Berlin. BZ – M. Emmerich Am Sonnabend beschlossen rund 400 Delegierte aus Gesamtberlin in der Kongresshalle am Alexanderplatz die Vereinigung der beiden bisherigen Landesverbände der CDU.
Damit gibt es nach über vierzig Jahren wieder eine einheitliche CDU-Organisation in der Stadt. Der automatisch zum Gesamtberliner Landesvorsitzenden gewordene bisherige Westberliner Parteichef Eberhard Diepgen und der DDR-Ministerpräsident und CDU-Vorsitzende Lothar de Maizière sprachen von einem "Tag der Freude".
Lothar der Maizière hatte in seiner Grußansprache nachdrücklich für Berlin als künftige Hauptstadt plädiert. "Berlin wird nicht die Hauptstadt Deutschlands sie ist die Hauptstadt", sagte er. Die Hauptstadt Deutschlands könne nicht "vom schönen Rhein aus, vom karolingischen Reich mit seinem Überlegenheitsgefühl über alles Ostelbische erfolgen". In Bezug auf die alte DDR betonte Lothar de Maizière, dass es nicht möglich sei, alles hinüberzuretten, was im SED-Staat bequem, funktionstüchtig und sozial erschien. Davon Abschied zu nehmen sei unumgänglich, "freilich auch hart und in so manchem persönlichem Schicksal sehr schmerzlich".
Scharfe Angriffe auf SPD und PDS
Scharfe Angriffe gegen die SPD richteten CDU-Landesvorsitzender Eberhard Diepgen und der als Gast anwesende CDU-Generalsekretär Volker Rühe. Rühe warf dem SPD-Kanzlerkandidaten Oskar Lafontaine "rote Schwarzmalerei" vor, den Regierenden Bürgermeister Walter Momper nannte er den "Abstauber des Jahres". Eberhard Diepgen, der sich gegen eine Gleichsetzung von Sozialdemokratie und PDS wandte, versprach als CDU-Wahlziel, "die PDS entscheidend zu schwächen, sie so schnell wie möglich unter die Fünf-Prozent-Hürde zu drängen".
Auf Vorschlag der Ost-CDU wählte der Parteitag den bisherigen Ostberliner CDU-Vorsitzenden Eberhard Engler und Fritz Niedergesäß vom Demokratischen Aufbruch zu neuen stellvertretenden Parteivorsitzenden. Neu als Beisitzer in den Landesvorstand zogen Sabine Bergmann-Pohl, Roland Drews, Andreas Apelt und Gisela Schurath ein. Der Parteivorstand der bisherigen West-CDU blieb unverändert.
Bevor der CDU-Vereinigungsparteitag nach kurzer Pause in eine Landesvertreterversammlung überging, beschäftigten sich die Delegierten mit einer ganzen Reihe von Anträgen. Fast ohne Gegenstimmen entschieden die Delegierten, ihre Bundespartei aufzufordern, den gesamtdeutschen Vereinigungsparteitag am 1. und 2. Oktober nach Berlin zu verlegen. Etwas turbulenter ging es da schon bei anderen Antragen zu. Landesvorsitzender Eberhard Diepgen gelang es, den Antrag, das Stadtschloss wieder aufzubauen, an den Landesvorstand zur Beratung zu überweisen. Seine Argumentation, dass angesichts der Kosten für den Abriss des Palastes der Republik und zum Wiederaufbau des Schlosses die Bürger vorerst kaum Verständnis für ein solches Vorgehen hätten, überzeugte wohl die meisten.
Heftige Kritik der Frauen an den Männern
Hart gingen die CDU-Frauen mit ihren Männern ins Gericht. Die Frauenunion wollte erreichen, dass künftig in allen Vorständen und Gremien ein Frauenanteil von 40 Prozent berücksichtigt wird. Heraus kam schließlich, auf dem nächsten Parteitag das Frauenthema in den Mittelpunkt zu rücken und in dem Zusammenhang auch die Satzung zu diskutieren. Die CDU-Abgeordnete Hanna Renate Launen haue zuvor erklärt, dass es in der Partei Punkte geben würde, wo Wirklichkeit und Theorie auseinanderklafften. Im übrigen seien "die Ostler noch mehr Macho als die Westler".
Wenig Spannung gab es letztlich bei der Wahl der Kandidaten für den Deutschen Bundestag. Mit überwältigender Mehrheit entschied sich die CDU dafür, die Volkskammerpräsidentin Sabine Bergmann-Pohl auf den Platz der Landesliste Berlin zu setzen gefolgt von Gabriele Wiechatzek und Peter Kittelmann. Mit einiger Überraschung registrierten Beobachter das von lautstarkem Jubel begleitete Ergebnis für Heinrich Lummer: Listenplatz 4. Der zum rechten Rand der CDU zu rechnende Politiker hatte in den letzten Jahren durch Skandälchen auf sich aufmerksam gemacht. Er hatte unter anderem rechten Randgruppierungen Geld gespendet. Zu Stichwahlen kam es bei der Aufstellung der Bundestagskandidaten aus Ostberlin. So konnte sich der amtierende Finanzminister der DDR und CDU-Schatzmeister Werner Skowron gegen den amtierenden DDR-Verkehrsminister Horst Gibtner für den Listenplatz 6 durchsetzen.
(Berliner Zeitung, Mo. 10.09.1990)