Ostberlin. Reuter/dpa/BZ Der Streit in der DDR-Regierung darüber, ob die Volkskammer schon am Sonntag den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik mit Wirkung zum 1. Dezember erklären soll, ging auch gestern weiter. Die Liberalen drängen auf eine vorzeitige Beitrittserklärung. Ministerpräsident Lothar de Maizière (CDU) lehnte dies ab.
Mit ihrem Entschluss, heute [19.07.] in der Volkskammer einen Antrag zum Beitritt der DDR zur Bundesrepublik einzubringen, hatte die liberale Fraktion die Regierungskoalition unter Entscheidungsdruck gesetzt. Der Antrag, bis zum Beginn der parlamentarischen Sommerpause den Beitritt mit Wirkung zum 1. Dezember zu erklären, zielt unter anderem auf einen einheitlichen Modus für die gesamtdeutschen Wahlen am 2. Dezember. Die Liberalen begründen ihren Vorstoß unter anderem damit, dass alle im Zusammenhang mit der Strukturanpassung der DDR-Wirtschaft an die Marktwirtschaft entstehenden Fragen nur unter dem Dach eines einheitlichen Verfassungs- und Rechtsrahmens lösbar seien. Außerdem würde eine solche Erklärung zur Stabilität im Lande beitragen.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Liberalen, Lehment, äußerte gestern gegenüber Journalisten, er sehe Mehrheiten für den Antrag seiner Fraktion. Er setze auch auf die Zustimmung der CDU, die sich in der Fraktion bereits abzeichne. Die CDU-Fraktion hatte am Dienstagabend zunächst erklärt, sie wolle dem Antrag der Liberalen zustimmen, dann aber nach einer Intervention von de Maizière, der verfassungsrechtliche Bedenken geltend machte, von einem endgültigen Beschluss Abstand genommen.
"An der Haltung des Ministerpräsidenten hat sich nichts verändert", sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Angela Merkel gestern nach der Kabinettssitzung. Berichte, dass Lothar de Maizière in der CDU-Fraktionssitzung mit Rücktritt gedroht habe, könne sie nicht bestätigen.
Die SPD hat unterdessen begrüßt, dass sich in der CDU-Fraktion eine Kompromissbereitschaft zum Beitritt zum Geltungsbereich des Grundgesetzes am 1. Dezember 1990 andeute. Auch die Zustimmung der CDU zur Fünf-Prozent-Klausel betrachte die SPD "als einen bedeutsamen Schritt in Richtung auf einen Konsens" in dieser wichtigen Frage.
Um im Streit um den Beitrittstermin innerhalb des Regierungslagers auf einen Nenner zu kommen, war für den späten gestrigen Abend noch eine Koalitionsrunde angesetzt worden.
(Berliner Zeitung, Do. 19.07.1990)
Berlin (NZ/dpa). Ein Antrag der Fraktion der Liberalen, noch vor der Sommerpause den Beitritt nach Artikel 23 mit Wirkung zum 1. Dezember zu erklären, kommt möglicherweise doch nicht auf die Tagesordnung der heutigen Volkskammersitzung, wie von der CDU bekannt wurde.
Ministerpräsident Lothar de Maizière (CDU) beharrt weiterhin auf einem Beitritt der DDR erst nach gesamtdeutschen Wahlen, die vermutlich am 2. Dezember stattfinden werden, sowie auf getrennten Wahlgebieten. "An der Haltung des Ministerpräsidenten hat sich nichts verändert", sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Angela Merkel am Mittwoch nach der Kabinettssitzung. Berichte, dass Lothar de Maizière in der CDU-Fraktionssitzung mit Rücktritt gedroht habe, könne sie nicht bestätigen.
Von CDU-Fraktionsseite wurde bekannt, dass de Maizière seinen Parteifreunden sehr energisch seine Position in Sachen Beitritt und Wahlmodus verdeutlicht habe. Ein Teil der CDU-Fraktion hatte inzwischen Sympathien dafür gewonnen, dem Beitritt am 1. Dezember zuzustimmen. De Maizière hatte dem Vernehmen nach in der Sitzung auch klargestellt, dass eine andere politische Linie in Sachen deutscher Einigung mit ihm nicht zu machen sei. Dies haben einige Mitglieder offenbar als Rücktrittsdrohung bewertet CDU-Partei- und Fraktionssprecher Helmut Lück sagte dpa, er rechne nicht damit, dass der Antrag der Liberalen am Donnerstag ins Parlament kommt.
Der DDR-Koalitionsausschuss mit den Fraktionschefs der Regierungsparteien und dem Ministerpräsidenten will kurzfristig zu einer Sitzung zusammenkommen, um zu einer Lösung in der umstrittenen Beitrittsfrage zu gelangen. Wann dieses Treffen stattfindet, war am gestrigen Abend noch nicht klar.
(Neue Zeit, Do. 19.07.1990)
Im Präsidium der Volkskammer scheitert der Versuch der liberalen Fraktion für die Sitzung der Volkskammer einen Tag später einen Antrag auf einen Beitritt zur BRD zum 1. Dezember auf die Tagesordnung zu bringen. Die liberale Fraktion behält sich vor, durch einen Kampfabstimmung am Freitag im Volkskammerplenum doch noch auf die Tagesordnung zu setzen. der unverzügliche Beitrittsbeschluss sei unverzichtbar, wird in einer Erklärung betont.
Der Staatssekretär im DDR-Außenministerium, Frank Tiesler (DSU), sagte, der in der Volkskammer am 17.06. behandelte Antrag der DSU auf bedingungslosen Sofortbeitritt sei missverstanden worden. Sie streben einen Beitritt zum 3. Dezember, einen Tag nach der Wahl, an. Gedacht gewesen sei immer nur an eine Absichtserklärung mit dem Ziel eines Beitritts nach der Wahl.