Für Menschenrechte in ihrer Gesamtheit

Büro des Zentralvorstandes der Freidenker stellt Positionspapier zur Diskussion

Der Freidenkerverband der DDR (VdF) verstand sich schon vor der Wende in unserem Land als streitbares Forum, wo weltanschauliche Fragen und andere Probleme ohne jede Enge erörtert werden konnten. Unabhängig davon stellt die Erneuerung unserer Gesellschaft auch an die Freidenker neue Anforderungen, wird in einem Positionspapier festgestellt, das vom Büro des Zentralvorstandes der Freidenker den Verbandsmitgliedern zur Diskussion unterbreitet wird. In dem Papier heißt es:

Wir Mitglieder des Verbandes der Freidenker identifizieren uns durch engagiertes Mittun mit dem revolutionären und demokratischen Erneuerungsprozess in der DDR. Voraussetzungen dafür sind die Eigenständigkeit, Unabhängigkeit und Überparteilichkeit unseres Verbandes.

Wir suchen Dialog und größtmöglichen Konsens mit allen, die unsere Heimat als wirklich sozialistische Alternative auf deutschem Boden wollen. Seien es die erneuerten traditionellen Parteien und Organisationen, die neuen basisdemokratischen Bewegungen oder Kirchen.

Wir sind für Rechtsstaatlichkeit und gegen die Auflösung von moralischen Grundsätzen, gegen Schieber und Spekulanten. Wir treten ein gegen Chaos, jeglichen Terror und aufbrechende Anarchie. Wir verwahren uns gegen alte und neue Formen von Hochmut und Arroganz, gegen Inkompetenz und Korruption.

Die Menschenrechte müssen in ihrer Gesamtheit verwirklicht werden. Jeder hat das Recht auf freie Meinungsäußerung, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Reisefreiheit, Freiheit der Berufswahl, Glaubensfreiheit. Im Einklang mit unserer Freidenkertradition fordern wir, dass Faschismus, Neofaschismus, Rassismus und Ausländerfeindlichkeit, Antikommunismus und Gewalt keinerlei Entfaltungsmöglichkeiten erhalten dürfen. Wir wissen uns hierin einig mit dem Volkswillen.

Tätiger Humanismus prägt unseren Verband. Wir treten für eine neue Kultur zwischenmenschlicher Beziehungen ein, für eine auf den einzelnen Menschen! orientierte Sittlichkeit und Moral. Dazu gehört Zuwendung für jeden, besonders aber für einsame, schwache, behinderte sowie alte Menschen.

Die sozialistische Erneuerung bedarf der vollen Mitwirkung der Frauen und der Jugend. Wir wollen an einem neuen Bildungs- und Erziehungskonzept mitarbeiten, in dessen Zentrum die Ausprägung kritischen, selbständigen Denkens und mitmenschlichen Verhaltens stehen.

Die Basisgruppen sind die Lebensform des VdF - alle Leitungen haben dieses Prinzip zu fördern und zu respektieren. Wir sind gegen jeden Dirigismus von oben und unduldsam gegenüber jeder Spielart von Bürokratie, aber auch gegen verantwortungslose, lähmende Kritikasterei. Unsere Satzung wollen wir deshalb durch eine Basisdiskussion von unnötigem Ballast und Überholtem befreien, die heute noch manchem Sympathisanten den Zugang zum VdF erschweren.

ND

aus: Neues Deutschland, Jahrgang 44, Ausgabe 277, 24.11.1989. Die Redaktion wurde 1956 und 1986 mit dem Karl-Marx-Orden und 1971 mit dem Vaterländischen Verdienstorden in Gold ausgezeichnet.