Schließlich geht's um unser aller Existenz

Brauchen wir in BWF einen Betriebsrat?

Jetzt wird Demokratie konkret!

Da führt unser Generaldirektor laut eigener Aussage in der NDR-Talkshow bereits Gespräche über ein Joint Venture mit der Firma Trumpf, und niemand weiß genau, ob dies im Interesse des Kombinates oder nur des Stammbetriebes geschieht. Kann es uns als Beschäftigte in BWF egal sein, wenn dadurch die Unsicherheit um die Zukunft von BWF wächst? Jedem von uns wird bewusst werden müssen, dass sich in den nächsten Wochen Entscheidungen anbahnen, die starken Einfluss auf die Perspektive der eigenen Existenz ausüben werden.

Dazu gehört auch die Interessenvertretung der Werktätigen im Betrieb. Bereits im Jahr 1891 war in Deutschland ein so genanntes Arbeitsschutzgesetz erlassen worden zur Wahl von Arbeitsausschüssen, die Forderungen und Beschwerden der Arbeiter gegenüber den Unternehmern vertraten. Diese Tradition setzte sich über das Betriebsrätegesetz von 1920 bis zur Bildung von Betriebsräten auf Grundlage des Kontrollratsgesetzes Nr. 22 vom April 1946 fort.

Lässt sich aus dieser Traditionslinie heraus automatisch die Notwendigkeit eines Betriebsrates ableiten?

Dazu einige Gedanken:

Die Inhalte und Wirkungen der FDGB-Alleinvertretung bisher, seit 1948 sanktioniert, lassen sich grob zusammenfassen:

- Gestaltung sozialer Bedingungen im Betrieb

- Organisation von Masseninitiativen

- Formale, fast bedeutungslose Tätigkeit der Branchengewerkschaften (u. a. IG Metall)

- zunehmende Gleichgültigkeit der Werktätigen bezüglich Eigentümerbewusstsein und Arbeitsfortschritt.

Aus Enttäuschung über Korruption und bisher faktischer Handlungsunfähigkeit des FDGB nach der gesellschaftlichen Umwälzung verließen viele Werktätige die Gewerkschaft bzw. unterbrachen ihre Beitragszahlung. Wer vertritt in Zukunft die Interessen aller nicht gewerkschaftlich organisierten Werktätigen?

Es kann nur ein von der gesamten Belegschaft gewähltes und legitimiertes Gremium sein, das unbedingt auf gesetzlicher Grundlage die Interessen aller Werktätigen des Betriebes vertritt.

Mit folgenden vorstellbaren Befugnissen könnte dieser Betriebsrat u. a. auf Basis eines noch zu überarbeitenden Arbeitsgesetzbuches wirken:

- Mitspracherecht bei strategischen Entscheidungen der Betriebsentwicklung und deren sozialen Folgen (Rationalisierung, Umstrukturierung)

- Vertretung in Personalrechtsfragen (Arbeitsrechtsverhältnisse)

- sozialer Schutz der Frauen, Jugendlichen, Schwerbeschädigten, Rehabilitanden , und der Werktätigen im höheren Alter

- Einfluss auf Inhalt des BKV, Lohn- und Gehaltsfragen, (betriebliche Tarifverträge) und Gewinnverteilung.

In einem solchen Betriebsrat sollten sich die Vertreter der einzelnen Interessengruppen der Werktätigen, der nichtorganisierten Beschäftigten sowie der Industriegewerkschaft Metall vereinen.

Welche Rolle spielt dabei der FDGB?

Als Bund freier deutscher Gewerkschaften muss der FDGB als Dachverband aller Branchen- und Industriegewerkschaften fungieren. Jene wirken auf der Ebene des jeweiligen Industriezweiges (für uns der IG Metall) und koordinieren als starke einheitliche Kraft die Tätigkeit der Betriebsräte in den Betrieben durch z. B. Rechtsberatung, finanziellen Rückhalt, Versorgung mit Informationen über überbetriebliche Zusammenhänge und Strategien als Tarifpartner (z. B. RKV).

Der Betriebsrat schließlich auf der Ebene des Betriebes vertritt alleinig und in Übereinstimmung mit gewerkschaftlichen Grundlinien alle Werktätigen des Betriebes. Ich bin der Meinung, wir brauchen schnellstens ein solches Organ, denn es geht um unser aller Zukunft.

Bernd H(...)
TDS

aus: Arbeiterstandpunkt, Nr. 3/90, 39. Jg., 1. Februarausgabe, VEB Berliner Werkzeugmaschinenfabrik Marzahn

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