Wofür wir auf die Straße gehen

Wir treten dafür ein, die Macht zurück an das Volk zu geben. Die SED sollte sich einem gründlichen Selbstreinigungsprozess unterziehen, wieder eine Partei der Werktätigen wenden und ihre eigentliche Funktion, das Anleiten (und nicht das Vorschreiben) ausüben. Die Nationale Front muss sich öffnen gegenüber neuem Parteien, gesellschaftlichen Organisationen und Parteilosen und das demokratische Forum werden, wo die wirklich Fähigen und Engagierten als Volksvertreter vom Volk diskutiert werden. Wer von der Mehrheit befürwortet wird, sollte als Abgeordneter vorgeschlagen werden, unabhängig von seiner Zugehörigkeit zu Partei oder gesellschaftlicher Organisation oder gar keiner Zugehörigkeit. Aus einer Reihe von Abgeordneten werden vom Volk mit neuem Wahlgesetz seine Volksvertreter gewählt, die jederzeit abrufbar sind, sollten sie sich nicht als Vertreter der Mehrheit erweisen. Machtanhäufung durch das Besetzen mehrerer Funktionen wird nicht mehr zugelassen sein.

Wir haben eine gute Verfassung. Sie garantiert uns u. a. Versammlungsrecht, Medienfreiheit, das Recht auf Vereinigung, die Unverletzbarkeit des Post- und Fernmeldegeheimnisses. Sicherlich müssen einige Artikel verändert werden (Pflicht zur Landesverteidigung). Wichtig aber ist die Verankerung der sozialistischen Demokratie. Die gesamte politische Macht besitzen die Werktätigen. Die Volkskammer ist das oberste Machtorgan. Wir haben uns seit ca. 30 Jahren von der Verfassung entfernt, und es hat eine Verschiebung der Macht stattgefunden: von der führenden Rolle der Arbeiterklasse und ihrer Partei zur führenden Rolle der Partei der Arbeiterklasse, repräsentiert durch das Politbüro. Was dort beschlossen wurde, bekam von der Volkskammer den Segen. Beschlüsse der Partei wurden von oben nach unten durchgesetzt, die Verbindung zur Masse blieb auf der Strecke. Stellen wir sie gemeinsam wieder her.

Mitarbeiter der Bibliothek der HAB Weimar

aus: Thüringer Neuste Nachrichten, Nr. 266, 11.11.1989, 39. Jahrgang, Bezirkszeitung der National-Demokratischen-Partei Deutschlands, Herausgeber: Präsidium des Hauptausschusses der National-Demokratischen-Partei Deutschlands