Zwei Dinge sind es, die im Ergebnis des Sonderparteitages der Grünen der DDR am vergangenen Wochenende [07.-09.] in Magdeburg besonders hervorgehoben werden müssen: zum einen die breite Zustimmung der rund 300 Delegierten für die Plattform des Wahlbündnisses und zum anderen der Beschluss, nach dem 3. Dezember in einer gemeinsamen Partei aufzugehen.
Die gemeinsame Wahlplattform war ja erst am vergangenen Donnerstag nach langen Geburtswehen zustande gekommen. Dieses Bündnismodell, mit dem die Grünen zusammen mit fünf Bürgerbewegungen und der Vereinten Linken als Einzelkandidat zu den Bundestagswahlen antreten will, hatten die Delegierten am Samstag nach einer langwierigen, von formalen Fragen geprägten Diskussion beschlossen. Unter der Bezeichnung "Die Grünen/Bündnis 90" sieht es offene grüne Listen der Grünen Partei der DDR vor, auf denen die Vertreter des Bündnisses kandidieren. Wie Christine Weiske, Mitglied des Vorstandes, erklärte, sei damit der Konsens mit dem am Bündnis beteiligten Parteien und Gruppierungen gefunden.
Das Aushandeln der konkreten länderspezifischen Konstellation liegt nun in der Autonomie der Ländergruppen, wobei für alle DDR-Gruppierungen mindestens ein sicherer Listenplatz angestrebt wird. Allerdings wurden für die beiden prominenten Bürgerrechtler Tatjana Böhm und Wolfgang Templin (Unabhängiger Frauenverband und Initiative Frieden und Menschenrechte) zwei sichere Plätze der Grünen aus Nordrhein-Westfalen zur Verfügung gestellt.
Was für die gesamtdeutschen Wahlen nun gelungen ist und die Chance der Bürgerbewegungen erhöht, damit die 5-Prozent-Klausel zu überspringen und ins gemeinsame Parlament einzuziehen - bei den bevorstehenden Landtagswahlen hat es seine Erfüllung nicht überall gefunden. In Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg sind Bündnisse dieser Art nicht zustande gekommen. In Brandenburg beispielsweise treten die Grünen lediglich mit der Seniorenvereinigung Graue Panther und dem Unabhängigen Frauenverband an, Christine Weiske, die Spitzenkandidatin für Brandenburg, sieht die Gründe dafür in der Hektik und zu knappen Zeit der Wahlvorbereitung. Zu schnell seien ihrer Meinung nach die Verhandlungen vor allem mit dem Neuen Forum abgebrochen worden.
Der Parteitag stimmte nach einer turbulenten Debatte ebenfalls zu, dass sich die Partei in der Zeit nach den Landtagswahlen bis zum 3. Dezember in "Die Grünen/Bündnis 90" umbenennt, Eine der Forderungen, damit die Vereinigung zustande kam.
Beschlossene Sache auch in Magdeburg der Anschluss nach dem 3. Dezember an die Bundes-Grünen. So schnell wie möglich soll eine handlungsfähige Grüne Partei, wie Eberhard Walde vom Bundesvorstand gegenüber BZ erklärte, im geeinten Deutschland geschaffen werden. Das Zusammengehen sei aber auch deshalb erforderlich, weil in einem Staat zwei grüne Parteien unsinnig seien und wahlrechtlich nicht zulässig wären.
(Berliner Zeitung, Mo. 10.09.1990)
DIE GRÜNEN sind mehr als eine Partei, eher schon ein Parteienbündnis, eine Union aus unzähligen ökologischen Richtungen und Schulen, die nur bei allergrößter Zurückhaltung unter einen Hut zu bringen sind. Beim Sonderparteitag der GRÜNEN PARTEI der DDR vom 7. bis 9. September in Magdeburg war es wohl symptomatisch für das Vierwahlenjahr, dass das einzige grüne Thema auf die letzte Stunde gelegt worden war. Zuvor plagte man sich über fast drei Arbeitstage um die Meinungsbildung zur anstehenden Vereinigung mit den Westgrünen, zur Verhandlung mit den BürgerInnenbewegungen zur Bundestagswahl und mit den Wahlen zu parteiinternen Gremien. Über allem aber schwebte das Damoklesschwert der Richtungsströmungen, in deren heiliger Dreifaltigkeit sich die Ostgrünen so schlecht auskannten. Da kamen schon mal die Begriffe Fundi, Aufbruch oder Realo auf, da wurde schon mal in der einen oder anderen Ecke Stimmung gemacht. Wohl kaum jemand hatte aber genügend Hintergrundinformationen und wusste richtig einzuordnen. Den heißen Draht zu Bundesvorstand oder Bundeshauptausschuss, zu Landtagen oder Fraktionen des Bundestages haben nur die entsprechenden Mandatsträger, die dann auch, wie es den Eindruck hatte, darauf besser vorbereitet waren als die Basis.
Wie wenig die Schwestern und Brüder aus dem Osten selbst von engsten Parteifreunden verstanden werden, zeigt die Enttäuschung der Buch- und Plakatverkäufer am Rande des Parteitages über den schlechten Umsatz. Sie waren anderes gewöhnt und reisten mit großem Aufwand an. Das Angebot war entsprechend verlockend, ging aber schwerfällig über den Ladentisch, weil die Verkäufer weder die halbierte Portokasse der Ostdeutschen beachtet hatten, noch die plötzliche Konfrontation mit Arbeitslosigkeit,- sozialer Unsicherheit und Armut.
Schwer fiel den Delegierten ihre persönliche Erfahrung mit den BürgerInnenbewegungen unter den Hut der Parteistrategen zu bringen. An Ecken, die die einen gar nicht bemerkten, stießen sich bedenklich die anderen. Grund dazu ist das ostdeutsche Zusammengehörigkeitsgefühl zu anderen alternativen Bewegungen.
Aufmerksam wurden Meinungsstreit und Konsensfindung vom Bundesvorstand beobachtet. Immerhin griff die Wahl zweier DDR-Vertreter in den BuVo direkt ins innerpolitische Gleichgewicht der Grünen ein. Fast unbeeinflusst von Bonner Differenzen wurden integere Persönlichkeiten in den Bundesvorstand gewählt: Christine Weiske und Friedrich Heilmann.
Ein anderer Versuch, unterschiedliche Grundhaltungen innerhalb dieser Partei zusammenzurühren, ein Zeichen in und aus Richtung einer christlichen Umweltbewegung, konnte nicht den erhofften Erfolg finden: der grüne Gottesdienst zu Beginn des letzten Tages wurde nur von zwei Delegierten besucht.
Und während die einen Ruhe in der Meditation suchten, standen die anderen nach einer durchwachten Nacht nach Kaffee und Frühstück an. Es wurde zur Karikatur auf die Wegwerfgesellschaft, dass ausgerechnet den Grünen Senf und Ketchup aus der Tüte, Kaffeesahne aus dem Plastenäpfchen und Eis in geschmackvoller Plasteverpackung verabreicht wurden. Die Organisatoren konnten nichts dafür, das war die Instinktlosigkeit einer Kantine, die stolz darauf war, McDonald's einen Schritt nähergekommen zu sein. Dass es anders gehen konnte, zeigten mitgebrachte Schrippen, Milch und Müsli. Alternative Parteitage sind nicht sehr gewinnbringend, am wenigsten für Kantinenwirte. Von den Ergebnissen her vielleicht schon.
Zu konstatieren sind die beschlossene Vereinigung mit den Westgrünen zum Jahresende und die offenen Landeslisten unter dem Namen "Die Grünen/Bündnis 90", die nun den Bürgerinnenbewegungen offenstehen.
Klaus Muche
(die andere, Nr. 35, Mi. 19.09.1990)
Auf ihrem 2. Parteitag, "Politische Zukunft im vereinigten Deutschland", vom 07.-09.09.1990 in Magdeburg, nennt sich die Grüne Partei in "DIE GRÜNEN" um und machte sich kompatibel für die Fusion mit den West-Grünen. Zuvor wurde der Name "Die Grünen/Bündnis 90" gewählt.