Zur Begegnung zwischen Vertretern des Freundeskreises Wehrdiensttotalverweigerer (FWTV) und Mitarbeitern des Verteidigungs- und Abrüstungsministeriums am 6. 7. 90 weist der Freundeskreis darauf hin, dass bei dem einstündigen Meinungsaustausch, der auf Initiative des FWTV und Rainer Eppelmanns zustande gekommen war, konträre Standpunkte über Militär, Rüstung, Wehrpflicht in Berlin und eine allgemeine Dienstpflicht ausgetauscht wurden. Eine Belehrung der Totalverweigerer, ihre Positionen angesichts der "neuen gesellschaftlichen Verhältnisse in der DDR" zu überdenken, wie eine ADN-Pressemitteilung darstellt, fand nicht statt.
Eppelmann unterstrich, dass er immer noch der Meinung sei, dass eine Gesellschaft Gewissenstäter brauche. Er fragte an, ob die Veränderungen in der DDR die Entscheidung der anwesenden Verweigerer beeinflusst hätten oder nicht. Auf dem Wege der Verabschiedung sei ein Dienstpflichtgesetz, das im Unterschied zu entsprechenden Gesetzen in der BRD ein "Oder" enthält. d. h. grundsätzlich könne zwischen Wehrdienst oder Zivildienst entschieden werden.
Vertreter der Totalverweigerer äußerten, dass für sie nach wie vor keine Beteiligung an Konfliktlösungen mit militärischen Mitteln in Frage komme, ebenso nicht an Ersatzdiensten bzw. einer (Zwangs-)Dienstpflicht, die zumal noch mit der Wehrpflicht in Zusammenhang stehe. Das neue Dienstpflichtgesetz wurde gar als Verschärfung bezeichnet, da es Assoziationen mit dem Arbeitsdienst im Dritten Reich wachrufe.
"Ich kann mit Totalverweigerern leben", erklärte NVA-Chef Hoffmann. Allerdings spiele die NVA eine gewichtige Rolle im europäischen Sicherheitssystem und für die Abrüstungsverhandlungen in Wien. Sie könne deshalb nicht abgeschafft werden. In den letzten zwölf Monaten sei die NVA um 70 000 Mann reduziert worden. Die Kürzungen um 46 Prozent im DDR-Verteidigungshaushalt suchten im internationalen Vergleich ihresgleichen.
Die Verweigerer hingegen beklagten auch Defizite bei der ideellen Abrüstung und dem Verschwinden militaristischer Strukturen in der Gesellschaft. Stichworte waren gewaltfreies Training? soziale Verteidigung.
Vereinbarungen mit Stoltenberg, Deserteure gegenseitig auszuliefern, gebe es nicht.
Eppelmann äußerte, die Bezeichnung "Kriegsminister" tue ihm weh. Den Satz "Stell dir vor, es ist Krieg, und keiner geht hin" würde er auch heute noch an seine Garage schreiben.
(Neue Zeit, Mi. 11.07.1990)
Die neuen gesellschaftlichen Verhältnisse in der DDR und in anderen osteuropäischen Ländern seien ein gewichtiger Grund für jeden Totalverweigerer, die persönliche Position zu überdenken. Diese Meinung vertrat der DDR-Abrüstungs- und Verteidigungsminister, Rainer Eppelmann, am Freitag in einem Gespräch mit Vertretern des Freundeskreises Wehrdiensttotalverweigerer in seinem Amtssitz in Strausberg. Wie das Ministerium mitteilte, habe Eppelmann erneut unterstrichen, dass er jeden jungen Menschen verstehe, der aus Gewissensgründen handele. Doch gebe es bei der Umwandlung der NVA zu ausschließlich defensiven Strukturen "bereits bedeutsame Ergebnisse". Eppelmann hatte in den sechziger Jahren selbst den Wehrdienst verweigert.
(Berliner Zeitung, Sa. 07.07.1990)