Sa. 15. September 1990

• • Gesamtberliner SPD-Landesverband

    • Zu einem Gesamtberliner SPD-Landesverband haben sich Sozialdemokraten aus beiden Teilen der Stadt am Sonnabend zusammengeschlossen. Auf dem Landesparteitag, der eine Woche vor der Vereinigung von SPD-Ost und -West stattfand wurde die in Berlin erst mit dem Bau der Mauer 1961 aufgezwungene Trennung beendet.

      Zum Vorsitzenden der Gesamtberliner SPD wurde Walter Momper, bisher Chef des Westberliner Landesverbandes, gewählt. Entsprechend der Mitgliederzahlen in beiden bisherigen Landesverbänden - in Westberlin sind rund 26 000 und in Ostberlin etwa 3 000 SPD-Mitglieder registriert - kommen zwei der sechs Stellvertreter des Landesvorsitzenden aus dem Osten.
      (Junge Welt, Mo. 17.09.1990)

  • Zentrale Delegiertenversammlung der DBD Übertritt zur CDU

    • Die Demokratische Bauernpartei Deutschlands (DBD) hat ihren Zusammenschluss mit der CDU vollendet. Entsprechende Beschlüsse fasste die Zentrale Delegiertenversammlung der DBD am Wochenende in Borkheide (Kreis Belzig). In den Wochen zuvor hatten sich bereits die Landesverbände von DBD und CDU vereint. Es zeuge vom demokratischen Geist, dass keinem der rund 80 000 Mitglieder der Parteienwechsel verordnet wurde, sondern jeder seine persönliche Entscheidung treffen konnte, erklärte Ulrich Junghanns, bisher amtierender Vorsitzender der DBD.
      (Neue Zeit, Mo. 17.09.1990)

      Auf der Delegiertenversammlung in Borkheide beschließt die Demokratischen Bauernpartei Deutschlands (DBD) ihren Beitritt zur CDU. Ein Gang, den viele nicht mitgehen wollten. Zumal die Mitglieder selbst nicht über einen Beitritt abstimmen konnten. In der CDU gab es Stimmen, die der DBD ihre frühere Nähe zur SED vorwerfen.

  • LINKE LISTE/PDS Wahlkongress

    • Auf ihrem gesamtdeutschen Wahlkongress am Wochenende hat die LINKE LISTE/PDS ihr Wahlprogramm verabschiedet. Zwei Tage hatten die rund 800 Teilnehmer Abgesandte aus den BRD-Landesverbänden der LINKEN LISTE/PDS, Delegierte von der PDS sowie unabhängige Linke der DDR den Entwurf, der vor zwei Wochen veröffentlicht worden war, debattiert. Bis zum Schluss umstritten waren wirtschaftliche und ökologische Probleme, beispielsweise die Forderung nach dem sofortigen Ausstieg aus der Kernenergie. Das Plenum einigte sich schließlich, solche Streitpunkte im Programm festzuhalten und nicht durch findige Formulierungen zu vertuschen. Das fand die Zustimmung der überwiegenden Mehrheit; nur 16 Delegierte lehnten das Papier ab, 22 enthielten sich der Stimme.

      Zur Eröffnung am Sonnabend hatten Walter Janka vorn Ältestenrat der PDS, die Schriftstellerin Helga Königsdorf, als Parteilose Mitglied der Listenvereinigung, Jacob Moneta, ein Vertreter der linken Gewerkschaftsbewegung in der BRD, sowie Jutta Ditfurth von den Grünen in der BRD das Wort ergriffen und ihre Hoffnungen auf eine starke linke Opposition im künftigen gesamtdeutschen Parlament zum Ausdruck gebracht. In den folgenden Referaten von Andrea Lederer, LINK LISTE/PDS Hamburg, Michael Mäde, Vereinigte Linke Berlin, und Gregor Gysi, PDS, wurde deutlich, welch unterschiedlich Erfahrungen und Vorstellungen von linker Politik auf diesem Kongress zusammengeführt wurden. Zugleich bekräftigten sie, dass es jetzt darauf ankomme, mit Blick auf die Bundestagswahl das Einigende in den Vordergrund zu stellen.

      "Wir haben uns in einer Brite zusammengefunden, wie es sie bei der linken Opposition in Deutschland vielleicht noch nie gegeben hat", meinte Gysi. Das sei eine große Verantwortung, die wir jetzt gemeinsam tragen für eine starke linke Kraft in diesem Land, dessen Vereinigt große Gefahren, aber auch Möglichkeiten bringe. "Stellen wir uns den Tatsachen und lassen wir nicht zu, dass der Traum vorn demokratischen Sozialismus untergeht."

      Das linke Wahlbündnis, das wurde sowohl im Plenum als auch in den acht Arbeitsgruppen klar, versteht sich als eine kritische Stimme in der Gesellschaft und in den Parlamenten für demokratische Grundrechte, für Umweltschutz, für Frieden, menschengerechtes Wohnen, gleiche Bildungs- und Ausbildungschancen. Gegen Großmannssucht und großdeutsche Hegemoniebestrebungen will man angehen.

      Auf einer anschließenden Pressekonferenz der sechs Sprecher des Beirates der LINKEN LISTE/PDS, Mariles Deneke, Andrea Lederer, Helga Königsdorf, Gregor Gysi, Michael Mäde und Michael Stamm wurde resümiert, dass die Verschiedenartigkeit der Meinungen, die auf diesem Kongress in zum Teil langwierigen Diskussionen zutage traten, geringfügiger war, als ursprünglich gedacht. Bei der Einschätzung der Chancen zeigte man sich optimistisch. "Wir erreichen mehr als 5, aber wahrscheinlich nicht über 10 Prozent", sagte Gysi mit einem Augenzwinkern.

      Michael Stamm trat vor der Presse erneut Behauptungen entgegen, es gäbe in der Bundesrepublik gezielte Abwerbeaktionen der LINKEN LISTE/PDS bei anderen Parteien, beispielsweise bei den Grünen, wo auch Geld im Gesprächsei. Derartiges Vorgehen stehe für dieses Bündnis außerhalb jeder Überlegung. Bundestagsabgeordnete der Grünen könnten der Listenvereinigung nur beitreten, wenn sie vorher ihr Bundestagsmandat niederen.

      Am Sonnabend verabschiedeten die Teilnehmer der Konferenz eine Erklärung, in der sie ihre Sympathie für die Besetzer in, der Berliner MfS-Zentrale bekundeten.
      (Neues Deutschland, Mo. 17.09.1990)

      Erster Tag des zweitägigen Wahlkongresses der "Linken Liste/PDS" in Berlin. Daran nimmt auch der UFV teil.

  • Landesverband Berlin der LINKEN LISTE/PDS gegründet

    • Auch der Landesverband Berlin der LINKEN LISTE/PDS ist seit dem Wochenende gegründet. An zwei langen Abenden wurden eine sich auf das Programm der Bundespartei beziehende "West-Berliner Plattform" und eine eigene Satzung beschlossen. Dem Sprecherinnenrat gehören an: Sigrun Steinborn, 48 Jahre, zuvor Mandatsträgerin in der SPD; Gabi Eisenberger. 41 Jahre, bislang parteilos; Dirk Schneider, 51 Jahre, zuvor Mandatsträger und zwei Jahre Pressesprecher der AL. Der Gründungskongress in Neukölln legte fest, dass die neue Partei sich an den Wahlen zum Bundestag sowie zum Berliner Abgeordnetenhaus beteiligen wird. Es gibt hervorhebenswerte Unterschiede zur Bundespartei LL/PDS, an deren Kongress an diesem Wochenende auch 17 Delegierte aus Westberlin teilnahmen.

      Die Berliner Gründung geschah, wenngleich erst im zweiten Anlauf erfolgreich, basisdemokratisch und als Mitgliederpartei. Es schrieben sich von den rund 150 Teilnehmern - die gleiche Zahl Neugierige und Beobachter nicht gerechnet - auf Anhieb 80 Gründungsmitglieder ein. Die Partei versteht sich als ein plurales Bündnis von Einzelpersonen aus unterschiedlichen linken beziehungsweise sozialistischen Zusammenhängen und will Erfahrungen zum Beispiel aus der Ökologie-, Friedens-, Antifa- Frauen- und Gewerkschaftsbewegung links von SPD und AL bündeln. Zur Gründung waren vor allem Interessierte des alternativen, ökosozialistischen, linken SPD- und ehemaligen SEW-Spektrums erschienen, dazu viele unabhängige, parteilose Linke.

      Die neue Partei wird ihr Arbeitsfeld in Abstimmung mit der PDS auf die West-Berliner Bezirke beschränken, während jene vor allem in den Ost-Berliner Bezirken wirksam bleibt. Wie das gehen soll, bleibt abzuwarten. Im Unterschied zur BRD (dort kandidiert die LINKE LISTE/PDS) und zur übrigen DDR (dort kandidiert die PDS) kann es sowohl in Ost-als auch In West-Berlin zwei linke Listen (PDS und LL/PDS) geben, deren Stimmen bei einer Listenverbindung zusammengezählt würden. Sozusagen: Doppelt genäht hält besser.
      (Neues Deutschland, Mo. 17.09.1990)

  • Neue Phase der Zusammenarbeit von awig und DLG

    • Die Deutsche Agrarwissenschaftliche Gesellschaft (awig) und die Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft (DLG) haben in dieser Woche in Nienburg (Weser) eine neue Phase der Zusammenarbeit eingeleitet.

      Auf der Herbsttagung der DLG wurde für die erste Etappe ein gemeinsames Werk zur Umschulung und Fortbildung für die Landwirte in den neuen 5 Bundesländern bestätigt, das Fachleute beider Gesellschaften durchführen werden.

      Des weiteren wurde vereinbart, dass die Zusammenarbeit in den Fachkommissionen und in den Leitungsgremien intensiviert wird. Dazu ist der Präsident der awig, Prof. Dr. habil. Wolfgang Gampe, vom Vorstand der DLG als assoziiertes Mitglied bestätigt worden und nimmt an den zukünftigen Beratungen dieses Gremiums teil. Im Gegenzug wurde ein Mitglied des Vorstandes der DLG als assoziiertes Mitglied zu den Sitzungen des Präsidiums und des Zentralvorstandes der awig eingeladen.
      (Deutsches Landblatt, Sa. 15.09.1990)

  • IG Bergbau-Energie-Wasserwirtschaft löst sich auf

    • Im Namen ihrer mehr als 300 000 Mitglieder verlangte die DDR-Industriegewerkschaft Bergbau-Energie-Wasserwirtschaft am Sonnabend in Ostberlin von der Regierung, über den Abschluss eines Gesamtsozialplanes für alle Bergbauunternehmer analog dem der Bundesrepublik zu verhandeln. Ein außerordentlicher Kongress beschloss, die DDR-Industriegewerkschaft zum 31. Oktober aufzulösen. So bald als möglich werde die Einheit mit der westdeutschen IG Bergbau und Energie sowie der IG Wismut verwirklicht.
      (Berliner Zeitung, Mo. 17.09.1990)

  • Keine Einreise ohne Visa mehr für Bürger aus Rumänien und Bulgarien nach Westberlin

    • Bürger aus Rumänien und Bulgarien können vorerst ab sofort nicht mehr ohne Visa in die Bundesrepublik und die DDR reisen.

      Die alliierten Kontrollmächte in Berlin haben nach Angaben von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) ihre Verordnung aufgehoben, die Bürgern aus diesen Ländern bislang ungehinderten Zugang nach West-Berlin, damit die Einreise in die DDR und von Berlin aus die Weiterreise in die Bundesrepublik ermöglichte. Damit können auch Roma und Sinti aus beiden Ländern nicht mehr ohne die erforderlichen Grenzdokumente einreisen.

      In einem Interview der "Westfälischen Nachrichten" vom Samstag kündigte Schäuble weiter an, die Bundesrepublik werde gemeinsam mit anderen EG-Staaten Gespräche mit Rumänien, Bulgarien und Jugoslawien führen, um "eine gesicherte Heimstatt für die Roma in ihren bisherigen Ländern zu ermöglichen". Dort müssten die Ursachen beseitigt werden, "die Menschen zu Zehntausenden veranlassen, ihre Heimat aufzugeben".
      (Berliner Zeitung, Mo. 17.09.1990)

JW. Am Wochenende beschloss der Landesverband der FDJ Mecklenburg und Vorpommern das Programm für die Tätigkeit im geeinten Deutschland. Die FDJ will für die Bewahrung und Fortführung demokratischer Traditionen und Errungenschaften eintreten, darunter für die volle Durchsetzung aller im Grundgesetz verankerten Prinzipien. Dazu soll ein Konzept gegen Jugendarbeitslosigkeit beitragen.
(Junge Welt, Mo. 17.09.1990)

Mehrere zehntausend organisierte Rechtsextreme gibt es derzeit nach Angaben des Bundes der Antifaschisten auf dem Territorium der DDR. Dazu gehören etwa 8 000 Republikaner und 15 000 Skinheads. "Zunehmende Tendenzen" seien bei Skins unter 14 Jahren, "Babyskins" genannt, und weiblichen Skinheads zu verzeichnen. Das erklärte am Wochenende Jupp Geräts, Mitglied des Bundes der Antifaschisten, auf der Gründungsversammlung des Regionalverbandes Halle des Bundes in Sachsen-Anhalt.
(Berliner Zeitung, Mo. 17.09.1990)

Die gesamte Führungsriege der NVA wird ausgetauscht.

In Geltow bei Potsdam wird der erste Landessportbund in der DDR von Abgesandten aus den Bezirken Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam gegründet.

Gäste waren die Vizepräsidentin des DTSB, der Präsident des DSB und Innenminister Peter-Michael Diestel.

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