Neiße zur Weiterführung des in Gang gekommenen Dialogs zwischen Bürgern, Vertretern des Staates, von Parteien und Kirchen einladen. Das teilte am Montagabend der 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung Dresden, Hans Modrow auf dem Theaterplatz in der Bezirksstadt mit.

Er war einer Einladung nachgekommen, die dem Mitglied des ZK der SED von einer Mitarbeiterin der Kreuzkirche erst gegen 19.00 Uhr übermittelt worden war. Auf dem Weg vom Rathaus zum Theaterplatz waren der Bezirkssekretär, Dresdens Oberbürgermeister Wolfgang Berghofer und weitere Parteifunktionäre sowie Kommunalpolitiker von zahlreichen Bürgern angesprochen und ihre Absicht zum Dialog in der Öffentlichkeit begrüßt worden.

Beim Eintreffen der Vertreter von SED und örtlichen Räten vor der Semperoper hatten sich bereits über 50 000 Bürger versammelt. In einer emotionsgeladenen Atmosphäre erklärte Hans Modrow, der Dialog, wenn er schon auf dem Platz stattfinde, müsse sachlich und in Ruhe geführt werden, sonst habe er keinen Sinn. Immer wieder von Zwischenrufen und Sprechchören unterbrochen, legte er seine Position dar und verwies darauf, bei den Untersuchungen von polizeilichen Maßnahmen zwischen dem 3. und 8. Oktober könne es nur ein Recht geben. Miteinander zu reden sei der einzige vernünftige Weg, Losungen für die Zukunft zu suchen.

Die Teilnehmer der Zusammenkunft formierten sich anschließend zu Gesprächsgruppen und einem Demonstrationszug durch die Stadt.

In Schwerin ruft das Neue Forum zu einer Demonstration auf. "Mit Demokratie zum Sozialismus." Gefordert wird die Zulassung des Neuen Forum und der anderen demokratischen Initiativen. Gegen Gleichmacherei - für leistungsgerechte Bezahlung in allen Bereichen. Uneingeschränkte Reisefreiheit für Jeden. Offene Medien -, Meinungs- und Versammlungsfreiheit.

Es werden zur Mobilisierung Handzettel verteilt. Mit Demokratie zum Sozialismus, Zulassung des Neuen Forum, uneingeschränkte Reisefreiheit, offene Medien, Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Dafür demonstrieren wir gewaltfrei. Angehörige der Sicherheitskräfte: Unterstützt einen friedlichen Verlauf! Kinder werden in der Apothekerstraße 48 betreut. Kontakttelefon im Dombüro. Nach der Demo stehen einige Kirchen offen.

Daraufhin ruft der Demokratische Block und der Rat der Stadt zu einer Kundgebung am Treffpunkt der Demonstration, Alter Garten, auf. "Dialog und Tat - gemeinsam für Erneuerung in unserem Land!" lautet ihr Motto. Auf der Kundgebung spricht der 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung, Heinz Ziegner.

Zu Beginn der Kundgebung beginnt der Demonstrationszug, zu der das Neue Forum aufgerufen hat, vom Alten Garten und vom Dom ausgehend sich in Bewegung zu setzen. Endpunkt der Demonstration ist der Ausgangspunkt, Alter Garten. Ein Teil der Demonstranten ziehen danach zur Bezirksleitung der SED. Die nicht bereit ist sich den Demonstranten zu einem Gespräch stellten. Worauf es die Forderung gibt, sich in das Gebäude zu begeben, was durch Anwesende verhindert wird. Nach der Demonstration finden Veranstaltungen in Kirchen statt.

Ein Demonstrationszug bewegt sich in Aue von der St. Nicolai-Kirche zum Rathaus. Dort findet ein Gespräch mit dem Bürgermeister und Stadträte statt. Erste Montagsdemonstration in Aue.

Erste Montagsdemonstration in Pößneck. Die Rede des 1. Sekretärs des Rates des Kreises geht in Buhrufen unter.

Im Anschluss an einen Bittgottesdienst in der Nicolai-Kirche wird in Forst demonstriert.

Bei einem Friedensgebet in der Maria-Magdalenenkirche in Templin werden Unterschriften für das Neue Forum gesammelt. Ein Teil der Teilnehmer führt eine Demonstration durch das Stadtzentrum durch.

Besucher einer Veranstaltung in der Georgenkirche in Waren ziehen zur Marienkirche.

An der ersten Demonstration in Eisenach nehmen rund 4 000 Personen teil. Auch in Heiligenstadt ist es die erste Demonstration. Hier beteiligen sich ca. 300 Personen an dem Demonstrationszug. Erste Demonstration auch in Hirschberg.

Auch in Glauchau, Greiz, Jena, Olbernhau, Oelsnitz, Osterburg, Reichenbach, Stralsund, Zepernick und Zwickau kommt es Demonstrationen.

Eine Dialogveranstaltung im Rathaus-Festsaal in Suhl muss wegen des großen Interesses in die Stadthalle verlegt werden. Neben dem Oberbürgermeister nehmen auch zwei Sekretäre der SED-Kreisleitung und Abgeordnete an der Veranstaltung teil.

In Ribnitz-Damgarten führt die SED eine Dialogveranstaltung durch.

Di. 24.10.
Ein Demonstrationszug mehrerer tausend Menschen, vor allem Jugendlicher, formierte sich Dienstagabend in der Berliner Innenstadt. Die zeitweilig bis zu 12 000 Demonstranten zogen vom Alexanderplatz zum Gebäude der Volkskammer und dann durch verschiedene Straßen des Stadtzentrums. Auf Transparenten und in Sprechchören wurde Widerspruch gegen die Wahl des Vorsitzenden des Staatsrates der DDR geäußert und wurden Veränderungen in der Wahlgesetzgebung, mehr Demokratie und eine offene Presse gefordert. Zahlreiche Demonstranten trugen brennende Kerzen.

Das Berliner Stadtzentrum am gestrigen Nachmittag gegen 17.00 Uhr. Am Fuße des Berliner Fernsehturms finden sich etwa zweitausend Bürger ein. Losungen signalisieren Protest gegen die am selben Tag mit großer Mehrheit - auch mit den Stimmen der FDJ-Fraktion - in der Volkskammer der DDR getroffene Entscheidung: "Egon Krenz - wir sind die Konkurrenz!" heißt es da immer wieder; Änderungen in der Wahlgesetzgebung der DDR werden gefordert. Dann setzt sich der Zug in Bewegung. An der Spitze die rote Fahne der Arbeiter. Die Fahne, mit der Kommunisten an der Spitze des Landes in finsterster Zeit für diesen Staat kämpften, hier signalisiert sie Protest. Die Einladung zur (übrigens nicht genehmigten) Demonstration scheint mit Hass geschrieben gegen den neugewählten Staatsratsvorsitzenden, der seine Reformbereitschaft, die Bereitschaft zum Dialog in seinen Reden deutlich machte, der die Wende in der Politik der SED maßgeblich mit herbeigeführt hat: "Dialüger + + + Dialüger + + + zu dumm zum addieren, aber ein ganzes Volk regieren." - hieß es auf anonymen Handzetteln. Liest sich so eine Einladung zum Dialog?

Das Wort vom Dialog ist nicht zu vernehmen, auch als sich Genossen mit dem Parteiabzeichen der SED in die Reihen der Demonstranten begeben, bleibt das Gespräch aus. Dennoch, die Demonstranten ziehen friedlich - die VP sichert die Straßen, Soldaten stehen dicht an dicht am Gebäude der Volkskammer, Rufe gegen unsere Schutz- und Sicherheitsorgane nehmen sie gelassen hin.

Immer mehr Leute schließen sich der Demonstration an. Dann führt der Weg zum Polizeipräsidium. Der Zug der Demonstranten beherrscht die Straße, der Verkehr wird unterbrochen, die öffentliche Ordnung gestört. Am Rande des Weges sind auch solche Dinge zu notieren: "Egon, wer hat uns gefragt?" skandierte der Zug. "Wir sind das Volk!" "Wir aber auch!" reagiert von der gegenüberliegenden Straßenseite ein Mittvierziger. "Dann schließ dich uns doch an!" so das Echo. "Dazu brauche ich die Straße nicht!" die prompte Reaktion. Auch eine Form des Dialog.

[Dresden] Vor der Kreuzkirche hatten sich in den Abendstunden einige hundert Bürger zu einer stillen Demonstration eingefunden. Andere brachten auf dem Theaterplatz ihren Widerspruch gegen die Wahl von Egon Krenz zum Staatsratsvorsitzenden zum Ausdruck.

In mehreren Städten wird gegen die Wahl von Egon Krenz zum Vorsitzenden des Staats- und des Verteidigungsrates demonstriert.

In der Marienkirche in Anklam wird während der Versammlung "Zum Frieden in der Welt und der Zukunft in unserem Lande", eine Resolution von Beschäftigten aus Betrieben verlesen. Anschließend kommt es zu einer Demonstration. Daran schließt sich eine Dialogveranstaltung im Kulturraum des Tiefbaukombinats an.

In Lychen (Kreis Templin) findet ein Schweigemarsch statt. Anschließend kommt es zu einem Gespräch mit dem stellvertretenden Bürgermeister.

Auch im Meißen findet nach einer Demonstration von rund 6 000 Personen ein Gespräch mit dem Bürgermeister statt.

Bei der Demonstration in Meinigen wird u.a. "Stasi in die Produktion" gerufen. Beginn der wöchentlichen Demonstration.

Erste Demonstration in Nordhausen. Sie beginnt nach einer Fürbittandacht und führt von der Altendorfer Kirche zum Rathaus.

Demonstriert wird auch in Weimar.

In Rostock findet das erste "Dialoggespräch" zwischen Bürgerinnen und Bürgern und dem Rat der Stadt statt. Der Umweltschutz an der DDR-Ostseeküste ist eines der bestimmenden Themen des Rostocker Stadtgesprächs. Es wird die Veröffentlichung von bisher geheimgehaltene Umweltdaten gefordert.

Eine Dialogveranstaltung in Erfurt findet im Rathaus statt. Vor dem Rathaus versammeln sich hunderte Bürger, die Einlass begehren, in dem zu kleinen Raum aber keinen Platz finden. Es muss die Zusage abgegeben werden, die nächste Dialogveranstaltung in der Thüringenhalle stattfinden zu lassen.

Mi. 25.10.
Nach einem Friedensgebet in der Johanniskirche von Neubrandenburg formieren sich 20 000 Bürger zu einem "Marsch der Hoffnung" ins Zentrum der Bezirksstadt. Oberbürgermeister Dr. Heinz Hahn fordert zum Wochenende zu zwei Diskussionsrunden auf, denen weitere "Sonnabendgespräche" mit den BürgerInnen folgen sollen. SED-Bezirkschef Johannes Chemnitzer bittet, die Lösung von angestauten Fragen nicht länger in Demonstrationen zu suchen.

Tausende Zwickauer Bürger trafen sich am Mittwochabend auf dem Hauptmarkt. Sie forderten eine kritische Bewertung der gesellschaftlichen Entwicklung und spürbare Veränderungen. 13 Redner ergriffen auf der vom Kreisausschuss der Nationalen Front einberufenen Kundgebung das Wort.

Im Anschluss daran standen in einer Vielzahl von Gesprächsgruppen Ratsmitglieder und andere Funktionäre der Stadt den Bürgern Rede und Antwort. Ein Teil der Kundgebungsteilnehmer zog in einer friedlichen Demonstration durch die Innenstadt.

Zeitgleich mit dem Neuen Forum organisiert die Nationale Front in Zwickau eine Kundgebung. Was zu Tumulten führt.

Im Anschluss an einen Fürbitt-Gottesdienst in der Jenaer Michaeliskirche formierte sich am Mittwochabend ein friedlicher Demonstrationszug mit 5 000 Teilnehmern durch die Innenstadt zum Rathaus. Die Demonstranten übergaben an Oberbürgermeister Hans Spahn eine Petition sowie einen zuvor in der Stadtkirche verlesenen offenen Brief. Der Oberbürgermeister schlug im Gespräch mit ihnen vor, die Probleme nicht auf der Straße zu lösen, sondern im Dialog mit den Verantwortlichen des Rates der Stadt zu klären. Er bekräftigte, dass dazu das Rathaus für jeden Bürger offensteht.

In Neubrandenburg treffen Demonstranten der neuen Gruppen auf dem Karl-Marx-Platz auf Demonstranten von der SED, die sich um die Rednertribüne versammelt haben. Vom Oberbürgermeister wird für das kommende Wochenende zu einer Gesprächsrunde eingeladen.

Freie Wahlen, eine Wirtschaftsreform sind Forderungen in Halberstadt. Kein Sozialismus ohne Demokratie und Neues Forum braucht das Land sind einige der gerufenen Parolen. Beginn der mittwöchlichen Demonstrationen in Halberstadt.

"Egon weg, hat kein Zweck" und "Wir sind das Volk", waren einige der Parolen, die bei der Demonstration von rund 1 000 Personen in Wittstock gerufen werden.

In Sondershausen kommt es nach einem Friedensgebet zur ersten Demonstration. Die Demonstranten bewegen sich zur SED-Kreisleitung und zum Rat des Kreises. Vom Rat des Kreises und der SED-Kreisleitung wird eine Dialogveranstaltung für den nächsten Tag ins Spiel gebracht.

Demonstrationen gibt es in Anklam, Bad Doberan, Demmin, Freiberg, Greifswald, Klingenthal, Markneukirchen, Neustrelitz, Reichenberg und Schönebeck.

Der Rostocker Stadtrat lädt zu einer Diskussionsveranstaltung ein. Auf der Veranstaltung wird gefordert, bisher unter Verschluss gehaltene Umweltdaten zu veröffentlichen.

Erste Dialogveranstaltung im Rathaus von Wismar. Im Saal ist nicht genug Platz für alle interessierten Bürgerinnen und Bürger.

Im Kreiskulturhaus "Ernst Thälmann" in Aue findet eine Bürgerversammlung statt. Es treten auch Vertreter des Neuen Forum auf.

Nach einem Friedensgebet formiert sich in Senftenberg ein Demonstrationszug in Richtung Stadtzentrum mit abschließenden Rednern. Im großen Sitzungsaal des Rathauses schließt sich eine Dialogveranstaltung an.

In Wernigerode ziehen Bürgerinnen und Bürger zum Rathaus und zum Wehrkreiskommando. Es wird ein Wehrersatzdienst gefordert.

Do. 26.10.
Geras Oberbürgermeister Horst Jäger traf sich am Donnerstag mit kirchlichen Amtsträgern und Bürgern zu einem Meinungsaustausch. In dem fast dreistündigen Disput wurde ein breites Spektrum von Problemen aufgeworfen. Zur Sprache kamen überfällige Sanierung von Altstadtgebieten, unzureichende Dienstleistungen, der Umgang mit den Bürgern, die Forderung nach Offenlegung von Umweltdaten und die unzureichende Effektivität der Wirtschaft.

Auf eine von den Gesprächsteilnehmern unterbreitete Problemliste eingehend, betonte Oberbürgermeister Jäger, dass 11 der 20 Punkte identisch seien mit einem Katalog von Sofortmaßnahmen und mittelfristig zu lösenden Aufgaben, den er am Vortag der Stadtverordnetenversammlung unterbreitet hatte. Einhellig wandten sich die Gesprächsteilnehmer, die den Dialog fortsetzen wollen, gegen Demonstrationen. Sie seien kein Mittel, die gravierenden Sachfragen zu lösen.

Dennoch formierten sich am späten Abend über 5 000 Bürger, darunter viele Jugendliche, zu einem Zug durch die Innenstadt. Zuvor hatten sich Tausende in Kirchen der Stadt zu Friedensgebeten und Diskussionen versammelt. Während der friedlich verlaufenen Demonstration, die bei Redaktionsschluss noch andauerte, forderten sie unter anderem "Demokratie - jetzt oder nie" und "Umbruch durch Aufbruch".

Nach Friedensgebeten und Diskussionen in mehreren Kirchen von Gera formierten sich am Donnerstagabend über 5 000 Bürger der Stadt und umliegender Gemeinden zu einem Demonstrationszug. Auf ihrem Weg durch das Zentrum riefen sie "Demokratie - jetzt oder nie", und "Wir sind das Volk".

Zu einer gewaltfreien Demonstration, an der sich 25 000 Bürger beteiligten, kam es am Donnerstagabend im Rostocker Stadtzentrum. Zuvor war dazu bei Gebetsandachten in vier Rostocker Kirchen angehalten worden. Die Teilnehmer stellten vor der Bezirksbehörde des Ministeriums für Staatssicherheit Kerzen auf und begaben sich zum Rathaus. Zur gleichen Zeit fanden in öffentlichen Einrichtungen Foren statt, zu denen der Rat der Stadt Tausende Einwohner eingeladen hatte. Im sachlich-kritischen Dialog ging es dabei um neue Medienpolitik, um Gesundheitsfürsorge und Fragen der Versorgung.

Während der Demonstration wurde "Wir sind das Volk, schließt euch an", "Stasi raus", "Stasi in die Produktion" und "Stasi weg, hat kein Zweck" gerufen.

Am Donnerstagabend kam es in Erfurt im Anschluss an Friedensgebete in zwei Kirchen zu einem Zug durch die Innenstadt zum Domplatz, wo sich etwa 15 000 Bürger versammelten. In Sprechchören forderten sie unter anderem zu Reformen und mehr Demokratie auf, riefen auch nach Zulassung der Gruppierung "Neues Forum". Ordnungskräfte der VP sorgten mit verkehrsregelnden Maßnahmen für einen gefahrlosen Verlauf der nicht angemeldeten Demonstration. Nach etwa 40 Minuten stellten die meisten der Teilnehmer ihre Kerzen ab und verließen den Platz. Mehrere tausend zogen weiter durch die Innenstadt.

Hunderttausende Einwohner des Bezirks Dresden nahmen am Donnerstagabend auf Plätzen, in Schulen, Kulturhäusern, Kinos und Klubs Stellung zu drängenden Problemen der gesellschaftlichen Entwicklung in der DDR und in ihren Kommunen. Mit ihnen sprachen Funktionäre der in der Nationalen Front der DDR vereinten Parteien und Massenorganisationen, Volksvertreter und Prominente aus allen gesellschaftlichen Bereichen.

Rund 100 000 Bürger der Bezirksstadt waren auf ein Freigelände nahe dem Hygienemuseum gekommen. Oberbürgermeister Wolfgang Berghofer informierte über die Ergebnisse eines außerordentlichen Plenums der Stadtverordnetenversammlung am selben Tage. Es hatte die Bildung von zeitweiligen Arbeitsgruppen und damit einen neuen Weg des gemeinsamen Tragens von Verantwortung beschlossen.

Das jetzt Begonnene werde in der Republik einen revolutionären Wandel auslösen, schätzte Hans Modrow, 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung Dresden, unter Beifall ein. Angehörige unterschiedlicher sozialer Schichten nahmen die Möglichkeit zur Anfrage wahr. Dafür standen mehrere kleine Podien mit Mikrofonen zur Verfügung.

Mit zunehmender Dauer der Veranstaltung gewann der Dialog an Gewicht, brachten Parteilose und Christen, Facharbeiter und Ingenieure, sich zum "Neuen Forum" oder für die Bildung einer unabhängigen Gewerkschaft bekennende Teilnehmer neben Kritischem Lösungsvorschläge ein: leistungsabhängige Gehälter auch dort, wo Verantwortung für die gesellschaftliche Entwicklung getragen wird: Privilegien für einzelne Funktionäre abschaffen.

"Für eine Marktwirtschaft sind wir nicht auf die Straße und als Atheisten in die Kirche gegangen", sagte der parteilose Norbert Sahr von Herrenmode Dresden und erhielt dafür Beifall. Er schlage vor, den Plan wieder zum Gesetz werden zu lassen, die Bezirksplankommission solle sich mit Experten und Bürgern beraten. Mehrfach unterstrichen Gesprächspartner ihren Willen zur Arbeit und zum gemeinsamen Handeln, denn "ohne funktionierende Wirtschaft können wir alle Reformen in den Wind schreiben", formulierte der Dresdner Günther Hoffmann. Übereinstimmung bekundete die Mehrheit der Bürger auf dem Platz auch darin, die Achtung voreinander zu bewahren und einander vorbehaltlos zuzuhören. Widerspruch wurde unter anderem bei Fragen zum Recht, zu den bestehenden demokratischen Strukturen sowie zu Vorstellungen über wirtschaftliche Umgestaltung laut.

Im Anschluss an die Veranstaltung formierte sich ein Zug von etwa fünf- bis sechstausend Menschen, die mit Spruchbändern, Kerzen und Fackeln von der Dialogstätte friedlich durch das Stadtzentrum zogen.

Im Kreiskulturhaus in Neustrelitz führt die Nationale Front eine Veranstaltung durch. In einer Resolution wird u. a. Pressefreiheit, eine Wahlgesetzgebung, Zulassung des Neuen Forum gefordert. Die Aufforderung an den 1. Sekretär der SED-Kreisleitung sich für die Zulassung des Neuen Forum einzusetzen, sagt er zu.

Aus der Kirche heraus findet in Halberstadt eine Demonstration statt.

In Calbe (Saale) wird ein Schweigemarsch durchgeführt.

Nach Friedensgebet in der Stadtkirche in Neustadt/Orla ziehen Demonstranten vor das Rathaus.

Zu Demonstrationen kommt es in Parchim, Perleberg, Quedlinburg, Roßlau, Stendal und Zeulenroda.

Auf dem Röbener Marktplatz findet eine Versammlung satt.

Eine Dialogveranstaltung gibt es im Goethepark in Geiz.

Erste Dialogveranstaltung im Kino "Theater der Freundschaft" in Sondershausen. Während sie SED viele Plätze mit "bewährten Genossen" besetzt hat, warten Tausende vor dem Kino. Es kommt zu lautstarken Zwischenrufen, so dass die Veranstaltung schließlich abgebrochen wurde und ein Bürgerforum zwei Tage später auf dem Platz der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft stattfinden soll. Es bildet sich ein Demonstrationszug zur SED-Kreisleitung.

Zu einem Gespräch lädt der Geraer Oberbürgermeister Vertreter von Basisgruppen und kirchliche Amtsträger ein.

Bürgerinnen und Bürger fordern vor dem Wehrkreiskommando in Genthin einen Wehrersatzdienst.

Fr. 27.10.
In mehreren Städten der DDR haben sich auch am Freitagabend wieder Zehntausende Bürger zu Demonstrationszügen formiert. Sie brachten damit Forderungen nach weiteren Veränderungen im politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben des Landes und der Städte und Gemeinden zum Ausdruck.

Am Abend wird in Dessau demonstriert. Neben rufen "Wir bleiben hier" wird die Zulassung des Neuen Forum und freie Wahlen gefordert.

Etwa 12 000 Bürger Dresdens demonstrierten auch am Freitag im Zentrum der Stadt. Sie waren zwischen Altmarkt und Neustadt unterwegs und behinderten erheblich den Verkehr.

Rund 10 000 Bürger von Karl-Marx-Stadt zogen in friedlicher Demonstration durch die Innenstadt. Viele Teilnehmer begaben sich anschließend zu Diskussionen in Säle, Klubs oder Kirchen. Zuvor war Oberbürgermeister Dr. Eberhard Langer mit 25 Sprechern einer Bürgerinitiative der Stadt zum 2. Rathausgespräch zusammengekommen.

Rund 20 000 Bürger aus Güstrow und Umgebung kamen am Abend zu einer friedlichen Demonstration zusammen. Eine Stunde lang zogen sie durch die Innenstadt. Im Anschluss wurde von den Veranstaltern zu einem Gespräch im Güstrower Dom eingeladen.

Auf dem Marktplatz in Lauchhammer hatten sich am Abend etwa 3 500 Bürger zu einem Meeting versammelt. In Gesprächen trugen sie ihre Besorgnis zum Umweltschutz im Kohlerevier vor.

Mehr als 8 000 Menschen zogen in einem Demonstrationszug durch das Zentrum der Kreisstadt Saalfeld.

In Pritzwalk kommt es zur ersten Demonstration. Der Demonstrationszug führte von Rathaus kommend zum Kreiskulturhaus. Dort findet eine Dialogveranstaltung statt.

Nach dem dritten Friedensgebet in der Augustinerkirche in Gotha findet die erste Demonstration statt. Sie führt zum Rat des Kreises. "Wir sind das Volk" und "Schließt euch an" wird gerufen. Den Ratsmitgliedern wird für den folgenden Sonntag auf dem Gothaer Hauptmarkt eine Kundgebung abgetrotzt.

Auch in Spremberg formiert sich am Abend ein Demonstrationszug. Er endet am Marktplatz.

Erste Demonstration in Sonneberg mit rund 400 Teilnehmern.

Demonstrationen finden in Demmin, Großräschen, Karl-Marx-Stadt, Klingenthal, Malchow, Neustrelitz, Werdau und Zossen statt.

In Auerbach wird die Zulassung des Neuen Forum und freie Wahlen gefordert. Während der Rede des Vorsitzenden des Rates des Kreises Auerbach sind Buhrufe und Pfiffe zu hören.

Die erste Dialogveranstaltung geht in Lübben über die Bühne. Mit dabei ist der 1. Sekretär der SED-Kreisleitung.

Zu einem Rathausgespräch finden sich rund 600 Personen in den Plenarsaal des Rates der Stadt Plauen ein.

Sa. 28.10.
In Plauen hatten sich Sonnabend Nachmittag 40 000 Menschen vor dem Rathaus versammelt. Die auch aus anderen Kreisen und Bezirken angereisten Teilnehmer dieser Kundgebung drängten mit dem Ruf "Keine Reden mehr wir wollen Taten sehen" auf schnelle Lösungen für herangereifte Probleme. Redner kritisierten auch Fehlentscheidungen auf kommunalpolitischem Gebiet. Neben einer Veränderung des Wahlsystems, Presse- und Reisefreiheit wurde auch die Zulassung der Vereinigung "Neues Forum" gefordert.

In den Abendstunden des Sonnabend versammelten sich auf dem Rostocker Ernst-Thälmann-Platz vor dem Rathaus über 10 000 Einwohner zu einer Demonstration. Rostocks Oberbürgermeister Dr. Henning Schleift begab sich daraufhin unter die Menge und forderte dazu auf, das Gespräch nicht auf der Straße, sondern im Rathaus zu führen. Rund 300 folgten der Bitte und begannen eine breitgefächerte Diskussion über alle möglichen Themen. Draußen hingegen setzte sich der Zug der Demonstranten durch die Lange Straße in Bewegung. In Sprechchören wurde gerufen "Schließt euch an", "Demokratie jetzt", "Pressefreiheit", "Umwelterziehung statt Wehrerziehung", "Wir brauchen einen sozialen Zivildienst" und ähnliches.

Zu einer Kundgebung versammelten sich am Sonnabend 3 500 Bürger auf dem Neumarkt von Senftenberg. Kreisratsvorsitzende Hannelore Wagner und Bürgermeister Bernd Huhle, die dazu eingeladen hatten, stellten sich dem Dialog. Themen waren u. a. die führende Rolle der SED, die Möglichkeit eines Wehrersatzdienstes und die Berechtigung von Wehrkundeunterricht und freie Wahlen.

Ein polizeilich genehmigter Demonstrationszug vereinte am Sonnabendnachmittag rund 6 000 Einwohner von Greiz und aus anderen Orten des Kreises sowie des Bezirkes Karl-Marx-Stadt. Auf ihrem Marsch durch die Innenstadt forderten die Bürger auf mitgeführten Losungen und in Sprechchören "Neues Forum warum nicht?", "Demokratie jetzt oder nie!", "Freie Wahlen", "Zivilen Wehrersatzdienst" die Verbesserung der Umweltbedingungen in der Industriestadt.

Kritik am Baugeschehen in Halberstadt bekundeten am Sonnabend viele Bewohner der Vorharzstadt im Bezirk Magdeburg. Daß ein Teil der Stadt durch den Krieg zerstört wurde, dafür trage hier niemand Schuld. Aber daß die Altstadt nicht mehr existiert, dafür können viele in diesem Raum, sagte Rosemarie Lauenstein auf einem Forum im "Klubhaus der Werktätigen".

In verschiedenen Städten, u. a. in Plauen (40 000), Rostock (10 000), Freiberg (3 000), finden Demonstrationen statt, in deren Mittelpunkt die Forderung nach konsequenten Reformen in allen gesellschaftlichen Bereichen stehen.

Nach einem Friedensgebet in der Michaeliskirche in Spremberg formiert sich eine Demonstrationszug in Richtung Innenstadt am Gebäude der Staatssicherheit vorbei und endet schließlich auf dem Marktplatz. Neben "Wir sind das Volk" werden die Zulassung des Neuen Forum, Umweltschutz und Meinungs- und Reisefreiheit gefordert.

Auf einer Demonstration in Sondershausen wird ein Forderungskatalog verlesen. Die Bildung einer Untersuchungskommission gegen Machtmissbrauch und Korruption wird vorgeschlagen. Der Rücktritt des 1. Sekretärs der SED-Kreisleitung wird gefordert.

Nach einem Gottesdienst demonstrieren rund 250 Personen in Schmölln.

Demonstriert wird in Berlin. In Münchenbernsdorf findet ein Schweigemarsch statt. Zu Kundgebungen kommt es in Bad Doberan und Ribnitz-Damgarten.

Auf dem Neumarkt in Senftenberg findet eine Dialogveranstaltung statt.

Als Reaktion auf Bürgerproteste in den vergangenen Tagen haben am Sonnabend in Neubrandenburg "Stadtgespräche" begonnen, zu denen Oberbürgermeister Dr. Heinz Hahn eingeladen hat. In teilweise erregten Diskussionsbeiträgen wurde u. a. über politische Verantwortung für Fehlentscheidungen gesprochen.

Sachkenntnis und Engagement bestimmten am Sonnabend die oft hitzige Diskussion zu Umweltfragen bei einem Rathausgespräch mit Oberbürgermeister Hans Span in Jena. Beim Disput über die Luftverschmutzung wurde energisch eine umfassende Information der Bürger durch die Medien gefordert. Die Geheimhaltung der Daten über Dinge, die unmittelbar Leben und Gesundheit der Menschen beeinflussen, sei unerträglich und Misstrauen weckend. Die Mitteilung des Vertreters der Staatlichen Umweltinspektion Dr. Jürg Lotze, die Luftverschmutzung in Jena liege nur eine Stufe unter der von Bitterfeld, veranlasste Hans Span zu dem Bekenntnis, das gehe ihm in Mark und Knochen.

Von den Gesprächsteilnehmern wurde eine Vielzahl von Vorschlägen unterbreitet, wie diese Situation zu entspannen wäre. Genannt wurde die Einschränkung des PKW-Verkehrs, der Ausbau des Straßenbahnnetzes und der Einsatz alternativer Energieträger für die individuelle Heizung. Der Oberbürgermeister schlug vor, eine Arbeitsgemeinschaft interessierter Bürger zu bilden, die innerhalb von sechs Wochen Vorschläge ausarbeitet, welche Vorhaben im kommenden Planjahr und in der darauffolgenden Zeit in Angriff zu nehmen sind. Er setzte sich dafür ein, gemeinsam ein Umweltkonzept für die Stadt zu entwickeln, das besser, anders und geschlossener ist als das bisherige. Tilli Novak von der seit längerem bestehenden Interessengemeinschaft Stadtökologie rief die Bürger auf, die Chance wahrzunehmen und in seiner Gemeinschaft und dem neu vorgeschlagenen Gremium mitzuarbeiten.

Zu offener Aussprache hatten sich am Sonnabend ihn Erfurt 2 000 Menschen in der Thüringenhalle eingefunden. Für eine Kultur des Streits plädierte auch Matthias Büchner. Er wolle für die Gruppierung "Neues Forum" versichern, dass sie sich nicht für restaurative Rückentwicklung zum Kapitalismus, sondern für einen reformfreundlichen sozialistischen Rechtsstaat einsetzen.

Forderungen galten einer drastischen Reduzierung des Verwaltungsaufwandes. Prof. Heinz Wedler kündigte eine Reduzierung des, wie er sagte, "Wasserkopfes" in seinem Kombinat Mikroelektronik an.

Zu einem Gespräch mit dem Bürgermeister in Pössneck kommen ca. 350 Bürger.

Auf dem Platz der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft in Sondershausen finden sich Tausende zu einer Dialogveranstaltung ein. Besondere Kritik zieht der 1. Sekretär der SED-Kreisleitung auf sich. Sein Abgang wird gefordert. Begrüßt wird die Forderung nach Bildung eines Untersuchungsausschusses zur Aufklärung von Machtmissbrauch und Korruption. Dem stimmt der 1. Sekretär der SED-Kreisleitung zu.

So. 29.10.
Mit großen Diskussionsrunden vor dem Roten Rathaus und in der Kongresshalle am Alex haben gestern am Vormittag in Berlin Sonntagsgespräche unter dem Motto "Offene Türen offene Worte" begonnen. Oberbürgermeister Erhard Krack hatte dazu alle interessierten Bürger eingeladen. Rund 22 000 kamen.

Vor dem Rathaus diskutierten die Repräsentanten der Berliner Bezirksorganisationen aller Parteien, unter ihnen SED-Politbüromitglied Günter Schabowski, der Oberbürgermeister und weitere Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft, von Massenorganisationen und Medien. Staatsanwaltschaft und Volkspolizei gut vier Stunden lang mit etwa 20 000 Hauptstädtern, von denen viele die Debatte danach noch fortsetzten. An Gesprächsrunden in den überfüllten drei Sälen der Kongresshalle mit weiteren Politikern, Stadtraten, Betriebsdirektoren und Gewerkschaftern, Wissenschaftlern, Ärzten und Künstlern, Schriftstellern und Journalisten nahmen weitere fast 2 000 Berliner teil.

Zu den ersten Themen, Fragen und Antworten, die teils von Beifall, teils von Buh-Rufen und Pfiffen begleitet waren, gehörten die führende Rolle der SED, Wahlgesetzgebung, Privilegien, sozialistische Rechtsstaatlichkeit und Übergriffe bei den Demonstrationen vor drei Wochen, neue Reiseregelung, Demonstrationsrecht, Bildung und Erziehung sowie Arbeit der FDJ. Kein Thema war tabu, Meinung und Gegenmeinung wurden oftmals voller Emotionen vorgebracht.

Viele Anfragen galten der Untersuchung von Übergriffen der Schutz- und Sicherheitsorgane vor drei Wochen. Gefordert wurden öffentliche Entschuldigung und öffentlicher Untersuchungsausschuss. Berlins Polizeipräsident, Friedhelm Rausch, brachte sein tiefes Bedauern und die Entschuldigung dafür zum Ausdruck, dass es zu Härten und Übergriffen, zu viel menschlichem Leid gekommen sei. Es seien disziplinarische Maßnahmen gegen Angehörige der Schutz- und Sicherheitsorgane vorgesehen. OB Krack schlug die Bildung einer Untersuchungskommission vor.

Anhaltenden Beifall fand in diesem Zusammenhang Günter Schabowskis leidenschaftliches Plädoyer für genehmigte und geregelte, damit auch "von beiden Seiten" gegen Ausschreitungen und Übergriffs gesicherte Demonstrationen. Stark und fast einhellig war auch der Beifall, mit dem der Vorschlag eines Redners zurückgewiesen wurde, "eine Art Streikrecht" einzuführen. Ganz im Gegensatz zu einer solchen Vorstellung spendeten die Versammelten der oft und mit Nachdruck ausgesprochenen Forderung ihren Beifall, man müsse jetzt arbeiten, jeder müsse ohne Abstriche tun, wofür er an seinem Platz bezahlt wird.

Viele der Anfragen, Vorschläge und Hinweise zur konsequenten Durchsetzung von Demokratie in der sozialistischen Gesellschaft der DDR galten Bevorzugungen und Sonderregelungen für Funktionäre sowie der Demokratie in der SED.

Einhellige Meinung: Die Sonntagsgespräche werden fortgesetzt.

Neben dem ersten Berliner gab es am Wochenende auch in anderen Städten der Republik offene und kritische Aussprachen mit Bürgern aller Schichten über die viele bewegenden Probleme in Gesellschaft und Kommunen. Zu den Themen der Debatten zählten unter anderem tiefgreifende wirtschaftliche Reformen, die Rolle der Volksvertretungen, das Wahlgesetz, die notwendige Reduzierung des Verwaltungsaufwandes, Subventionen Medienpolitik, Wohnungsbau, Umweltschutz und Jugendleben.

In der mit 2 000 Menschen vollbesetzten Erfurter Thüringenhalle bezeichnete Oberbürgermeisterin Rosemarie Seibert die Einbeziehung aller Einwohner und eine sachliche Aussprache als Voraussetzung für wirksame Veränderungen. Der öffentliche Dialog wird am nächsten Freitag in der Thüringenhalle fortgesetzt.

Auf einer außerordentlichen Stadtverordnetenversammlung in Leipzig, die über sieben Stunden dauerte, forderten Volksvertreter und Einwohner am Sonnabend ein umfassenderes Mitspracherecht von Bürgern aller politischen Richtungen bei wichtigen Entscheidungen. Der Gedankenaustausch wurde am Sonntag mit dem "Dialog am Karl-Marx-Platz" fortgesetzt, wo Tausende Leipziger im Opernhaus, im Gewandhaus und in zwei Hörsälen der Universität Probleme und Vorschläge unter dem Motto "Wie weiter in der DDR?" diskutierten.

Eine Debatte über Ursachen und Auswirkungen der Gesellschaftskrise in der DDR sowie über Lösungswege fand am Sonntag im Karl-Marx-Städter Veranstaltungszentrum "Forum" mit etwa 800 Teilnehmern statt. Zu den Themen gehörten Wahlen, Ökonomie, Umweltschutz, die Zulassung neuer Gruppierungen sowie personelle und strukturelle Konsequenzen.

Das Gründungsmitglied des Neuen Forum, Martin Böttger, spricht sich für freie und geheime Wahlen aus. Er ruft zur Demonstration am nächsten Tag auf und fordert die Zulassung des Neuen Forum.

Wegen des großen Andrangs muss die Dialogveranstaltung im Rathaus in Altenburg vor das Rathaus verlegt werden. Den Rücktritt des 1. Sekretärs der SED-Kreisleitung und des Vorsitzenden des Rates des Kreises wird unter Beifall gefordert. Beide werden bei ihren Reden ausgepfiffen.

Zu einer Dialogveranstaltung im Theater der Stadt Plauen finden sich 1 000 bis 1 500 Bürger ein.

Im Haus der DSF in Frankfurt findet eine Dialogveranstaltung statt.

Wegen des großen Andrangs muss die Dialogveranstaltung im Rathaus in Altenburg vor das Rathaus verlegt werden. Den Rücktritt des 1. Sekretärs der SED-Kreisleitung und des Vorsitzenden des Rates des Kreises wird unter Beifall gefordert. Beide werden bei ihren Reden ausgepfiffen.

Zu einer Dialogveranstaltung im Theater der Stadt Plauen finden sich 1 000 bis 1 500 Bürger ein.

In einer Dialogveranstaltung im Jugendzentrum "Drushba" in Potsdam sprechen auch Vertreter des Neuen Forum. Darunter die Mitbegründer des Neuen Forum Reinhard Meinel und Rudolf Tschäpe.

Im Haus der DSF in Frankfurt findet eine Dialogveranstaltung statt. Diskutiert wird auch im Theater in Meinigen.

In Waren (Müritz) findet eine Demonstration statt.

Nach einem Führbittgottesdienst formieren sich rund 150 Personen in Hohenstein-Ernstthal zu einer Demonstration.

Auf dem Hauptmarkt in Gotha findet eine Kundgebung statt.

Mo. 30.10.
Das ist in Leipzig seit drei Wochen Wirklichkeit: Die Demonstration ist ein Stück der politischen Kultur. Am Montagabend gehört der kilometerlange Zug schon zum gewohnten Bild der Messestadt. Gegen 17 Uhr schließen die meisten Geschäfte in der Innenstadt, langsam kommt der Straßenbahnverkehr zum Erliegen. Vor allem um die Nikolaikirche, aber auch am Karl-Marx-Platz und um weitere sechs Kirchen sammeln sich schnell Tausende Menschen, viele auch aus der näheren und weiteren Umgebung mit Zug oder Auto angereist.

Mehr als 200 000 - so die offizielle Schätzung - setzten sich dann vorgestern in Marsch über den Ring, einmal rund ums Zentrum. Junge und Alte, auch Kinder. Hunderte Transparente werden mitgetragen, hängen über Brückengeländer und zwischen Fahnenmasten. Nicht alles hält dabei Maßstäben der Sachlichkeit stand, aber es zeigen sich die Hauptprobleme, für deren Lösung die Leipziger auf die Straße gehen. "Reformer an die Macht" wird gefordert und "Im Namen unsrer Kinder Glück - Margot Honecker tritt zurück!" Nicht die einzige Forderung nach personellen Konsequenzen. Dass der Schwarze Kanal noch am selben Abend seine letzten Sendeminuten haben würde, hatte sich im langen Zug noch nicht herumgesprochen; diese Art des Journalismus rief den besonderen Unmut hervor.

Immer wieder fordern Sprechchöre die Zulassung des "Neuen Forums", deren Leipziger Kontaktadresse auch im Sender Leipzig verlesen wurde. Ein neues Wahlgesetz wird verlangt, das eine Wahl zwischen verschiedenen Parteien und Kandidaten vorsieht. "Visafrei bis Hawaii", heißt es auf anderen Spruchbändern und "Wir wollen endlich Taten sehen!" Viele sind ungeduldig, befürchten, dass sich nach vielem Reden doch wieder der alte Trott breitmacht.

Halle. Losungen wie "Umweltschutz statt Umweltschmutz" und "Lasst Taten folgen, wir sind dabei" führten die rund 50 000 Demonstranten mit, die durch die Innenstadt von Halle zogen. Die Demonstration, die an der Marktkirche ihren Anfang nahm, führte durch die Fußgängerzone zum Gebäude der SED-Bezirksleitung. In Sprechchören verlangten die Bürger konkrete Antworten vom 1. Bezirkssekretär zu mehr Mitsprache in Angelegenheiten der Stadt und des Staates, zur Presse- und Meinungsfreiheit, zu größerer Rechtsstaatlichkeit sowie zu Reformen auch im Bildungswesen. Während der gesamten Zeit sorgten Volkspolizisten für die Umleitung des Verkehrs.

Ab sofort werden die Bürger von Halle donnerstags um 18 Uhr zu Stadthausgesprächen eingeladen. Der Rat reagiert damit auf Forderungen der Einwohner. Zu einem Meinungsaustausch hatten sich seitens der SED Hans-Joachim Böhme sowie weitere Funktionäre u.a. mit Vertretern der Halleschen Initiativgruppe "Neues Forum" getroffen.

Schwerin. Nach einem Friedensgebet in drei Schweriner Kirchen formierte sich ein Demonstrationszug durch die Schweriner Innenstadt. Rund 40 000 Einwohner zogen zunächst zum Alten Garten, dem traditionellen Kundgebungsplatz der Schweriner. Ein Sprecher rief zur friedlichen und gewaltfreien Demonstration auf und plädierte unter anderem für Presse- und Informationsfreiheit, Reisefreiheit und die Durchsetzung des Leistungsprinzips auf allen Ebenen. Es schloss sich ein Marsch durch die Innenstadt an. Auf Transparenten verlangten die Demonstranten unter anderem die Abschaffung von Privilegien und die Gleichberechtigung aller Parteien.

Karl-Marx-Stadt. Mehr als 20 000 Menschen nahmen an einer Demonstration im Zentrum von Karl-Marx-Stadt teil. Auf Transparenten wurde u. a. "Demokratie jetzt" und ziviler Wehrersatzdienst für das Gesundheitswesen gefordert. Im Anschluss an die fast einstündige Demonstration versammelten sich die Teilnehmer vor dem Rathaus und brachten ihre Forderungen und Überlegungen vor. Oberbürgermeister Dr. Eberhard Langer teilte unter anderem mit, dass ein Forderungskatalog von Mitarbeitern des Bezirkskrankenhauses abgearbeitet wird und Mitarbeiter des Rates der Stadt zeitweilig in der Volkswirtschaft tätig sein werden.

Pößneck. Rund 800 Bürger nahmen an einem Friedensgebet in der Pößnecker Stadtkirche teil. Danach bewegte sich ein Zug von rund 5 000 Demonstranten im Schweigemarsch durch die Innenstadt zum Rathaus. Auf Transparenten forderten sie unter anderem "Freie Wahlen - freie Bürger", "Sozialfürsorge ist notwendig" und "Zivildienst ist Menschenrecht - Gesundheitsreform".

Magdeburg. Nach einem Gebet im Magdeburger Dom für gesellschaftliche Erneuerung in der DDR formierte sich ein Demonstrationszug mit 15 000 Teilnehmern. Die Frauen und Männer, die auch aus anderen Orten in die Bezirksstadt gekommen waren, forderten auf Transparenten unter anderem Veröffentlichung aller Umweltdaten, die Einführung eines zivilen Wehrersatzdienstes und ein neues Wahlgesetz. Ein Plakat, das dem Zug vorangetragen wurde, zeigte das Symbol einer Friedenstaube. Der Marsch durch die Innenstadt verlief friedlich.

Dresden. Mehrere tausend Bürger Dresdens und umliegender Kreise kamen vor der Goldenen Pforte des Rathauses zusammen. Sie traten unter anderem für Durchsetzung von Demokratie, zivilen Wehrersatzdienst und Reisefreiheit ein. Später begaben sie sich auf einen friedlichen Demonstrationszug durch die Innenstadt, woran zeitweise rund 20 000 Menschen teilnahmen.

Hoyerswerda. Nach einem Demonstrationszug durch Straßen der Kreisstadt versammelten sich etwa 10 000 Menschen im neuen Zentrum von Hoyerswerda. Partei- und Staatsfunktionäre, Abgeordnete und Vertreter aus dem Gaskombinat Schwarze Pumpe standen den Diskutierenden Rede und Antwort zu angestauten Problemen in gesamtgesellschaftlichen wie in kommunalen Bereichen.

Suhl. Viereinhalbtausend Einwohner von Suhl nahmen am Montagabend in der Stadthalle die Gelegenheit wahr, mit Kommunalpolitikern ins Gespräch zu kommen, jenen Dialog fortzuführen, der vor Wochenfrist an gleicher Stelle aufgenommen wurde. Nach Vorstellung der Gesprächspartner wurde die Frage gestellt, weshalb leitende Funktionäre der SED-Bezirksleitung, darunter der 1. Sekretär, Hans Albrecht, dem Dialog offensichtlich aus dem Wege gehen. Der Sekretär der SED-Bezirksleitung Gerhard Koszycki antwortete darauf, dass sich das Sekretariat damit beschäftigt habe und in absehbarer Zeit auch personelle Veränderungen vorgenommen werden.

Der Leiter der Bezirksmusikschule, Peter Backhaus, äußerte den Standpunkt, man müsse jenen, die die Wende wirklich wollen, auch die Chance geben, es durch Tatsachen zu beweisen. "Wer die Wende nicht will, muss von seiner Verantwortung befreit werden, sagte er unter Beifall. Da die Kapazität der Stadthalle nicht ausreichte, um alle interessierten Bürger aufzunehmen, wurden die 2 000 vor dem Gebäude wartenden Suhler über Lautsprecher und Monitore über den Verlauf der Diskussion informiert. Auf Vorschlag von Oberbürgermeister Joachim Kunze soll dieser Dialog künftig mehreren themenbezogenen Gruppen fortgesetzt werden.

Cottbus. Nach mehr als eineinhalbstündiger Debatte kam aus den Reihen der am Montagabend im Zentrum von Cottbus Versammelten der Vorschlag, auf vernünftiger Basis an gleicher Stelle den Dialog über brennende Fragen fortzuführen. Mehr als 20 000 Bürger hatten sich zuvor zu einem Demonstrationszug formiert und auf den Vorplatz der Stadthalle begeben. Nachdem die Mehrzahl der Teilnehmer des Meetings dem Vorschlag zustimmte, erklärte Werner Walde, Kandidat des Politbüros des Zentralkomitees und 1. Sekretär der Bezirksleitung Cottbus der SED: "Ich bin bereit zum weiteren Dialog und werde hier sein".

Teils von ehrlicher Sorge motiviert, teils aber auch hitzig, unsachlich und von Pfiffen unterbrochen, hatten Bürger ihre Fragen und Meinungen vorgetragen. Es ist wahr, dass in der DDR viel geschaffen worden ist. Aber es ist auch wahr, dass Erfolge überbewertet und Probleme der gesellschaftlichen Entwicklung nicht rechtzeitig erkannt worden sind, sagte Werner Walde. Dafür trage er die Mitverantwortung. Zustimmung unter der Mehrheit der Teilnehmer des Meetings fanden Äußerungen, dass es jetzt darauf ankomme, den Schlüssel zur Lösung der anstehenden Aufgaben zu finden.

Nach einem Friedensgebet in der Martinskirche in Bernburg (Saale) begeben sich die Demonstranten zur SED-Kreisleitung in der Friedensallee. Zu einem Gespräch mit dem SED-Kreissekretär kommt es auf dem Marx-Engels-Platz.

Demonstriert wird auch in Berlin, Daubitz, Geismar, Gerbershausen, Heiligenstadt, Klingenthal, Osterburg, Probstzella, Reichenbach, Schleusingen, Schwarzenberg, Staßfurt, Wernigerode, Wittichenau und Zwickau.

Eine Demonstration führt von Tröbnitz nach Geisenhain.

Im Kreiskulturhaus in Gotha findet eine Bürgerversammlung statt.

Zweite Dialogveranstaltung in Lübben. Es kommt zu zahlreichen Unmutsäußerungen.

Im überfüllten Saal des Speisehauses des VEB Strömungsmaschinen Pirna findet eine Dialogveranstaltung statt.

Die SED-Kreisleitung und die Nationale Front laden zu einer Dialogveranstaltung in die Kultur- und Sporthalle des Stahlwerkes Brandenburg/Havel ein.

Zu einer Dialogveranstaltung in das Kulturhaus in Kyritz hat der Rat des Kreises eingeladen.

Zweites Stadthallengespräch in Suhl. Wegen des großen Andrangs finden nicht alle einen Platz in der Halle. Über Lautsprecher wird die Veranstaltung für die vor der Halle versammelten übertragen.

Di. 31.10.
Weimar: Im Zentrum von Weimar formierten sich mehrere tausend Demonstranten mit brennenden Kerzen und mit Transparenten. Während des friedlichen, mehr als einstündigen Marschs wurden unverzügliche Reformen in Wirtschaft und Staat verlangt. In Sprechchören wurde gerufen: "Wir sind das Volk", "Demokratie, jetzt oder nie". Mehr Umweltschutz, freie Wahlen sowie zensurfreie Unterhaltungskunst waren weitere Forderungen.

Vor dem Rathaus kam es zu Gesprächen, bei denen Oberbürgermeister Prof. Dr. Baumgärtel Fragen zur Kommunalpolitik beantwortete. Er informierte unter anderem darüber, dass Vertreter des Rates der Stadt sowie von Gruppierungen wie dem "Neuen Forum" zu einem kontinuierlichen Meinungsaustausch kommen wollen.

Meißen: Ihrer Forderung nach Konsequenz bei der gesellschaftlichen Erneuerung in der DDR gaben am frühen Abend rund 10 000 Einwohner von Meißen Ausdruck. Im Demonstrationszug begaben sie sich zum Gebäude des Rates des Kreises. Die von den Teilnehmern der Zusammenkunft angesprochenen Probleme umfassten im Verlauf der etwa dreistündigen Zusammenkunft u. a. die Zulassung des "Neuen Forums", Fragen der Ordnung und Sicherheit in der über 1 000jährigen Domstadt und verbesserten Umweltschutz im Industriegebiet Meißen-Triebischtal.

Meiningen: Im Anschluss an ein Friedensgebet, das viele Bürger auch über Lautsprecher auf dem Vorplatz der Kirche verfolgten, versammelten sich am Dienstagabend in Meinigen etwa 5 000 Demonstranten. Während ihres Marschs durch die Innenstadt forderten sie auf Transparenten und in Sprechchören unter anderem freie Wahlen. Der friedliche Protestzug löste sich nach etwa einer Stunde auf.

In Nordhausen bewegt sich eine Demonstrationszug von 25 000 Personen vom August-Bebel-Platz durch mehre Straßen zum Ausgangspunkt zurück. Es folgten Diskussionen, die sich über mehre Stunden erstreckten.

Nach einer kirchlichen Veranstaltung erfolgt in Zittau ein Schweigemarsch von rund 3 000 Personen zur SED-Kreisleitung.

In Bautzen versammeln sich ca. 1 000 Bürger.

Demonstriert wird auch in Bad Salzungen, Berlin, Neuhaus, Schmalkalden, Stadtroda, Stralsund, Wismar und Zschopau.

Die Aufhebung des Sperrgebiets an der Grenze zu Bayern wird auf einer Kundgebung in Lobenstein/Saale gefordert.

In der Neptun-Werft in Rostock versammeln sich am Abend rund 1 200 Belegschaftsangehörige.

An einer Veranstaltung im Haus der Jugend und Sportler in Leipzig nehmen u. a. der Oberbürgermeister und Mitglieder des Neuen Forum teil. Die Bezirksverwaltung Leipzig des MfS bericht: „Die Diskussion war sehr aggressiv, die vorgetragenen Forderungen wurden oft von stürmischen Beifall begleitet."

Forderungen und Meinungsäußerungen sind u. a. "Weg mit der SED", "Gebt das Machtmonopol auf", "Ihr habt das recht verwirkt, unser Volk zu regieren", "Ihr habt abgewirtschaftet". Es wird die unverzügliche Zulassung des Neuen Forum und den Rücktritt des Oberbürgermeisters gefordert.


Alle Angaben sind Auszüge aus den Chronikseiten Oktober 1989 www.ddr89.de. Es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben. Die Teilnehmerzahlen sind mit Vorsicht zu genießen. Sie beruhen auf Schätzungen.

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