Demonstrationen, Kundgebungen und Dialogveranstaltungen Januar 1990


Mo. 01.01.
Mit mehreren hundert Anhängern veranstaltete die Sozialdemokratische Partei (SDP) am Abend des Neujahrstages in Karl-Marx-Stadt ihre erste diesjährige Kundgebung in Vorbereitung der für Mai geplanten Wahlen. Sprecher der Partei erklärten, die SDP werde sich im Wahlkampf auf die Traditionen der deutschen Sozialdemokratie stützen Die Partei wolle erreichen, dass Karl-Marx-Stadt 1990 wieder den Namen Chemnitz erhält. Mit schwarz-rot-goldenen Fahnen und entsprechenden Losungen sprachen sich die SDP-Anhänger für die Vereinigung beider deutscher Staaten aus. In scharfer Polemik wandten sich die Sprecher der SDP gegen Entscheidungen der Regierung der DDR. Zugleich setzten sie sich mit der Politik der SED-PDS und des FDGB auseinander.

Nach einem Gottesdienst wird in Annaberg demonstriert.

Armeeangehörige demonstrieren in Dresden und Leipzig.

Di. 02.01.
Demonstriert wird in Meißen und Suhl.

Mi. 03.01.
Rund 250 000 Berliner versammeln sich in den Abendstunden zu einer Demonstration am Ehrenmal in Berlin-Treptow. Sie folgen damit einem Aufruf der SED-PDS, des Komitees der Antifaschistischen Widerstandskämpfer, der DSF und anderer Parteien, Organisationen und Initiativen aus beiden Teilen der Stadt. Auf der Kundgebung, mit der die eine Woche zuvor angebrachten nationalistischen und antisowjetischen Schmierereien verurteilt werden, sprechen u. a. Gregor Gysi und Manfred Gerlach. Als brennende Aufgaben werden von ihnen genannt: ein starker Verfassungsschutz, antifaschistische Basisgruppen, ein Bildungswesen, das viel stärker humanistische Werte vermittelt, staatliche Autorität, wo immer Neonazis auftreten.

Demonstriert wird in Limbach-Oberfrohna.

Letzte der am 2. November 1989 begonnen Gesprächsrunden in Nordhausen.

Do. 04.01.
In Ribnitz-Damgarten ziehen Demonstranten vor das Haus der SED-PDS-Kreisleitung. Sie protestieren gegen die katastrophalen Zustände im Gesundheitswesen. Mit Erfolg wird gefordert, das Gebäude der Kreisleitung für eine Klinik zur Verfügung zu stellen.

Demonstriert wird auch in Erfurt und Gera.

Den Stopp von Müllimporten aus Berlin (West) und Stuttgart forderten Bürger Ketzins gestern bei einem Protestmarsch zur Deponie unweit der Stadt.

Sie blockierten für eine Stunde die Zufahrt zu dem 90 Hektar großen Gelände, auf dem seit 1977 Hausmüll, Filterkuchen aus Entgiftungsanlagen und andere Schadstoffe verbracht werden.

Die Deponie vor Ketzin liegt in einem Landschaftsschutz- und Naherholungsgebiet. 1974 wurde zwischen der DDR-Regierung und dem Senat von Berlin (West) ein Vertrag über ihre Nutzung für 20 Jahre abgeschlossen. Nach Recherchen der Bürgerinitiative ist der Standort auf Grund der Bodenverhältnisse völlig ungeeignet. Durch Salze und organische Substanzen würden Grund- und Oberflächenwasser erheblich belastet.

Umweltschützer aus der DDR und der Bundesrepublik haben am selben Tag vor der Deponie Schönberg erstmals gemeinsam gegen Mülltransporte aus der BRD in die DDR protestiert.

Armeeangehörige und Zivilbeschäftigte der Robert-Siewert-Kaserne Neuseddin fanden sich gestern zu einer Demonstration gegen Neofaschismus zusammen. Sie bekundeten ihren Willen zur Fortsetzung der Demokratisierung der DDR. Dieser Prozess sollte nicht durch Schönhuber und Co. gefährdet werden. Die Demonstranten verurteilten die Schmierereien und Schändungen auf Ehrenfriedhöfen der Sowjetarmee. Sie forderten eine intensivere Berichterstattung in den Medien der DDR über das Gesamtproblem Neofaschismus und seine geschichtlichen Wurzeln sowie konkrete Maßnahmen der Regierung gegen den Rechtsradikalismus.

Sa. 06.01.
Demonstrationen und Kundgebungen gibt es in zahlreichen Orten. So in Arnstadt, Aue, Dresden, Fürstenwalde, Greiz, Hartenstein, Plauen, Prenzlau und Seelow.

So. 07.01.
Zu einer Menschenkette wird zwischen 14.30 und 14.45 Uhr aufgerufen. In dem Aufruf heißt es: "Die Bürgerinitiativen des Eichsfelds haben zur Bildung einer Menschenkette von Hessen (Witzenhausen) durch das Eichsfeld nach Niedersachsen (Duderstadt) aufgerufen.

'Wir wollen Zeichen setzen' - diese Kette soll unseren festen Willen dokumentieren, dass wir für weitere Veränderungen auf friedlicher Basis diesseits der Grenze eintreten und unsere Zukunft nur zusammen mit unseren wiedergewonnen Nachbarn sehen. Deshalb sollten sich möglichst alle Bürger guten Willens, auch aus den angrenzenden Regionen Hessens und Niedersachsens, daran beteiligen."

In Neubrandenburg ruft die SED-PDS zu einer Demonstration auf.

Standesgemäß zum ersten Aktions- und Informationstag der Grünen Liga in Berlin im Haus der Jungen Talente, findet eine Fahrraddemo statt.

Mo. 08.01.
Friedensgottesdienste in vier Leipziger Kirchen gaben den Auftakt zu den Montagsdemonstrationen 1990 in der Messestadt.

Superintendent Friedrich Magirius begründete nochmals seinen am Runden Tisch geäußerten Vorschlag, die Begegnungen auf dem Ring künftig ohne Kundgebungen durchzuführen. Es müsse verhindert werden, dass wahltaktische Erwägungen den demokratischen Charakter dieser international geachteten Willensbekundung der Bürger belasten. Diesem Vorschlag folgten die Teilnehmer an der Demonstration nicht. Vor ihrem Beginn versammelten sich etwa 100 000 Menschen auf dem Karl-Marx-Platz.

Tausende riefen am Opernhaus vor dem sich in- und ausländische Fernseh- und Rundfunkstationen postiert hatten, "Deutschland einig Vaterland", "Gysi weg", "Modrow weg" und "Nieder mit der SED", sangen Lieder zur Wiedervereinigung.

Vermummte Linksextreme, die sich auf Mao bezogen, waren ebenso im Zug wie Vertreter der "Republikaner".

Gera. Mehrere tausend Einwohner der Bezirksstadt folgten am Montagabend einem Aufruf von SED-PDS, DFF, Bezirkskomitee der Antifaschistischen Widerstandskämpfer, Volkssolidarität, FDGB und DFD zu einer Demonstration gegen Antisowjetismus, Chauvinismus und Neofaschismus. Als Antwort auf die Schändung des sowjetischen Ehrenhains durch jugendliche Rowdys forderten sie, den Anfängen solcher Tendenzen zu wehren.

Weitere Demonstrationen fanden in Cottbus, Gadebusch, Neubrandenburg, Halle, Karl-Marx-Stadt, Frankfurt und Schwerin statt.

Friedensgottesdienste in vier Leipziger Kirchen gaben den Auftakt zu den Montagsdemonstrationen 1990 in der Messestadt.

Superintendent Friedrich Magirius begründete gegenüber ADN nochmals seinen am Runden Tisch geäußerten Vorschlag, die Begegnungen auf dem Ring künftig ohne Kundgebungen durchzuführen. Es müsse verhindert werden, dass wahltaktische Erwägungen den demokratischen Charakter dieser international geachteten Willensbekundung der Bürger belasten. Diesem Vorschlag folgten die Teilnehmer an der Demonstration nicht. Vor ihrem Beginn versammelten sich etwa 100 000 Menschen auf dem Karl-Marx-Platz.

Tausende riefen am Opernhaus, vor dem sich in- und ausländische Fernseh- und Rundfunkstationen postiert hatten, "Deutschland einig Vaterland", "Gysi weg"." "Modrow weg" und "Nieder mit der SED", sangen Lieder zur Wiedervereinigung. SDP, CDU, CSPD und weitere Parteien und Gruppierungen warben mit Flugblättern für ihre Politik. Tenor ihrer Wahlaussagen war: Keine sozialistischen Experimente mehr! Freie Wahlen gegen Links- und Rechteradikale!

Vermummte Linksextreme, die sich auf Mao bezogen, waren ebenso im Zug wie Vertreter der "Republikaner", die mit schwarzer Schrift auf gelbem Grund "Wiedervereinigung jetzt, Volksabstimmung in Ost und West" forderten.

Für freie Gewerkschaften und Streikrecht demonstrierten am Abend mehr als 50 000 Einwohner von Karl-Marx-Stadt. Auf einer Kundgebung setzten sich Vertreter des Neuen Forums, des Demokratischen Aufbruchs, der Grünen Partei und der SDP dafür ein, den Werktätigen in den Betrieben fortan allseitige demokratische Mitbestimmung zu sichern. Ohne freie, unabhängige Gewerkschaften gäbe es keine Demokratie. Im Anschluss zogen die Demonstranten mit Losungen wie "Einigkeit, Recht und Freiheit für Deutschland" und "Freie Wahlen" durch das Stadtzentrum.

Während einer friedlichen Demonstration auf dem Karl-Marx-Platz in Neubrandenburg verlangten Vertreter der SDP und des Neuen Forums Auskunft über das Vermögen und die Finanzierung der SED-PDS. Im Zusammenhang mit den Wahlen am 6. Mai sei Chancengleichheit notwendig.

In Bernburg wird gegen die Installierung eines Amtes für Nationale Sicherheit demonstriert.

Tausende gingen auch in Cottbus und Halle auf die Straße.

Demonstranten mit DDR-Fahnen werden in Karl-Marx-Stadt beschimpft und tätlich angegriffen. "Rote raus" und "Stasikinder" schallt ihnen entgegen.

Gegen Rechtsradikalismus und Missbrauch der jetzigen politischen Situation durch die SED-PDS wandten sich Teilnehmer an der Demonstration in Schwerin. Etwa 8 000 Einwohner folgten nach Augenzeugenschätzungen dem Aufruf des Neuen Forums, nach dem traditionellen Friedensgebet unter dem Leitgedanken der konsequenten Fortführung der friedlichen Revolution schweigend durch die Innenstadt zu ziehen. Einige Teilnehmer des friedlichen Marsches führten schwarz-rot-goldene Fahnen sowie Losungen für die Wiedervereinigung beider deutscher Staaten mit sich.

In der Kreisstadt Gadebusch gingen Hunderte Einwohner auf die Straße, um auf das Erfordernis einer neuen Umgehungsstraße aufmerksam zu machen.

Unter dem Motto "Rumänien mahnt" beteiligten sich Tausende Cottbuser an einer Demonstration, zu der die Initiativgruppe Neues Forum der Bezirksstadt aufgerufen hatte. In Sprechchören und auf Transparenten wandten sie sich gegen die SED-PDS, riefen "Stasi in die Produktion". Im Demonstrationszug wurden auch Schwarz-Rot-Goldene Fahnen ohne Emblem mitgeführt.

Di. 09.01.
Demonstriert wird in Bad Langensalza, Berlin, Erfurt, Greifswald, Meiningen, Meißen, Nordhausen, Penig, Rostock, Suhl, Weimar, Schwerin und Zwönitz.

Die ungehinderte Entfaltung einer privaten Klein- und mittelständischen Wirtschaft in der DDR forderten am Dienstag auf dem Marktplatz von Halle mehrere tausend Teilnehmer einer Kundgebung. Ihr Protest richtete sich gegen die zögerliche Politik von Regierung und Rundem Tisch, die bisher kaum auf die realen Bedürfnisse dieses Wirtschaftszweiges eingegangen seien. Sollte es dabei bleiben, wird für den 23. Januar ein ganztägiger Ausstand angedroht.

Mi. 10.01.
In mehreren Städten finden Demonstrationen und Kundgebungen statt. U. a. in Brandenburg, Herzberg und Magdeburg.

Do. 11.01.
Nach der Parlamentssitzung demonstrieren mehr als zehntausend Menschen gegen Überbrückungsgelder für ehemalige Stasi-Mitarbeiter und gegen Pläne, noch vor den Wahlen einen Verfassungsschutz einzurichten.

Nach Gebeten für Frieden und Gerechtigkeit in Erfurter Kirchen kamen am Donnerstagabend Zehntausende Bürger auf dem Domplatz zu einer Kundgebung zusammen. Sprecher des Erfurter Bürgerkomitees behaupteten, der Fortgang des Demokratisierungsprozesses würde durch die Restaurationspolitik der SED-PDS und ihres Sicherheitsapparates behindert. Mehrmals unterbrochen von Rufen "Nieder mit der SED", "Stasi weg" und "Wir sind das Volk", bekräftigte der Sprecher des Neuen Forums den Aufruf des Erfurter Bürgerkomitees zur Blockade der Volkskammer am Freitag 7 Uhr.

Gefordert wurde ferner die Aufklärung der Verbrechen der Staatssicherheit als Machtinstrument und deren Auflösung, die Entflechtung von SED-PDS und Staat vor allem auf kommunaler Ebene und die Auflösung aller Parteiorganisationen in Betrieben und Einrichtungen. Die Donnerstags-Demonstration werde künftig genutzt, die Bürger über den aktuellen Stand des Erfurter Runden Tisches zu informieren, wurde mitgeteilt.

Mehrere zehntausend Menschen demonstrierten am Donnerstagabend in Gera vor allem für Pressefreiheit. Nach einer lautstarken Ansammlung vor der "Volkswacht" dem Organ des Bezirksvorstandes der SED-PDS, löste sich die Demonstration friedlich auf.

Demonstriert wird auch in Erfurt und Rostock.

Fr. 12.01.
In Gotha findet die freitägliche Demonstration mit Kundgebung auf dem Hauptmarkt statt.

In Spechtsbrunn wird gegen die SED-PDS demonstriert.

Sa. 13.01.
Nach einer Demonstration durch die Merseburger Innenstadt kamen am Sonnabend etwa 8 000 Bürger auf dem Marktplatz zu einer Kundgebung für den Umweltschutz in diesem hochbelasteten Industriekreis zusammen. Auf Plakaten und Transparenten waren Losungen zu lesen wie "Leuna-Buna: Mit erfüllten Plänen in den Öko-Kollaps!", Abwässer der Papierfabrik brechen der Saale das Genick", "Ein Volk kann man betrügen - die Natur nicht".

Konstruktiv wollen Wissenschaftler an der Losung der Umweltprobleme mitarbeiten, sagte ein Vertreter der Technischen Hochschule Leuna-Merseburg. Er schlug beispielsweise eine tiefgreifende ökologische Inventur, eine Sicherheitspartnerschaft zwischen Kombinaten, Betrieben und örtlichen Räten sowie die Schaffung eines Zentrums für Umweltmedizin Merseburg vor.

Die Umweltdemo wurde vom Neuen Forum Merseburg organisiert. Den Aufruf und das Anliegen unterstützten auch andere Parteien, so die Kreisvorstände der SED-PDS und der LDPD.

In Plauen findet die samstägliche Demonstration statt.

So. 14.01.
In der Gedenkstätte der Sozialisten in Berlin-Friedrichsfelde gedenken Hunderttausende den 1919 ermordeten Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Dafür hat die SED-PDS einen Satz umfassendes, damit unvollständiges Luxemburg-Zitat: "Die Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden", gewählt. Das Benutzen des Zitats führte zwei Jahre zuvor in Berlin noch zu Verhaftungen.

Berliner Sozialdemokraten wollen am Sonntag Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ehren. In einer Pressemitteilung, die dem ADN übergeben wurde, heißt es: "Sozialdemokraten in der DDR wahren ihre Traditionen. Am 14. Januar 1990 treffen wir uns um 14 Uhr auf dem Berliner Alexanderplatz und gehen zum Gedenkstein für die Gefallenen der Novemberrevolution im Friedrichshain."

Gegen die Politik der SED-PDS richtete sich am Sonntagnachmittag eine Kundgebung auf dem Magdeburger Domplatz, zu der das Neue Forum eingeladen hatte. Vertreter verschiedener oppositioneller Parteien und Gruppierungen forderten unter anderem die tatsächliche Auflösung und kontrollierbare Entwaffnung aller Dienststellen des ehemaligen MfS und seiner Nachfolgeeinrichtungen.

Im Anschluss an die friedliche Kundgebung zog ein Demonstrationszug zum Gebäude des Bezirksvorstandes der SED-PDS. Scheiben des Hauses wurden zerschlagen. Bürger drangen gewaltsam in die ehemalige Bezirksparteischule ein, die schon längere Zeit als Hotel genutzt wird.

In Karl-Marx-Stadt führt die SDP vor dem Rathaus und die SED-PDS vor dem Karl-Marx-Monument eine Kundgebung durch. Nachdem Teilnehmer der SDP-Kundgebung sich zur SED-PDS-Kundgebung begeben haben, kommt es dort zu tätlichen Auseinandersetzungen. Die Kundgebung wird abgebrochen.

Mo. 15.01.
Zehntausende Demonstranten folgen dem Aufruf des Neuen Forum und dringen am frühen Abend in die ehemalige Stasi-Zentrale in Berlin ein.

In zahlreichen Städten der DDR demonstrierten gestern Abend über eine halbe Million Bürger. Sie folgten einem Aufruf des Neuen Forum zu einer landesweiten Aktion gegen die Restaurationspolitik der SED und ihres Sicherheitsapparates.

Demonstrationen wurden aus Berlin, Cottbus, Dresden, Erfurt, Frankfurt (Oder), Halle, Karl-Marx-Stadt, Leipzig, Magdeburg, Neubrandenburg, Potsdam, Rostock und Stralsund gemeldet. Die übergroße Mehrheit der Teilnehmer sprach sich für eine gewaltfreie Fortsetzung des Demokratisierungsprozesses aus.

In Jena, Gera und Zwickau forderten Tausende ein Ende der restaurativen Bestrebungen der SED-PDS, die bedingungslose Auflösung des Amtes für Nationale Sicherheit und die Einstellung der Überbrückungszahlungen für ehemalige Mitarbeiter.

Dem Aufruf des Neuen Forum zu einer landesweiten Aktion gegen die Restaurationspolitik der SED und ihres Sicherheitsapparates, schließen sich in Luckau mehre Parteien und Gruppierungen an. Es findet eine Kundgebung und Schweigemarsch statt.

Auf der Demonstration in Spremberg wird die Auflösung des Amtes für Nationale Sicherheit, die Offenlegung der Finanzen der SED und die Bestrafung der SED-Führung gefordert. Außerdem wird zur Bekämpfung von Rechts- und Linksradikalismus aufgerufen. Der Vertreter des Neuen Forum spricht sich für die Gründung der Deutschen Forumpartei aus.

Für die schnelle Einheit wird sich auf der Kundgebung nach der Demonstration in Weißwasser ausgesprochen.

Auch in Karl-Marx-Stadt wird die deutsche Einheit als Ziel genannt. Es wird sich gegen Überbrückungsgelder für ehemalige Mitglieder der Staatssicherheit ausgesprochen. Am Tag der Volkskammerwahl am 6. Mai soll ein Volksentscheid über den Namen der Stadt durchgeführt werden. Dafür spricht sich die Initiative "Für Chemnitz" aus. Eine zeitgleiche Abstimmung mit der Volkskammerwahl wird nicht zugelassen.

Auch in Altenburg, Dingelstädt, Gehren, Ilmenau und Sondershausen gehen Demonstranten gegen die SED-PDS auf die Straße.

In Bernburg ziehen die Demonstranten zum Marktplatz.

Di. 16.01.
Demonstriert wird in Cottbus und Graal-Müritz.

Do. 18.01.
In Erfurt und Gera und Rostock finden Demonstrationen statt.

"Auch wir Sportler sind das Volk." Mit dieser Losung bekundeten gestern Abend in Halle auf der ersten Demonstration für den Erhalt des Sports in der DDR Tausende Aktive, Trainer, Übungsleiter und sportinteressierte Bürger leidenschaftlich, dass die Erneuerung der Gesellschaft in der Republik keinen Bogen um den Leistungs- und Massensport machen darf. Mit starkem Beifall unterstützten die Teilnehmer der Demonstration die Forderung an die Regierung Modrow nach einem Sportgesetz, das noch vor den Wahlen am 6. Mai beschlossen werden sollte.

Grund für diese Demonstration war die Schließung von über 50 Sportgemeinschaften im Bezirk Halle, 190 sind wegen fehlender Finanzierung ohne Leitung. Der Appell richtet sich auch an die Betriebe, die ihren Werktätigen in den Sportgemeinschaften keine Zukunft mehr geben wollen. Zudem verlangten die Demonstranten, künftig mehr für den Massensport zu tun.

Sa. 20.01.
Das Wort der Bauern bei der Erneuerung des Landes mehr zu beachten, forderten am Sonnabend die etwa 10 000 Teilnehmer einer Bauerndemonstration in Neubrandenburg. Die auf dem Karl-Marx-Platz im Zentrum der Bezirksstadt versammelten Vertreter dieses Berufszweiges aus den Dörfern zwischen Haff und Plauer See sowie Neubrandenburger Einwohner waren dem Aufruf der Genossenschaftsbauern aus der LPG Blankensee im Kreis Neustrelitz zu dieser Kundgebung gefolgt. Unterstützung kam von etablierten und neuen Parteien sowie dem "Neuen Forum" und anderen Gruppierungen. Die Teilnehmer führten Transparente mit sich, auf denen unter anderem zu lesen war: "Die Demokratisierung geht nicht ohne uns Bauern", "Wir fordern reale Preise für unsere Produkte" oder "Wo bleibt das Bauernwort am Runden Tisch?".

Gesundheitsminister Prof. Dr. Klaus Thielmann will am Donnerstag eine Regierungsvorlage in den Ministerrat zu neuen tariflichen Regelungen für Ärzte und Schwestern einbringen. Danach soll ab März 1990 ein neues Tarifsystem im Gesundheits- und Sozialwesen wirksam werden. Dies erklärte er am Sonnabend in Berlin vor den 2 000 bis 3 000 Teilnehmern einer Demonstration, zu der der Rudolf-Virchow-Bund - Unabhängiger Ärzteverband der DDR - aufgerufen hatte. Die Forderungen des Ministers zielen auf eine Verdoppelung der Gehälter. Die dazu notwendigen 1,9 Milliarden Mark sollen, so Thielmann, dem Etat des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit von 3,8 Milliarden Mark entnommen werden. Verschiedene Redner hatten sich zuvor kritisch mit der vergangenen und gegenwärtigen Gesundheits- und Sozialpolitik auseinandergesetzt.

Besondere Kritik wurde an den geplanten Ausgleichszahlungen für ehemalige Ärzte des Ministeriums für Staatssicherheit geäußert sowie über die Verschleppung der Entscheidung zum ehemaligen Regierungskrankenhaus. Aus der Menge wurden Forderungen nach Rücktritt des Ministers geäußert.

Im Anschluss formierte sich ein Demonstrationszug, der durch das Stadtzentrum zur Volkskammer und anschließend in Richtung Ministerrat führte, angeführt von mehreren Krankenwagen mit Sondersignalen.

Der neugegründete Virchow-Bund (Ärztevereinigung) ruft für Sonnabend, 10 Uhr, vor dem Ministerium für Gesundheitswesen in der Rathausstraße zu einer Demonstration auf. Die Teilnehmer treten ein für die Demokratisierung des Gesundheitswesens, für ein einheitliches Gesundheitswesen ohne Privilegien, für Fachkompetenz statt Parteienhörigkeit und für den Einsatz materieller Mittel des ehemaligen MfS in der Medizin. Das Regierungskrankenhaus soll in das Klinikum Buch eingegliedert werden.

Für starke und unabhängige Gewerkschaften demonstrierten am Sonnabendvormittag auf dem Platz der Akademie einige hundert Gewerkschafter. Sie waren einem Aufruf des Komitees für Selbstbestimmung "Aufbruch `90" gefolgt, zu dem sich Gewerkschafter aus 17 Berliner Betrieben zusammengeschlossen haben. Unter den Teilnehmern und Rednern der Kundgebung waren neben Vertretern von Gewerkschaftsorganisationen aus Betrieben der Hauptstadt und anderen Orten der DDR auch ausländische Gäste. Ruth Martin, einer der drei Sprecher von "Aufbruch '90", bekräftigte die Forderung, das Recht auf Arbeit und soziale Sicherheit in der DDR auch weiterhin zu garantieren. Geplante Reformen dürften nicht hinter dem Rücken der Gewerkschaften, sondern müssten mit ihnen unter Wahrung der sozialen Errungenschaften durchgeführt werden. Dazu müsse eine kampffähige gewerkschaftliche Dachorganisation geschaffen werden. Nur starke und vereinte Gewerkschaften seien in der Lage, die Interessen und Rechte der Werktätigen durchzusetzen.

2 000 betroffene Bürger demonstrierten in Klitten gegen die Zerstörung ihrer Gemeinde durch vorrückende Tagebaue ab 1993. Auf ihrer Umwelt-Demo forderten die Sorben den Erhalt der Lausitz und ihres traditionellen Siedlungsraumes.

Mit Forderungen nach Abtreten und Auflösen der SED-PDS zogen unter schwarzrotgoldenen Fahnen am Sonnabendnachmittag rund 35 000 Bürger zum Plauener Rathaus.

Die erste Müll-Demo erlebte [Berlin-]Marzahn am Sonnabendvormittag. 200 Bürger setzten sich für eine umweltfreundliche Müllbeseitigung ein.

In Dresden und Halle gingen am Wochenende Zehntausende Sportler und Sportanhänger auf die Straße, um für den Erhalt und die weitere Förderung des DDR-Sports zu demonstrieren.

Demonstriert wird in Finsterwalde.

So. 21.01.
Mitarbeiter des Handels und der Gastronomie demonstrierten am Sonntag in Cottbus, Dresden, Hoyerswerda und Schwerin gegen unzureichende Arbeits- und Lebensbedingungen in ihrem Bereich und forderten, die lohnpolitische Vernachlässigung endlich aufzugeben.

Symbolisch in einem sogenannten Probelauf verließen am Sonntagnachmittag über 50 000 Einwohner des Eichsfelds ihre Heimat. Mit Koffern, Rucksäcken und Reisetaschen demonstrierten sie von Teistungen bei Worbis zur grenznahen niedersächsischen BRD-Gemeinde Gerblingerode. Damit folgten sie einem Aufruf der CDU, die die Losung verbreitet "wer die SED wählt - wählt die Massenflucht". Auf Spruchbändern und Gepäckstücken erklärten die Eichsfeldbewohner: "Heute kommen wir noch einmal wieder!" und "Wenn die SED-Regierung bleibt, geben wir die Heimat auf! Sprechchöre ertönten: "Nieder mit der SED!"

Demonstriert wird in Pirna. Aufgerufen vom Neuen Forum und der SPD.

Mo. 22.01.
Leipzig Die radikale Weiterführung des Demokratisierungsprozesses in unserem Land forderten am Montagabend in Leipzig weit über 100 000 Bürger. Sie hatten sich zum Auftakt ihres kilometerlangen Marsches durch den Ring um das Stadtzentrum auf dem Platz zwischen Oper und Gewandhaus versammelt. Dabei bestimmten schwarz-rot-goldene Fahnen das äußere Bild. In Sprechchören und auf Transparenten wurden vor allem die deutsche Einheit sowie der rigorose Bruch mit dem einstigen Herrschaftssystem der SED gefordert.

Vertreter von oppositionellen Parteien und Gruppen sprachen sich für zügigen Fortgang der Demokratisierung sowie gegen Links- und Rechtsradikalismus aus. Die widersprüchlichen Meinungen der Demonstranten widerspiegelten sich in der Tatsache, dass selbst Warnungen vor einer sozialen Gefährdung durch übermäßigen Einfluss kapitalistischer Unternehmer von einem Teil der Zuhörer mit Pfiffen und Rufen "Rote aus der Demo raus" beantwortet wurden, andererseits aber ein Aufruf zur Besonnenheit und Respekt vor andersdenkenden Minderheiten durchaus Beifall erhielt.

Wie schon in den zurückliegenden Wochen waren wiederum Anhänger der Republikaner zu beobachten, die Handzettel und Plakate verteilten.

Halle Nach einer friedlichen Demonstration durch die Innenstadt von Halle fanden sich am Montagabend Zehntausende Hallenser vor dem Fahnenmonument auf dem Hansering zu einer Kundgebung zusammen. Die Veranstaltung war diesmal von der Grünen Partei getragen. Ihr Vertreter Henry Schramm forderte ein Aktionsbündnis aller politischen Kräfte, Gruppierungen und Bürgerbewegungen für die Lebensinteressen der Einwohner der Saalestadt. Es werde viel geredet, doch nichts getan. Tatsachen seien jetzt gefragt. Der Redner verwies auf zahlreiche Betätigungsfelder, so auf die Müllentsorgung und Stadtreinigung. Er forderte vom Rat der Stadt, das vorgesehene Wohnungsamt schnellstens einzurichten.

Vom Ruf nach Toleranz und Fairness in Potsdam bis zum "Rote raus!" in Dresden reichte das Spektrum der Meinungen auf weiteren Demonstrationen, an denen sich auch in Cottbus, Schwerin, Karl-Marx-Stadt, Suhl, Magdeburg und Berlin zahlreiche Bürger beteiligten.

Weit über 200 000 DDR-Bürger beteiligten sich in zahlreichen Städten an den schon traditionellen Montagsdemonstrationen. Die größte Zahl war wiederum in Leipzig auf der Straße, wo sich mehr als 100 000 Menschen versammelten.

Die aus vielen Orten angereisten Teilnehmer wurden mit Losungen von SPD, CDU, Demokratischem Aufbruch und anderen konfrontiert. Vorherrschende Themen waren die Ausgrenzung der SED-PDS und der Wunsch nach deutscher Einheit. "Nieder mit der SED" wechselte sich mit Parolen wie "Deutschland, Deutschland!" und der Forderung nach "Volksentscheid für Einigkeit!" ab. Hunderte schwarz-rot-goldene Fahnen, Plakate zur Auflösung und Enteignung der SED-PDS bestimmten das Bild, das zahlreiche in- und ausländische Massenmedien übertrugen.

Eine von vorwiegend jungen Linken betriebene "Gegen-Demo" setzte - nach einer ersten Begegnung mit den Demonstranten vor der Thomaskirche - ihren Marsch in entgegengesetzter Richtung der Hunderttausend fort. Zunehmend erregten sie Missfallen der für deutsche Einheit und gegen "Rote" Demonstrierenden. Vor dem Komplex der Leipziger Universität kam es zur regelrechten Hetzjagd auf die etwa 100 jungen Leute, die sich mit Sprechchören, DDR-Fahnen und Transparenten für linke Positionen bekannten. Eine größere Gruppe aus dem Zug der Montagsdemonstration beschimpfte die Flüchtenden, die sich schließlich in die Uni-Mensa retteten. Augenzeugenberichten zufolge sei es nur dem Auftreten eines Pfarrers zu verdanken gewesen, dass die brisante Situation nicht eskalierte und gewalttätig endete. Er zollte den jungen Linken Mut für ihr Auftreten, gab jedoch zu bedenken, ob dies der rechte Ort und Zeitpunkt für das Bekunden solcher Meinungen sei.

Nahezu ausschließlich schwarz-rot-goldene Fahnen ohne Emblem waren auch in Dresden zu sehen, wo mehrere Zehntausend demonstrierten. Auch dort waren Anti-SED-PDS-Losungen vorherrschend. In Cottbus ging es den Demonstranten neben der Einheit Deutschlands und der Auflösung der SED-PDS in erster Linie um den Umweltschutz.

Ein totaler Ausfall der Mikrofontechnik zwang die Organisatoren der ersten "Berliner Montagsdemo" dieses Jahres zum Abbruch der geplanten Veranstaltung auf dem Alexanderplatz. Hunderte von Berliner Bürgern hatten sich am Montagabend vor der Weltzeituhr versammelt, um Näheres über Programme und Ideen der neuen politischen Parteien und demokratischen Bewegungen zu erfahren. Zahlreiche Demonstranten waren mit selbstgefertigten Plakaten und Transparenten erschienen. Darauf wurde massiv gefordert, der SED-PDS am 6. Mai keine Stimme zu geben.

Als nach einer halben Stunde Mikrofon und Lautsprecher ausfielen, bat ein Sprecher des Bürgerkomitees "Berliner Montagsdemo" die Anwesenden, am kommenden Montag erneut um 18 Uhr auf dem Alex zu erscheinen.

Vor Beginn der 9. Beratung des Runden Tisches machten Vertreter von Bürgerkomitees auf sich aufmerksam. Mit ihrer Demonstration vor dem Tagungsgebäude wollten sie ihre Teilnahme am Runden Tisch erwirken.

Zunächst vor, später im Dessauer Rathaus versammeln sich Schüler. Gefordert wird allgemeiner Englischunterricht. Kritisiert wird der Unterricht in der Produktion sowie die Staatsbürgerkunde.

Auch auf einer Demonstration von Schülern in Heiligenstadt wird die Abschaffung der Staatsbürgerkunde gefordert.

Der montägliche Demonstrationszug in Bernburg bewegt sich zum Marktplatz.

Di. 23.01.
Demonstriert wird in Calau auf dem Marktplatz.

So mancher private Handwerksbetrieb in Berlin blieb gestern Nachmittag zu, weil es Meister und Angestellte zum Roten Rathaus zog. Dort ging es auf einer Protestdemonstration um die berechtigten Forderungen der Handwerker und Einzelhändler nach echter Gewerbefreiheit, leistungs- stimulierender Besteuerung und gerechter Entlohnung. Mit Vehemenz setzten sich die Redner für kurzfristige Entscheidungen der Regierung ein, die dem privaten Handwerk günstigere Entwicklungsmöglichkeiten bieten und eine am Markt orientierte Gewerbepolitik fördern. Viel Beifall gab's für die Mitteilung, dass nach dem 1990 zu erwartenden neuen Steuergesetz auch mithelfende Familienmitglieder nach einem festen Tarifsystem entlohnt werden.

Mi. 24.01.
Blaulicht und Martinshorn kündeten gestern Nachmittag in der Leipziger Innenstadt lautstark und weithin sichtbar von einer Demonstration von 3 000 Volkspolizisten der Messestadt und des Landkreises. Sie bekundeten ihren Willen zur Sicherheitspartnerschaft mit allen demokratischen Kräften und zum Abbau des Misstrauens der Bevölkerung gegenüber der VP. Die Polizisten führten Transparente mit Aufschriften wie "Auch wir sind das Volk", "Für eine demokratische Polizei", "Kriminalpolizei ist keine Stasi" und "Auch wir wurden betrogen" mit.

Der vom Hauptbahnhof kommende Zug sammelte sich auf dem Leipziger Markt. Dort forderten die VP-Angehörigen auf einer Kundgebung die Stellungnahme der Verantwortlichen für den Einsatz gegen das Volk am 2. und 7. Oktober vergangenen Jahres, schnellste Klärung der Ereignisse dieser Tage mit schonungslosem Aufdecken der Hintergründe und Hintermänner und Bestrafung der wahren Schuldigen. Sie verwahrten sich gegen globale Beschuldigung aller Polizisten und forderten durchschaubare, gesetzliche Grundlagen für ihre Arbeit.

In Zittau äußerten zu gleicher Stunde Mitarbeiter des Gesundheitswesens Forderungen der rund 1 000 Beschäftigten dieses Bereichs. Unter der Losung "Statt Streik Demo" verlangten sie mit einem, Sternmarsch von ihrem Ministerium die Revidierung eines im Dezember gefassten Beschlusses zur "Schichtstimulierung", dafür eine schnellstmögliche und alle Beschäftigten umfassende Erhöhung der Grundgehälter. Während der gesamten Dauer sei die Not- und Grundbetreuung der Patienten gesichert gewesen.

Auf dem Gelände des Leipziger Bezirkskrankenhauses St. Georg demonstrierten Mitarbeiter des medizinischen, technischen und ökonomischen Bereichs. Die Aktion, die während der Besuchszeit stattfand, sollte auf den Notstand in der medizinischen Einrichtung hinsichtlich der Arbeitskräfte und der technischen Ausstattung aufmerksam machen. So fehlen zahlreiche Ärzte und Schwestern. An der Aktion nahmen nur Mitarbeiter teil, die dienstfrei hatten.

Rund 2 000 Lehrlinge Berliner Berufsschulen demonstrieren zum Ministerium für Bildung. 20 Vertreter sprechen schließlich mit dem stellvertretenden Minister Bodo Weidemann über ihre Forderungen. Zum Beispiel Erhöhung des Lehrlingsgeldes. Aufstockung des 24-Tage-Urlaubs, neue Lehrpläne. Bodo Weidemann erklärt sich daraufhin zu einem Gespräch mit Sprechern der Berufsschulen bereit.

Do. 25.01.
Donnerstag, 5.30 Uhr. Der Zugang zur Mülldeponie Schöneiche, Bezirk Potsdam, wird von Bürgern der Gemeinden Kallinchen, Gallun und Schöneiche gesperrt. Auf Plakaten und Spruchbändern verleihen sie ihrer Forderung Nachdruck: "Stoppt den Müllberg, den keiner will. Aus mit der Sondermüllverbrennung! Herr Kohl, wie verträgt sich Müll-Export in die DDR mit zugesagter Hilfe beim Umweltschutz? Giftmüll - stopp!"

Rund 5 000 Menschen demonstrieren in Dresden für bessere arbeits- und Lebensbedingungen im medizinischen Einrichtungen.

Demonstriert wird auch in Rostock. An der Demonstration in Erfurt beteiligt sich auch Wolf Biermann.

"Gegen bauliche und geistige Barrieren, für zugängliche Menschen und Gebäude" - unter diesem Motto stand eine Demonstration am Donnerstagabend vor dem Kino "International", die vorn Behindertenverband organisiert worden war. Mit ihrer Aktion protestierten die Behinderten gegen tägliche Erfahrungen mit Ausgrenzung und Aussonderung. Anlass der Demo war die Premiere des DEFA-Films "Rückwärtslaufen kann ich auch" von Karl Heinz Lotz, der die gleichen Probleme behandelt. Empörung hatte der Umstand ausgelöst, dass viele Rollstuhlfahrer von der Premiere ausgeschlossen bleiben sollten, weil das Kino die dafür nötigen Voraussetzungen nicht aufweist.

Sa. 27.01.
Für einen sofortigen unwiderruflichen Müllimportstopp zur Sondermülldeponie Schönberg trafen sich am Sonnabendvormittag etwa 2 000 Menschen aus Lübeck, Schwerin und Schönberg am Grenzübergang Selmsdorf. Vertreter des Neuen Forums und Teilnehmer des Runden Tisches Schönberg hatten gemeinsam mit der Lübecker Bürgerinitiative "Schönberg" und der Umweltschutzorganisation Robin Wood zur Demonstration aufgerufen. Auf Transparenten und Spruchbändern verlangten sie eine Schließung der Anlage, bis alle Sicherheitsdaten offengelegt sind und über die künftige Nutzung gemeinsam mit den Bürgerbewegungen und unabhängigen Gutachtern beraten wird.

So. 28.01.
Etwa 250 Personen versammelten sich in Leipzig hinter der Oper. Anlass war das Gerücht, die Republikaner wollen in einem Restaurant eine Gründungsversammlung abhalten. Die Versammelten begaben zu dem Restaurant und stellten fest, es gibt dort kein Treffen der Reps.

Mo. 29.01.
Erneut sind in Leipzig rund 100 000 Messestädter zur traditionellen Montagsdemonstration auf dem Karl-Marx-Platz zusammengekommen.

"Keiner wählt die SED" und "Deutschland einig Vaterland" waren die bestimmenden Akzente in Sprechchören sowie auf Transparenten. Eine einmütige Absage gab es auf der Kundgebung an jeglichen Rechts- und Linksradikalismus.

Zur Berliner Montagsdemo kamen mehrere hundert Menschen auf den Alex. Auf Plakaten wurde von der SED-PDS gefordert, alle Machtpositionen aufzugeben Einige Bürger fanden sich in der Nähe zu einer Gegendemonstration zusammen, um ihrer Meinung gegen die Bestrebungen nach Wiedervereinigung Ausdruck zu verleihen.

In Plauen nahmen Zehntausende an einer LDPD-Kundgebung teil, auf der der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Wolfgang Mischnick, sprach. Die Volkskammerwahl, sagte er, sei eine reale Chance, um den Sozialismus endgültig abzuwählen.

Leipzig. "Keiner wählt die SED" und "Deutschland einig Vaterland" waren bei der Leipziger Montagsdemonstration die bestimmenden Akzente in Sprechchören sowie auf Transparenten. Schwarz-rot-goldene Fahnen verliehen auf dem Karl-Marx-Platz der Forderung Nachdruck, die beiden deutschen Staaten so bald wie möglich zu vereinigen. Auf der Kundgebung mit rund 100 000 Teilnehmern wurde die deutliche Distanzierung von jeglichem Rechts- und Linksradikalismus bekundet.

Karl-Marx-Stadt. Schwarz-rot-goldene und weiß-grüne Fahnen beherrschten am Montag das Bild der Kundgebung in Karl-Marx-Stadt, der sich eine Demonstration durch die Innenstadt anschloß. Daran nahmen nach Angaben des Veranstalters, der Demokratischen Oppositionellen Plattform, etwa 85 000 Bürger aus der Bezirksstadt und Umgebung teil. Zahlreiche von ihnen mitgeführte Transparente und Plakate trugen die Aufschrift "Wählt die SED nie mehr, sonst ist Sachsen menschenleer" oder "Wer die SED wählt, wählt die Massenflucht".

Dresden. Fast 100 000 Menschen haben sich in Dresden an der Montagabend-Demonstration beteiligt. Zwei Forderungen wurden auf Transparenten und in Sprechchören tausendfach gestellt: ein vereinigtes Deutschland sowie die Achtung der SED-PDS und des ehemaligen SED-Machtapparates, deren Machenschaften mit denen des Nationalsozialismus verglichen wurden.

In Dresden findet anders als sonst keine Abschlusskundgebung statt. Während der Demonstration wird "Acht, neun zehn – Gysi muss gehen" gerufen. "Deutschland einig Vaterland", "Russen und Rote raus".

Rund 1 000 überwiegend jugendliche Neubrandenburger demonstrierten am Montag für Veränderungen im Land, die besonders der jungen Generation zugute kämen. Neben schwarz-rot-goldenen Fahnen ohne Staatsemblem wurden vor allem Losungen mitgeführt, die auf die Perspektivlosigkeit der Jugend im Land hinwiesen.

Vor rund 3 000 Personen spricht auf der SPD-Montagsdemonstration in Potsdam Herbert Schnoor von der SPD aus Nordrhein-Westfalen. Jetzt als Unterstützer für die ostdeutsche SPD aktiv.

Auch in Halle, Schwerin, Cottbus, Neubrandenburg, Potsdam und Magdeburg forderten Tausende ein geeintes Deutschland.

Zur ersten Berliner Montagsdemo dieses Jahres - die bereits vor einer Woche geplante Kundgebung war wegen technischer Störungen ausgefallen - haben sich mehrere hundert Berliner auf dem Alexanderplatz versammelt. Zu Beginn der Kundgebung appellierte ein Sprecher des veranstaltenden Bürgerkomitees "Berliner Montagsdemo", keine Provokationen zuzulassen. Redner verschiedener Parteien und Bewegungen informierten Ober Ziele und Programme ihrer Organisationen. Auf Plakaten wurde von der SED/PDS gefordert, alle Machtpositionen aufzugeben.

Einige Bürger fanden sich unweit zu einer Gegendemonstration zusammen, um ihrer Meinung gegen die Bestrebungen nach Wiedervereinigung zu verleihen.

Jugend in die Volkskammer. 29.01.1990 Berlin Lustgarten

Di. 30.01.
Stilles Gedenken an die Opfer der Naziherrschaft dann am Abend wenige hundert Meter weiter am Mahnmal Unter den Linden: 150 Berlinerinnen und Berliner aus Ost und West waren dem Aufruf des Unabhängigen Frauenverbandes der DDR gefolgt und wandten sich mit Kerzen in den Händen - gegen Neofaschismus und Ausländerfeindlichkeit. Wenig später formierten sich mehrere hundert Jugendliche aus beiden Teilen der Stadt zu einer Menschenkette um das Brandenburger Tor.

Aktionen zum Antifa-Tag auch in anderen Städten des Landes: In der Nationalen Mahn- und Gedenkstätte Sachsenhausen gedachten Jugendliche aus beiden deutschen Staaten der mehr als 100 000 im dortigen KZ von den Faschisten ermordeten Menschen.

Dem Aufruf in Suhl zu einer Demonstration waren am Abend rund 1 000 Bürger der Bezirksstadt, umliegender Ortschaften sowie aus der BRD gefolgt. 300 junge Cottbuser, vor allem Lehrlinge, fanden sich zu einer Kundgebung am antifaschistischen Mahnmal in der Puschkin-Promenade der Bezirksstadt zusammen. Mit einem Schweigemarsch durch das Rostocker Stadtzentrum bekannten sich mehrere hundert junge Leute zu Antifaschismus, Demokratie und Toleranz.

Hunderte Mitglieder der Sozialistischen Jugend Deutschlands Die FALKEN aus Berlin (West) und der sich im Aufbau befindlichen Jungen Sozialdemokraten der DDR gedachten gestern im ehemaligen KZ Sachsenhausen der Opfer des deutschen Faschismus. Die Veranstaltung stand unter dem Motto "Nie wieder Faschismus - Frieden und Freiheit für Europa".

Eine Demonstration gegen Faschismus formiert sich vor dem Dom in Brandenburg und zieht über die Hauptstraße zum Puschkinplatz. Vor dem Ort der ehemaligen Synagoge wird mit einer Schweigeminute an die jüdischen Opfer während des Nationalsozialismus gedacht.

Mi. 31.01.
Die Weltzeituhr [Berlin Alexanderplatz] ist dicht umlagert, es sind rund 5 000 Lehrlinge, die sich zur zweiten Demo finden. Mancher ist nicht gekommen, weil ihm sein Lehrmeister mit Disziplinarmaßnahmen drohte. Unter Rufen wie "Mehr Geld" und "Wir sind die Zukunft!" zieht man durch die Stadt. Angemeldet ist die Demo nicht, trotzdem hält die VP die Straßen frei. Vor dem Haus der Ministerien angekommen, ist zunächst Geduld gefragt. Schließlich erscheint Bodo Weidemann [stellvertretender Minister für Bildung] und bittet, megaphon-akustisch verstärkt, verantwortliche Sprecher zu benennen, mit deren er sich zusammensetzen wird.

"Mutti, ich möchte Erdbeeren ohne Kerosin!" oder "Was lebt, braucht Luft!" ließen die Leute aus Bohnsdorf am Mittwochabend von ihren Plakaten und Transparenten prangen. Und wer aus ferneren Stadtteilen ins südöstliche Randgebiet kam, fand rund um das Volkshaus eine Menschenmenge, die die harmlose Mitteilung, Bürgerinitiative "Leben in Bohnsdorf“ - Treffen mit Verantwortlichen zum Thema Flughafen Schönefeld, nicht hätte erwarten lassen. Zugeparkt die Straßen rund um die Dahmestraße auch Karossen westlich ausladender Spurbreite darunter - Lautsprecher übertragen die Debatten im Inneren vor das Gebäude, das vermutlich seinen Namen noch nie so verdiente wie an diesem Abend. Einige tausend Anwohner, zusammengekommen im Interesse ihrer Gesundheit und um der Ökologie im Terrain willen, gegen einen Schutz der stählernen Vögel.


Alle Angaben sind Auszüge aus den Chronikseiten Januar 1990 www.ddr89.de. Es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben. Die Teilnehmerzahlen sind mit Vorsicht zu genießen. Niemand war in der Lage sie zu zählen.

Δ nach oben