GTL-Betriebsgruppe des NEUEN FORUM

Sprecher für Öffentlichkeitsarbeit gewählt

Am 6. November 1989 trafen sich 16.00 Uhr etwa 20 Mitglieder des Neuen Forums in unserem Betrieb zu einer ersten kurzen Beratung. Ziel war es, sich untereinander kennen zu lernen, sich als Betriebsgruppe zu formieren und erste Vorstellungen der Arbeit dieser Gruppe vorwiegend in unserem Betrieb zu erörtern. Weiterhin wurde eine Sprechergruppe gewählt, bestehend aus vier Kollegen und es wurde darauf hingewiesen, dass nur diese vier sich in der Öffentlichkeit im Namen der Betriebsgruppe äußern dürfen, um einen Missbrauch im Namen des Neuen Forums entgegenzuwirken. Alle von uns verbreiteten Aufrufe und Mitteilungen müssen also die Unterschrift von mindestens zwei der vier Sprecher tragen.

Die vier sind: Peter F(...), Frank N(...), Siegfried K(...) und Thomas G(...).

Natürlich haben auch diese vier nur begrenzte Vollmachten, sie können nur das verbreiten, was in Versammlungen unserer Mitglieder beschlossen wird. Darüber hinaus sind sie natürlich jederzeit berechtigt, als Einzelpersonen mit ihren privaten Meinungen an die Öffentlichkeit zu treten.

Bezüglich dieser Sprecher wurde auch beschlossen, dass diese sich monatlich einer Neuwahl stellen und es jedem Mitglied unserer Betriebsgruppe möglich ist, sich selbst als Sprecher vorzuschlagen und wählen zu lassen.

Erste Zusammenkunft kurz, aber ergiebig

Diese erste Zusammenkunft an der übrigens auch ein von uns keineswegs als Störung empfundener Beauftragter des Betriebsdirektors mit Beobachtungsstatus teilnahm, musste innerhalb von zwanzig Minuten abgewickelt werden, da auch dem Verständnis der Betriebsleitung uns gegenüber durch die Betriebsordnung Grenzen gesetzt werden. Übrigens müssen wir von unserer Seite aus dem Kollegen T(...) erfreuliche Weitsicht und Courage bescheinigen, beides Eigenschaften, die in der gegenwärtigen Zeit sehr vielen staatlichen Leitern und Verantwortlichen führender Organisationen ein russisches Fremdwort sind. Denn als uns der Betriebsdirektor die Genehmigung für unsere Zusammenkunft gab, war unser Antrag auf Zulassung des Neuen Forums vom MdI noch nicht entgegengenommen worden und unsere Arbeit in diesem Betrieb somit illegal.

Erste Aktivitäten der Sprechergruppe waren der Vorschlag an die Betriebszeitung, ihr unsere Mitarbeit anzubieten und ein erster Termin beim Betriebsdirektor, über dessen Kopf sich natürlich in unserem Betrieb nichts abspielen darf und wir glauben, in ihm einen verlässlichen Partner gefunden zu haben, ohne jedoch zu verschweigen, dass wir sicherlich in Zukunft härtere Meinungsverschiedenheiten haben werden, doch das liegt im Geist der Sache, die wir vertreten.

Unerwartete Offenheit in der Redaktion

Bezüglich der Betriebszeitung haben wir den Kollegen G(...), Thomas, gebeten, unsere Betriebsgruppe im Redaktionskollektiv zu repräsentieren und er nahm am 8. November 1989 das erste Mal an einer Redaktionssitzung teil: Er musste überrascht feststellen, dass die ihm entgegengebrachte Offenheit größer war, als er erwartete. Inwieweit sich die Zusammenarbeit unsererseits mit dieser Zeitung gestalten wird, hängt in nicht geringem Maße auch davon ab, ob die Parteileitung unseres Betriebes bereit ist, gewisse Vormundschaftsbestrebungen der letzten Zeit aufzugeben. Wir vertreten den Standpunkt, dass eine Betriebszeitung unter die Obhut der Gewerkschaft, einer funktionierenden wohlgemerkt, gehört, und dass sich eine Partei, welcher politischen Strömung auch immer, davor hüten sollte, betriebliche. Informationen ausschließlich durch ihr Sprachrohr zu verbreiten.

Mit verlässlichen Partnern Probleme lösen

Wir werden uns in den nächsten Wochen weiter aktivieren, Sprechzeiten einrichten, regelmäßige Versammlungen abhalten und einen Postkasten für Vorschläge und Kritiken anbringen.

In Zukunft werden wir natürlich nach verlässlichen Partnern suchen müssen, denn nur auf uns allein gestellt, werden wir die inner- und außerbetrieblichen Probleme niemals lösen können. An erster Stelle scheint uns dazu die Gewerkschaft geeignet zu sein, denn sie ist wohl noch am ehesten in der Lage, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen, natürlich muss sie sich dazu erstmal konstituieren und ihre Abhängigkeit von der SED lösen. Aber die Kollegen der Gewerkschaftsleitung werden das sicher selbst längst erkannt haben und hoffentlich auch danach handeln.

Zum Abschluss erklären wir, dass auch wir als politisch arbeitende Vereinigung mit allen, wir betonen nochmals, mit allen Parteien und Vereinigungen den Betrieb verlassen werden und die Gewerkschaft als einzigen Vertreter dir Arbeiter in unserem Betrieb akzeptieren werden.

THOMAS G(...)
FRANK N(...)

aus: Galvanospiegel, 16/89, 34. Jahrgang, 24. November 1989, Organ der Betriebsleitung des VEB Galvanotechnik Leipzig

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