Kirchenerklärung zum Obdach der Honeckers in Pfarrhaus

Das Konsistorium der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg hat die Bereitschaft zur Aufnahme des Ehepaares Honecker in das Pfarrhaus des Leiters einer diakonischen Einrichtung zustimmend zur Kenntnis genommen. Es sei nach der vom Stadtgericht Berlin verfügten Entlassung Erich Honeckers aus der Untersuchungshaft am 30.1.1990 faktisch obdachlos gewesen, da - laut Rechtsanwalt Vogel - außerhalb von Wandlitz keine Wohnmöglichkeit für das Ehepaar zu finden gewesen sei.

Grundsätzlich hält das Konsistorium dazu fest dass die Kirche "Herrn Honecker nicht der irdischen Gerechtigkeit entzieht". Seine strafrechtliche Verantwortung sei zu klären, es sei aber "kein gutes Zeichen für die ehemals führende Partei und Ihren Staat, dass die, die vor einigen Monaten diesem Mann zugejubelt haben, ihm heute den Lebensraum versagen". Die Empörung über die Entscheidung der Evangelischen Kirche - zum Beispiel bei ehemaligen Inhaftierten - sei verständlich, aber „wenn es in den vergangenen Jahrzehnten zu Unrechtsmaßnahmen und Menschenrechtsverletzungen durch die Politik der SED gekommen ist, dann doch auch deshalb, weil viele von uns Christen und Nicht-Christen geschwiegen haben, wo wir das Unrecht nicht hätten hinnehmen dürfen". Bei manchen Äußerungen mit Blick auf das Ehepaar Honecker könne man sich des Eindrucks nicht erwehren, "als ob Sündenböcke gesucht werden".

Propst Dr. Hans-Otto Furian wies im Anschluss an die Erklärung noch einmal auf nicht wenige "kritische Anrufe" im Konsistorium hin. Bei den meisten kirchlich Engagierten werde die Mehrheitsentscheidung des Konsistoriums aber verstanden. Die Unterbringung des Ehepaares in einer kirchlichen Einrichtung, die nach seinen Worten nicht befristet ist, sei tatsächlich die einzige Möglichkeit gewesen.
(Neues Deutschland, Do. 01.02.1990)