Opposition über den Tisch gezogen

DDR-SPD verriet Konsens mit den anderen Oppositionsgruppen

Vor den Verhandlungen zur Regierungsbeteiligung hat sich die DDR-Opposition auf 3 gemeine Voraussetzungen geeinigt.

1. Dem Runde Tisch müssen alle Gesetzesinitiativen und Änderungsvorschläge vorgelegt werden. Der Runde Tisch kann bei Ablehnung die Vorlagen wieder an die Volkskammer zurückgeben.

2. Bis zu den Volkskammerwahlen dürfen keine einseitigen Gesetzes- und Verfassungsänderungen vorgenommen werden.

3. Nominierung einer Personalregierung (nicht an Parteien gebunden) durch den Runden Tisch. Die Mitgliedschaft der Regierungsmitglieder in Parteien und Vereinigungen ruht bis zu den Wahlen.

Beim Gespräch mit Ministerpräsident Modrow am 28.01. wurden diese Punkte als Bedingung vorgelegt. Modrow hielt daraufhin eine beschwörende Rede, lehnte die 3 Punkte ab und schlug einen vorgezogenen Wahltermin vor. Die Oppositionsparteien zogen sich daraufhin zu einem Gespräch zurück und einigten sich darauf, dennoch nicht von den 3 Forderungen abzugehen.

Doch die SPD brach die Vereinbarungen sofort bei Wiederaufnahme der Verhandlungen. Ibrahim Böhme (DDR-SPD) meldete sich zu Wort. Böhme meinte, die Regierung Modrow sei in der Krise. Deshalb müsse eine Regierung zur nationalen Rettung geschaffen werden. Er schlage für vorgezogene Wahlen den 18.3. als Termin vor.

Entsetzen und Ratlosigkeit bei den anderen Oppositionsgruppen. Als erste fasste sich der Vertreter des Demokratischen Aufbruch, sprang auf und schloss sich der SPD an, danach folgten Stück für Stück die anderen. Zum Schluss blieb als einzige die Vereinigte Linke bei der 3-Punkte-Forderung. Aber nachdem dann beschlossen wurde, dass alle Regierungsvereinbarungen nur im Konsens aller Beteiligten gemacht werden, fielen auch die Vertreter der Vereinigten Linken um.

Die Vereinigte Linke protestierte immerhin 3 Tage später, am 31.1., aufs schärfste gegen die Vorziehung des Wahltermins, ohne dass es bisher eine Volksaussprache zum Wahl-, Parteien- und Mediengesetz gegeben hat, und ohne dass die bisherigen Benachteiligungen oppositioneller Bewegungen außer Kraft gesetzt worden sind. Die Zeit sei viel zu kurz. Die Vorverlegung stranguliere die Bürgerbewegungen. Die Vereinigte Linke forderte gesetzlich garantierte Chancengleichheit und die Einhaltung der im Wahlgesetzentwurf festgelegten Fristen. Die Vereinigte Linke erklärte sich nur unter bestirnten Bedingungen bereit, an der Regierung teilzunehmen, nämlich:

- keine Grundsatzentscheidungen der Regierungen bis zu den Wahlen

- Regierungsvereinbarungen nur im Konsens mit allen an der Regierung beteiligten Kräften

- keinerlei Sozialabbau

- joint ventures-Verhandlungen nur mit Zustimmung und unter Kontrolle der demokratisch gewählten betrieblichen Interessenvertretungen der Werktätigen

- Umgestaltung des kommunalen Lebens nur über Bürgerkomitees und Bürgerinitiativen.

Am 1.2., nach der Verkündigung von Modrows Dreistufen "Deutschland, einig Vaterland", beschloss die Vereinigte Linke endgültig den Austritt aus der Regierung und forderte die anderen Bürgerbewegung auf, sich anzuschließen. Die Verkündigung geschah ohne Rücksprache mit den meisten anderen Oppositionsgruppen und stellten daher einen Bruch der Regierungsvereinbarungen dar.

Die Vereinigte Linke lehnt die Bildung einer Wirtschafts-, Währungs- und Verkehrsunion und Rechtsangleichung mit der BRD ab. Damit sei Modrows Putsch gemeinsam mit der SPD perfekt. Mit dem 3-Punkte-Plan Modrows befinde sich ein Teil der demokratischen Kräfte des Landes wieder in Opposition. Trotzdem werde die Vereinigte Linke weiter für eine Alternative zu Stalinismus und Kapitalismus eintreten.

d.t.

aus: telegraph, Nr. 3, 06. Februar 1990, Herausgeber: Umweltbibliothek Berlin

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