Grundsatzopposition gegen Stalinismus und Kapital

VL für Einigung der Linken ohne neue Einheitspartei

Als sich am 3. September 1989 Linke unterschiedlicher geistiger Herkunft um den als "Böhlener Plattform" bekannt gewordenen Aufruf "Für eine vereinigte Linke" zu diskutieren und zu verabschieden, war das in mehrerlei Hinsicht ein Novum. Einen engeren Zusammenhang jener, die sowohl das verfehlte bisherige Sozialismusmodell als auch das bürgerliche System ablehnten, hatte es in der DDR lange Zeit nicht geben können. Und es wurde versucht, diesen Zusammenhang auf neue Weise herzustellen, ohne Verpflichtung auf eine alleinseligmachende Ideologie, ohne Funktionärshierarchie. Hier in Berlin waren es insbesondere Vertreter der Umweltbibliothek, der Gruppe "Gegenstimmen" und der "Kirche von Unten" sowie linksoppositionelle SED-Mitglieder und Gewerkschafter, die sich für das Projekt VL einsetzten.

Die Absicht der VL, unmittelbar zu einem freiheitlichen und demokratischen, ökologisch orientierten Sozialismus überzugehen, hat sich nicht verwirklichen lassen. Wir stehen nun vor der Aufgabe, die Inhalte und die Art und Weise einer vollständigen Überwindung der bürgerlichen Ordnung genauer zu bestimmen. Übereinstimmung besteht bisher wohl nur darin, dass sie sich für eine Gesellschaft einsetzt, in der die freie Entwicklung des einzelnen mit der freien Entwicklung aller einhergeht und dass der Schwerpunkt ihrer Bemühungen die außerparlamentarische Aktion ist. Tätigkeitsfelder von VL-Mitgliedern sind vor allem Betrieb und Gewerkschaften, Ökologie, Abrüstung, Soziales sowie die Schaffung selbstverwalteter Projekte.

Stark beteiligt waren VL-Mitglieder bei den jüngsten Aktionen gegen den § 218 und für einen sachgemäßen Umgang mit den Stasi-Akten. Die VL setzt sich für eine engere Zusammenarbeit der Linken sowie aller basisdemokratischer Gruppierungen ein - bisher mit unterschiedlichem Erfolg. Die vereinigte Linke ist die VL, die z. Z. aus mehr als 30 Basisgruppen besteht, nicht geworden, aber sie hat in dem einen Jahr ihres Bestehens zumindest (trotz aller Konflikte und Probleme) gezeigt, dass Zersplitterung nicht das unbedingte Schicksal der Linken ist.

E(...) W(...)

aus: aus: PODIUM - die Seite der und für die BürgerInnen-Bewegung, Initiativen und Minderheiten, in der Berliner Zeitung, Nr. 243, 46. Jahrgang, 17.10.1990