Ministerrat der
Deutschen Demokratischen Republik
Wirtschaftskomitee


Bericht über die Lage der Volkswirtschaft
und Schlussfolgerungen zur Stabilisierung

Berlin, 23. Januar 1990

I.

1. Trotz der durch die solide Arbeit des Volkes bei der Entwicklung der Produktion und der Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen erreichten Ergebnisse ist die Wirtschaft der DDR infolge einer verfehlten Wirtschaftspolitik und einer sich ständig verfestigenden zentral-bürokratischen Verwaltungs- und Kommandowirtschaft in eine krisenhafte Situation geraten.

Aufgrund der Missachtung von marktgerechten Methoden und Formen der Wirtschaftstätigkeit sowie der Ignoranz gegenüber den objektiv wirkenden Wertkategorien und der offensichtlich gewordenen Ineffizienz des zentralistischen Systems der Leitung und Planung wird die Lage der Volkswirtschaft seit Jahren durch folgende Entwicklungen charakterisiert:

- Die geringer gewordene Dynamik der Leistungsentwicklung der Volkswirtschaft, die mit unzureichender Bedarfsgerechtheit der Produktion im Inland und mit ihrer abnehmenden Konkurrenzfähigkeit auf den internationalen Märkten verbunden ist. Wesentliche Ursachen dafür sind die zu niedrige produktive Akkumulation und die in diesem Zusammenhang unbefriedigende ökonomische Wirksamkeit von Wissenschaft und Technik und die Vernachlässigung des Leistungsprinzips. Teilweise wurde sie durch eine Verschärfung der ökologischen Situation begleitet.

- Die deutliche Verlangsamung der Intensivierungsprozesse in der Volkswirtschaft und den durch eine einseitige Orientierung auf das Wachstum von Mengenkennzittern hervorgerufenen starken Einfluss extensiver Faktoren.
Charakteristisch dafür sind vor allem die Verschlechterung der Grundfondsökonomie, die geringen Ergebnisse bei der Freisetzung von Arbeitskräften aufgrund der langsamen Produktivitätssteigerung und das Zurückbleiben bei der Senkung des spezifischen Produktionsverbrauchs und der Kosten.

Zugleich gibt es einen seit Jahren anhaltenden Rückgang in der Intensität der internationalen Arbeitsteilung. Das trifft insbesondere auf die Entwicklung der Kooperation in der metallverarbeitenden Industrie zu, was wesentliche negative Auswirkungen auf ihre Strukturentwicklung und Effektivität hat. Das alles beeinträchtigte die volkswirtschaftliche Effektivität und stellt eine wesentliche Ursache für das wachsende Defizit des Staatshaushaltes dar.

- Die Mehrheit der Werktätigen der DDR besitzt ein hohes Qualifikationsniveau.
Die durch ungenügende Beherrschung des Intensivierungsprozesses seit Jahren bestehende Arbeitskräfteproblematik wurde 1989 durch die Ausreise von Bürgern der DDR außerordentlich verschärft. Im Wesentlichen im 2. Halbjahr haben 343 000 Bürger die DDR verlassen, was einem Arbeitskräftepotential von 220 000 Werktätigen oder etwa 3,1 % aller Arbeiter und Angestellten entspricht.
Es hat sich ein wachsender Widerspruch zwischen dem Bedarf an Arbeitskräften und der tatsächlichen Qualifikationsstruktur herausgebildet.

- Die zunehmenden Disproportionen in der Volkswirtschaft, insbesondere in der Verteilung des volkswirtschaftlichen Endprodukts. Kontinuität und Effektivität der Produktion werden vor allem durch die bedeutenden Niveauunterschiede im Zustand der materiell-technischen Basis und der Technologien auf ausgewählten Gebieten im Vergleich zur gesamten Volkswirtschaft sowie durch das Missverhältnis in der quantitativen und qualitativen Entwicklung zwischen Zulieferindustrie und Finalproduktion negativ beeinflusst. Den stärksten Einfluss auf Richtung und Spielraum der künftigen Wirtschaftspolitik üben die nicht den Erfordernissen entsprechenden Relationen zwischen produziertem und im Inland verwendeten Nationaleinkommen, zwischen Akkumulationsfonds und Konsumtionsfonds sowie zwischen Kauffonds und Warenfonds aus.

- Die wachsende Außenwirtschaftsbelastung der Volkswirtschaft im nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet durch die für die Sicherung der Liquidität notwendige Aufnahme von Krediten bei Banken kapitalistischer Länder.
Es wurde bisher mit einer Höhe der Verbindlichkeiten von 20.6 Mrd. $ gerechnet.

Nach der vorläufigen Abrechnung der Zahlungsbilanz und auf der Grundlage der einheitlichen Abrechnung des Außenhandels betragen die Verbindlichkeiten zum Jahresende 1989 18,5 Mrd. $. Eine gewisse Präzisierung kann sich noch im Ergebnis der abschließenden Inventur aller Konten ergeben.

In den Jahren 1988 und 1989 schloss der Außenhandel gegenüber dem nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet mit Importüberschüssen ab. Dadurch treten auch steigende Belastungen für den Staatshaushalt, insbesondere für Zinszahlungen und Kosten für Kreditaufnahme ein.

Die bedeutenden, dazu territorial stark differenzierten Rückstände bei der Entwicklung der technischen und sozialen Infrastruktur, wovon in zunehmendem Maße auch das Leistungswachstum und die Effektivität der produktiven Bereiche beeinflusst werden.

Die angespannte Situation in der natürlichen Umwelt, deren Reproduktion trotz wachsender Aufwendungen nicht ausreichend gesichert werden konnte.

- Seit mehreren Jahren sinken die Zuwachsraten der real bewerteten wirtschaftlichen Leistung und der volkswirtschaftlichen Arbeitsproduktivität.
Das Wachstumstempo des Nationaleinkommens lag 1986 - 1988 bei jährlich 3 - 4 %. Im Jahre 1989 wurden nur noch 2 % erreicht

2. Eine wesentliche Ursache dieser Entwicklungen ist der Rückgang der Akkumulationsrate von 29 % im Jahre 1970 auf 21 % Mitte der 80er Jahre. Die Rate der Akkumulation für produktive Investitionen ging von 16,1 % 1970 auf 10,6 % 1988 zurück. Dahinter stand der Versuch, unter allen Umständen der Bevölkerung die Ergebnisse einer "erfolgreichen Politik" zu präsentieren, auch als die in den 70er Jahren zum Teil leichtfertig eingegangene Auslandsverschuldung Anfang der 80er Jahre einen Rückgang in Zuwachs des im Inland verteilbaren Nationaleinkommens zur Folge hatte.
Die produktiven Investitionen sanken bis 1985 unter den Stand von 1977, und auch die Investitionssteigerungen seit 1986, hauptsächlich mit Ausrüstungsimporten auf Kredit, haben den eingetretenen Verlust an materieller Erneuerungskraft nicht kompensiert.

Das Durchschnittsalter der Grundfonds hat sich erhöht, die Aussonderungen und die Erneuerungsrate sind extrem niedrig. Gleichzeitig wurde ein Teil der Investitionsmittel für Objekte eingesetzt, die nicht unmittelbar zum Wachstum des Nationaleinkommens beitragen. Zu der sich In den letzten Jahren ständig verschlechternden qualitativen Struktur der Grundfonds kamen die unzureichende Effektivität und der willkürliche Einsatz von Investitionen hinzu. Bei großen Investitionsobjekten mit bedeutendem Aufwand wurde nicht der geplante Nutzen erreicht. Auf einer Reihe von Gebieten sind moderne und hocheffektive Ausrüstungen vorhanden, wie z. B. in der Mikroelektronik, im Werkzeug- und Verarbeitungsmaschinenbau und auf Teilgebieten der Leichtindustrie, der Möbelindustrie sowie In Bereich der Glas- und Keramikindustrie.

Insgesamt kannten jedoch verschlissene Ausrüstungen nur unzureichend ausgesondert werden; so hat sich der Verschleißgrad der Ausrüstungen in dar Industrie von 47,1 % 1975 auf 53,8 % 1988 erhöht, im Bauwesen von 49 % auf 67 %, im Verkehrswesen an von 48,4 % auf 52,1 % und in der Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft von 50,2 % auf 61,3 %. Daraus ergibt sich ein überhöhter und ökonomisch uneffektiver Instandhaltungs- und Reparaturbedarf. Darin liegt auch eine Ursache, dass der Anteil der Beschäftigten mit manueller Tätigkeit in der Industrie seit 1980 nicht gesunken ist, sondern mit 40 % etwa gleichblieb. Das ist ein wesentlicher Grund für das ungenügende Niveau und Tempo der Steigerung der Arbeitsproduktivität.

In engem Zusammenhang mit dem Zurückbleiben der Grundfondsreproduktion in der Mehrzahl der Produktionsbereiche gibt es einen "Überhang" an wissenschaftlich-technischen Leistungen, die materiell nicht realisiert werden konnten.

Der technologische Rückstand zu den führenden kapitalistischen Ländern ist nicht geringer geworden; er hat in der 2. Hälfte der 80er Jahre insgesamt zugenommen. Statistische Berechnungen besagen, dass das produzierte Nationaleinkommen pro Beschäftigten in der materiellen Produktion (volkswirtschaftliche Arbeitsproduktivität) in der BRD um rd. 40 % höher liegt als in der DDR.

Mit der forcierten Nutzung der Rohbraunkohle als Energieträger und Rohstoff für die chemische Industrie entstanden bedeutende Umweltprobleme, die mit weitreichenden wirtschaftlichen Folgen und abnehmender Akzeptanz durch die Bevölkerung verbunden sind. Gegenwärtig werden ca. 420 Produktionsanlagen mit Ausnahmegenehmigungen des Gesundheitswesens betrieben. In einigen Fällen, wie in Pirna und Espenhain, fordern gesellschaftliche Kräfte und Bürgerinitiativen die Stilllegung solcher Anlagen, wovon über 100 000 Arbeitskräfte betroffen werden und ein punktueller Produktionsausfall z.B. bei Viskoseseide und bei Chemiegrundstoffen ausgeglichen werden müssen. Werktätige einiger dieser Betriebe andererseits wenden sich gegen solche kurzfristigen Entscheidungen.

Die Investitionsbeschränkungen führten auch zu einem Zurückbleiben der kommunalen Infrastruktur (Wasser, Abwasser, Strom, Gas, Wärme, Straßen, Wege, Bahnhöfe, Telefon) und zum Zurückbleiben der Reparaturen und der Werterhaltung im Wohnungswesen und der Stadterhaltung und -sanierung.

Die Kaufkraft der Mark der DDR im Bereich der Wirtschaft ist gesunken. In der Industrie und im Bauwesen haben von 1984 - 1986 Kosten- und Preiserhöhungen stattgefunden, die nicht nur auf gestiegene Rohstoffpreise sowohl international als auch im eigenen Land, wie z.B. bei der Rohbraunkohle, sondern auch auf zu hohe Gemeinkosten und sprunghaft gestiegene Reparaturkosten wegen des überalterten Grundmittelbestandes zurückzuführen sind. Seit 1975 erhöhte sich das Niveau der Industrie-, Bau- und Agrarpreise um 56 %.

In den 80er Jahren wuchs in Folge falscher Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, von Misswirtschaft und parasitärer Verwendung durch die ehemalige Partei- und Staatsführung der Verbrauch schneller als die eigenen Leistungen. Es wurde mehr verbraucht als aus eigener Produktion erwirtschaftet wurde zu Lasten der Verschuldung im NSW, die sich von 0,5 Mrd. $ 1970 auf 18,5 Mrd. $ erhöht hat.

3. Im Vergleich zum Produktivitätsniveau führender kapitalistischer Industrieländer hat die DDR einerseits relativ hohe soziale Standards erreicht. Andererseits verlangt allein schon die dauerhafte Sicherung dieser sozialen Errungenschaften und ihr weiterer schrittweiser Ausbau ein bedeutend höheres Tempo wissenschaftlich-technischer Erneuerung und ein entscheidend höheres Produktivitäts- und Effektivitätsniveau als im zurückliegenden Jahrzehnt. Der Ausstattungsgrad der Haushalte mit langlebigen Konsumgütern betrug 1989 bei Haushaltskälteschränken 99 %, Waschmaschinen 99 %, Fernsehgeräten 96 %, darunter Farbfernsehgeräte 57 %. Dabei beeinträchtigen sowohl Mängel im wissenschaftlich-technischen Niveau, der Qualität als auch im sortimentsgerechten Angebot die Versorgungswirksamkeit, insbesondere unter Berücksichtigung internationaler Vergleiche. Eine stabile landwirtschaftliche Produktion auf genossenschaftlicher Grundlage gewährleistet die Versorgung der Bevölkerung. Der Pro-Kopf-Verbrauch an Grundnahrungsmitteln betrug 1988 bei Fleisch 100,2 kg, Butter 14,9 kg, Gemüse 106 kg, Obst 77 kg.

Die Sozialpolitik forderte einen großen Anteil am volkswirtschaftlichen Gesamtergebnis, ohne dass sie in genügendem Maße zu Leistungen stimulierte. Der Zusammenhang zwischen der Wirkung des Leistungsprinzips und einer dauerhaften Gewährleistung der proportionalen Entwicklung des Warenfonds, der Dienstleistungspotentiale und des Kauffonds der Bevölkerung sowie auf dieser Grundlage des Marktgleichgewichts von Angebot und Nachfrage wurde ernsthaft verletzt.

Während das produzierte Nationaleinkommen 1986 - 1989 um durchschnittlich jährlich 3,1 % wuchs, erhöhten sich die Nettogeldeinnahmen um durchschnittlich jährlich 4,3 %, die indirekten Einkommen aus gesellschaftlichen Fonds und die Zuwendungen für die Bevölkerung aus dem Staatshaushalt als wichtiger Bestandteil des Realeinkommens einschließlich der Subventionen für Wohnungswesen, stabile Preise, Tarife, Bildungswesen, Gesundheitswesen, Kultur, Sport und Erholung stiegen in diesen Jahren um 6 % jährlich.

Das volkswirtschaftliche Erfordernis eines schnelleren Zuwachses der Arbeitsproduktivität gegenüber dem Wachstum der Durchschnittslöhne wurde nach 1975 verletzt, besonders in den Jahren 1976, 1987, 1988. Die Motive zur Leistungssteigerung haben sich abgeschwächt.

In 10 von 14 Jahren nach 1975 wuchsen die Geldeinnahmen der Bevölkerung schneller als die materiellen Warenfonds. Seit Mitte der 70er Jahre stagnierte die Warenbereitstellung bei wichtigen Positionen, z.B. bei Obst und Südfrüchten, bei Fisch, bei PKW und ging bei einzelnen Positionen in den 80er Jahren sogar zurück. Es gab zum Teil verdeckte und zum Teil offene Preissteigerungen bei Konsumgütern und Leistungen.

Das der Kaufkraft der Mark der DDR in den Händen der Bevölkerung zugrunde liegende Preisniveau erhöhte sich gegenüber 1975 auf 116,5 %. Die Disproportionen zwischen Geldeinnahmen und Warenfonds führte zu Mangelerscheinungen im Angebot und zu einem beträchtlichen Kaufkraftüberhang.

In den Geldbeziehungen der Bevölkerung sind Disproportionen zwischen Kauf- und Warenfonds eingetreten, denen nicht in vollem Umfang leistungsgerecht gebildete Geldeinkommen und eine unzureichende bedarfsgerechte Realisierung von Einkommen und Ersparnissen zugrunde liegen; insbesondere in den Jahren 1986 -1988 in Höhe von 10 - 12 Mrd. M. Es muss mit einem mobilen Kaufkraftüberhang von 4 - 5 Mrd. M gerechnet werden. Der Kaufkraftüberhang resultiert insbesondere aus nicht befriedigter Nachfrage nach Kraftfahrzeugen, Wohnraumgestaltung, moderner Unterhaltungselektronik und Auslandstourismus. Diese Entwicklung vollzog sich bei wachsenden Subventionen für Waren des Grundbedarfs, Tarife und Mieten als Form der konsumtiven Verwendung von Nationaleinkommen.

Insgesamt vollzog sich ein schnelleres Anwachsen der gesellschaftlichen gegenüber der aus Arbeitseinkommen realisierten Konsumtion. Der Anteil der aus gesellschaftlichen Fonds und Subventionen gespeisten Einkommen, beträgt gegenwärtig rd. 50 % des Realeinkommens pro Kopf der Bevölkerung insgesamt. Bei Wahrung der unverzichtbaren Einheit zwischen Anwendung des Leistungsprinzips und sozialer Sicherheit ist es erforderlich, den Wirkungen des Leistungsprinzips mehr Geltung zu verschaffen. Die Kriterien für die Bewertung der Leistung und des daraus abzuleitenden Anspruchs auf Ressourcen bzw. Konsumtionsfonds müssen zunehmend an internationalen Maßstäben der Arbeitsproduktivität, Kosten, Preise, Währungsrelationen und Löhne orientiert sein.

Die Spareinlagen, einschließlich Versicherungssparen, erhöhten sieh von 138 Mrd. M 1985 auf 178 Mrd. M Ende 1989. Das Wachstum beträgt damit durchschnittlich jährlich 6,4 %. Die Zinszahlungen an die Bevölkerung betragen 1989 etwa 5 Mrd. M.

4. Die Austauschrelationen im Handel mit dem nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet haben sich aufgrund der für die DDR ungünstigen Weltmarktpreisentwicklung und wegen überhöhter inländischer Produktionskosten verschlechtert.

Die Hauptursache für das unzureichende NSW-Exportvolumen und die zu geringe Außenhandelseffektivität besteht darin, dass die Eigenverantwortung der Wirtschaftseinheiten für die Außenwirtschaftsaufgaben ungenügend ausgeprägt war und es nicht gelang, genügend effektiv absetzbare Exporterzeugnisse bereitzustellen. Die fehlerhafte Wirtschaftspolitik führte zu einer Abkapselung von der internationalen Arbeitsteilung; dadurch entstand im Verhältnis zur Leistungskraft ein zu breites Produktionssortiment, wodurch die Erzeugnisse nicht das erforderliche wissenschaftlich-technische Niveau besaßen, um wettbewerbsfähig zu sein und die erforderliche Verbesserung der inneren Effektivität zu sichern.

Von wesentlichem Einfluss auf diese Entwicklung war, dass die gestiegenen volkswirtschaftlichen Aufwendungen zum Beispiel für die Energiewirtschaft, nicht durch die Senkung des Aufwandes und der Kosten ausgeglichen wurden. Dadurch stiegen die den nationalen Aufwand deckenden Industriepreise in der DDR schneller als die Preise im nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet, so dass die Rentabilität der Exporte im nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet sank und faktisch eine Abwertung der Kaufkraft der Mark gegenüber kapitalistischen Währungen eintrat.

Die Hauptursache des heutigen Standes der Verbindlichkeiten gegenüber dem nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet ist, dass über die Jahre mehr importiert als exportiert wurde.

Die Sicherung der Zahlungsfähigkeit der DDR sowie die Sicherung der Rohstoffbezüge und anderer wichtiger Importe durch zuverlässigen Warenaustausch mit den sozialistischen Ländern sind Aufgaben, die alle Maßnahmen auf außenwirtschaftlichem Gebiet bestimmen müssen. Alle eingegangenen internationalen Verpflichtungen sind zuverlässig zu erfüllen.

Zur Verbesserung der Effektivität des Exports sind schon für 1990 die Exporterzeugnisse nach dem Nettovalutaerlös zu überprüfen und Veränderungen der Exportstruktur einzuleiten. Auf keinen Fall dürfen die auf den Märkten erkämpften Positionen verloren gehen.

5. Die Situation im Staatshaushalt wird dadurch charakterisiert, dass im Zusammenhang mit der ungenügenden Grundfondserneuerung, den zu hohen Produktionskosten und den Verlusten aus der Verschlechterung der Austauschrelationen eine stetig gewachsene Inlandsverschuldung entstanden ist. Die Verbindlichkeiten des Staatshaushaltes gegenüber dem Kreditsystem der DDR, die 1970 rd. 12,0 Mrd. M betrugen, nehmen zu.

Die Kreditinanspruchnahme erhöhte sich für den volkseigenen Wohnungsbau auf rd. 54 Mrd. M und für strukturbestimmende Investitionen auf rd. 4 Mrd. M. Darüber hinaus entstand durch das sich ab 1983/84 weiter verschlechternde interne Umrechnungsverhältnis der Mark der DDR zur Valutamark eine Verbindlichkeit gegenüber dem Kreditsystem von 65 Mrd. M, die im Rahmen der Tilgung der Auslandsschulden der DDR durch den Staatshaushalt in den nächsten Jahren zu begleichen ist. Geldumlauf und Verbindlichkeiten des Staates sind schneller gestiegen als die volkswirtschaftliche Leistung.

Im Zusammenhang mit der Wirtschaftsreform ist eine Neubestimmung der Ziele der Finanzpolitik mit einer höheren Priorität der Stabilität der Währung und der Staatsfinanzen als eine grundlegende Bedingung für die umfassende Verwirklichung des Leistungsprinzips notwendig. Sie ist auf die Wiederherstellung des materiellen und finanziellen Gleichgewichts durch die Bilanzierung der zahlungsfähigen Nachfrage der Wirtschaft und Bevölkerung mit den materiellen Bedingungen der Akkumulation und Konsumtion zu richten.

Das erfordert, durch Erhöhung der Außenhandelsrentabilität und Maßnahmen zur Beseitigung des Kaufkraftüberhangs die Währung der DDR zu stärken und schrittweise ihre Konvertibilität zu erreichen.

Eine Währungsreform ist nicht vorgesehen. Es geht darum, dass der Wert der Mark der DDR durch zielgerichtete Erhöhung der Leistungskraft bei umfassender Nutzung der vorhandenen bedeutenden personellen und materiellen Potenzen systematisch zu erhöhen ist.

II.

1. Die seit Jahren nicht gelösten Probleme in der Volkswirtschaft bestimmten in starkem Maße den Wirtschaftsverlauf und diePlanerfüllung 1989.
Das produzierte Nationaleinkommen wuchs im Jahr 1989 nach vorläufigen Angaben um 2 %. Das Gesetz zum Volkswirtschaftsplan sah 4,0 % vor.

Mit dem IV. Quartal vollzog sich ein wesentlicher Bruch in der Entwicklung, wodurch die Ausgangspunkte für das Wirtschaftsjahr 1990 entscheidend verändert wurden. Ausschlaggebend dafür waren

- die verstärkte Abwanderung von Arbeitskräften,

- die Konsequenzen aus der Öffnung der Grenzen auf dem Binnenmarkt,

- die Verkehrssituation und notwendige Importentscheidungen.

So wurde in den Monaten Oktober - Dezember in der Industrie durchschnittlich je Arbeitstag für 57 Mio. M weniger produziert als während der ersten drei Quartale.
Insgesamt erreichte das produzierte Nationaleinkommen zu vergleichbaren Preisen des Jahres 1985 ein Volumen von 273, 5 Mrd. M Damit standen für ca. 5,3 Mrd. M weniger Nationaleinkommen als geplant zur Verfügung.

Aus der Senkung des spezifischen Produktionsverbrauchs resultierten nur rund 5 % des Nationaleinkommenszuwachses. Das ist vor allem auf die Überschreitung des geplanten Produktionsverbrauchs in der Industrie und In der Landwirtschaft zurückzuführen. Besonders spürbar in seinen volkswirtschaftlichen Auswirkungen ist, dass die Produktionsziele bei 216 (von Insgesamt 383) volkswirtschaftlich wichtigen Haupterzeugnissen mit einem Gesamtvolumen von 4,8 Mrd. M nicht erfüllt wurden. Dazu gehören die Produktionsziele solcher Zuliefererzeugnisse wie Gusserzeugnisse, Industriegetriebe, Wälzlager, Ersatzteile für Landmaschinen, Möbelfolien, Flaschen für die Lebensmittelindustrie, elektrische Groß- und Mittelmaschinen, Hoch- und Niederspannungsschaltgeräte, Pumpen, Verdichter, Kammgarne und Baumwollgewebe mit beträchtlichen Auswirkungen auf die Finalproduktion.

Das führte zu weiter anwachsenden Vertragsrückständen, zur Diskontinuität der Produktion, einem hohen operativen Aufwand für ihre materiell-technische Sicherung und zu zusätzlichen Importen aus dem nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet.

Nach übereinstimmenden Einschätzungen beruht der Rückgang der Produktion im November/Dezember bis zu zwei Dritteln auf dem Weggang von Arbeitskräften. Gleichzeitig wirkten gestörte Kooperationsbeziehungen, fehlende Zulieferungen und unzureihende materielle Voraussetzungen. Es wurden aber auch Mängel in der Produktionsorganisation, in der Leitung und in der Arbeitsintensität sichtbar.

Besonders Stark wirkte Sich der Produktionsrückgang im Maschinenbau und in der bezirksgeleiteten Industrie aus.
So sank in der metallverarbeitenden Industrie die arbeitstägliche Produktion im November um 6,1 % und im Dezember um 8,1 % unter das Niveau des entsprechenden Vorjahresmonats. Im Werkzeug- und Verarbeitungsmaschinenbau betrugen die Rückgänge jeweils rund 10 %.

Gleichzeitig hat sich das Kostenniveau verschlechtert. Für das Gesamtjahr wird in der Industrie gegenüber den vorgesehenen 1,3 % eine Senkung des Kostensatzes von nur 0,1 % eingeschätzt. Es darf nicht übersehen werden, dass sich im Oktober der Kostensatz um 0,9 %, im November um 1,5 % und im Dezember um 3 % erhöhte.
Im Bauwesen wurde - auch bedingt durch den Rückgang von Arbeitskräften - insgesamt kein Leistungsanstieg gegenüber dem Vorjahr erreicht.

Dadurch entstanden in der Industrie und im Bauwesen Gewinnrückstände zum Plan in Höhe von ca. 4,5 Mrd. M.

Durch die hohen Anforderungen an das Verkehrswesen infolge des zum Teil chaotische Formen annehmenden Reiseverkehrs in IV. Quartal kannten negative Wirkungen auf den Gütertransport nicht verhindert werden. Hervorzuheben ist, dass zum Jahresende eine Stabilisierung im Gütertransport erreicht sowie im Verkehrswesen die geplanten Effektivitätskennziffern per 31.12.89 in Größenordnungen von rund 300 Mio. M im Nettogewinn und von 12,5 Mio. VM im NSW-Saldo überboten wurden.

Durch die Werktätigen der Landwirtschaft wurden die geplanten Leistungsziele in der Tierproduktion erfüllt und überboten, während sie in der Pflanzenproduktion aufgrund der komplizierten Witterungsbedingungen (Trockenheit im Frühjahr und Sommer) nicht erreicht werden konnten.

Die Pflanzenproduktion realisierte einen Gesamtertrag von 46,8 dt Getreideeinheiten je Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche. Bei Getreide wurden 10,8 Mio. t geerntet; der Minderertrag gegenüber dem Planziel betrug 0,8 Mio. t. Die größten Ausfälle aufgrund der Witterungsbedingungen sind bei Zuckerrüben, Kartoffeln und bei Grobfutter zu verzeichnen. Es war notwendig, zusätzlich 1,5 Mio. t Futtergetreide zu importieren, um die Auswirkungen auf die Futterlage auszugleichen und im Jahr 1990 die geplante Tierproduktion zu sichern.

Unter Berücksichtigung dieser Faktoren wird der Staatshaushalt 1989 voraussichtlich mit einem Defizit von rd. 6 Mrd. M abschließen.

Die grundlegende Feststellung besteht darin, dass auch unter außerordentlich komplizierten Bedingungen das Funktionieren der Wirtschaft und die Versorgung der Bevölkerung im IV. Quartal mit großen Anstrengungen Im Wesentlichen gewährleistet wurde.

Die letzten Wochen haben gezeigt, dass werktätige vielerorts durch persönlichen Einsatz Leistungs- und Effektivitätsreserven erschlossen haben und auch die Sofortmaßnahmen der Regierung erste Ergebnisse brachten, an die angeknüpft werden kann. Zu den erfreulichen Resultaten gehört, dass die für die Sicherung der Rohstoffimporte übernommenen Exportverpflichtungen gegenüber der UdSSR im Wesentlichen erfüllt wurden und die Exporte in das nichtsozialistische Wirtschaftsgebiet gegenüber dem Vorjahr um 8,5 % gewachsen sind. Die Investitionsziele wurden bei allerdings zum Teil hohen unsaldierten Rückständen wertmäßig erreicht.

Es ist hervorzuheben, dass die Versorgung der Bevölkerung, insbesondere mit Waren des Grundbedarfs, trotz der hohen zusätzlichen Belastung durch den Tourismus sowie der starken Abkäufe hochwertiger Konsumgüter in den Monaten November und Dezember im Wesentlichen gesichert werden konnte. Daran haben die Mitarbeiter des Verkehrswesens, des Handels sowie Angehörige der bewaffneten Organe durch Einsatzbereitschaft und Fleiß einen bedeutenden Anteil.

2. Für die wirtschaftliche Entwicklung und Stabilität im I. Quartal 1990 hat die Regierung Entscheidungen getroffen. Schwerpunkte dabei sind die Sicherung der Bereitstellung von Rohstoffen, Zuliefererzeugnissen und Ersatzteilen sowie der Einsatz von Arbeitskräften in volkswirtschaftlichen Schwerpunktbereichen.

Für den Winter sind zur Versorgung mit Energieträgern im I. Quartal 1990 die erforderlichen Bereitstellungen von Heizöl, Braunkohlenbriketts, Steinkohle und Hochofenkoks, der Aufbau einer Kältereserve sowie die Voraussetzungen für die Elektroenergieversorgung auch unter komplizierten Winterbedingungen festgelegt. Das schließt die Verpflichtung aller Verbraucher ein, sparsam mit Energie umzugehen.

Die für die Bewältigung des Transports unter Winterbedingungen erforderlichen materiell-technischen Voraussetzungen bei der Eisenbahn, beim Straßenwesen sowie beim Seeverkehr und bei den Binnenwasserstraßen wurden geprüft und sind gegeben.

Wie festgelegt, wurden von den Generaldirektoren der Kombinate Anfang Januar ihre Planvorschläge für das I. Quartal 1990 eingereicht. Die Lage in den einzelnen Bereichen ist differenziert. Insgesamt muss damit gerechnet werden, dass vor allem aufgrund der verminderten Anzahl von Arbeitskräften die Produktion im I. Quartal 1990 insgesamt bei rd. 95,3 % im Verhältnis zum gleichen Zeitraum des Vorjahres liegen wird.

Durch die in der Lebensmittelindustrie verfügbaren Kapazitäten und Rohstoffe kann für das I. Quartal 1990 die Versorgung der Bevölkerung gewährleistet werden.

Der Planvorschlag der Generaldirektoren der Kombinate des Bereiches der Leichtindustrie beträgt im I. Quartal 1990 gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres 95,2 %.

Im Bereich der Schwerindustrie liegt das Produktionsniveau laut Planvorschlag für das I. Quartal 1990 bei 95,1 % und im Bereich des Maschinenbaus bei 95,5 %.

Die von den Kombinaten des Ministeriums für Bauwesen und Wohnungswirtschaft vorgeschlagene Bauproduktion beträgt unter Berücksichtigung von Veränderungen in den Gewerken von Neubau auf Instandhaltung und Reparaturen 66,7 % im Vergleich zum I. Quartal 1989.

Die von den Betrieben und Kombinaten vorgesehene Lohnentwicklung steht gegenwärtig für das I. Quartal noch nicht in Übereinstimmung mit der vorgeschlagenen Leistung, was jedoch zur Gewährleistung der Übereinstimmung zwischen Warenfonds und Kaufkraft und der Stabilität des Binnenmarktes gewährleistet werden muss.

Zur Erhöhung der Effektivität und zur Sicherung der Eigenerwirtschaftung der Mittel für den Reproduktionsprozess der Kombinate sowie zur Minderung des Defizits in Staatshaushalt sind Reserven, insbesondere durch die Erhöhung der Arbeitsproduktivität, die Senkung des Produktionsverbrauchs, die Verbesserung der Exportergebnisse sowie der Exportrentabilität und durch eine rationelle Bestandswirtschaft zu erschließen.

Zur Erhöhung des Exportanteils des I. Quartals 1990 ist die Verwendung des Endprodukts für das Inland und den Export unter Berücksichtigung der abgeschlossenen Jahresprotokolle mit den sozialistischen Lindern und den abgeschlossenen Verträgen im nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet zu prüfen. Dazu sind auf der Grundlage der Planvorschläge der Betriebe und Kombinate die notwendigen Entscheidungen zu treffen bzw. den verantwortlichen Bilanzorganen vorzulegen.

3. Im Jahre 1990 muss das Funktionieren der Volkswirtschaft gewährleistet und der Beginn einer Stabilisierungsphase eingeleitet werden, die voraussichtlich auch die Jahre 1991 und 1992 umfassen wird.

Gegenwärtig erfolgt auf der Grundlage staatlicher Orientierungsgrößen die Ausarbeitung von Vorschlägen für den Planentwurf 1990 durch die Kombinate, Betriebe und Einrichtungen sowie durch die örtlichen Staatsorgane bis 15.2.1990; das heisst, von unten nach oben.

Von grundlegender Bedeutung für die Einschätzung der Leistungsentwicklung 1990 sind die bedeutenden Veränderungen im gesellschaftlichen Arbeitsvermögen, die sich im Wesentlichen im 2. Halbjahr 1989 mit der Ausreise von rd. 343 800 Personen vollzogen haben.

Im Zusammenhang mit der Vorbereitung des neuen Wehrdienstgesetzes werden 31 600 Angehörige der bewaffneten Organe in dieser konzentrierten Form an bestimmten Standorten für den Arbeitseinsatz nicht mehr zur Verfügung stehen, wobei gleichzeitig 96 000 Arbeitskräfte aus der Armee in Ihrer bisherigen Tätigkeit verbleiben bzw. zu ihr zurückkehren. Außerdem werden durch die Amnestie von 16 000 in ausgewählten Kapazitäten der Produktion tätigen Strafgefangenen 12 000 bis Januar 1990 entlassen. Das Problem besteht in den eintretenden punktuellen Auswirkungen bei einzelnen Erzeugnissen, insbesondere der Zulieferindustrie, wodurch Störungen in ganzen Produktionsketten entstehen und gemeistert werden müssen.

Es muss damit gerechnet werden, dass aufgrund das starken Arbeitskräfteverlustes insbesondere in industriellen Ballungsgebieten und volkswirtschaftlich wichtigen Betrieben und noch weiter anhaltender Ausreisen im Jahre 1990 die Produktion um 4 - 5 % unter dem Niveau des Jahres 1989 liegen wird. Diesen Berechnungen liegt zugrunde, dass die Arbeitsproduktivität im Jahre 1990 um etwa 3 % gegenüber 1989 gesteigert wird. Das muss unter den gegebenen Bedingungen als eine angespannte Zielstellung eingeschätzt werden. Damit wird die Aufgabe unterstrichen, aus Verwaltungen, bewaffneten Organen und gesellschaftlichen Organisationen freigesetzte Arbeitskräfte für produktive Tätigkeiten zu gewinnen, umzuschulen und einzusetzen.

Aufgrund der Analyse des vergangenen Jahres ist es erforderlich, dem Plan zur Stabilisierung der Volkswirtschaft 1990 folgende Hauptgesichtspunkte für die Konzentration der zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte und materiellen sowie finanziellen Potentiale zugrunde zu legen:

- Sicherung der materiellen Versorgung der Volkswirtschaft insbesondere mit Zuliefererzeugnissen, Energieträgern und Rohstoffen zur Gewährleistung einer kontinuierlichen Produktion;

- Sicherung der Versorgung der Bevölkerung entsprechend den abgeschlossenen Vertragen insbesondere für das 1. Halbjahr 1990;

- Sicherung der mit der UdSSR vereinbarten Lieferungen für den Import der Energieträger und Rohstoffe;

- Sicherung der in den staatlichen Orientierungsgrößen vorgesehenen Exporte in das nichtsozialistische Wirtschaftsgebiet und Mobilisierung von Reserven zu ihrer Überbietung.

Dies muss verbunden werden mit einer Ökonomisierung des gesamten Reproduktionsprozesses insbesondere durch Senkung von unproduktivem Aufwand, um das Defizit im Staatshaushalt zu verringern.

Es ist von großer volkswirtschaftlicher Bedeutung, dass mit dem Abschluss des Jahresprotokolls mit der UdSSR und mit den Protokollen anderer sozialistischer Länder wichtige Grundlagen für die weitere Entwicklung unserer Volkswirtschaft gegeben sind, insbesondere durch die Lieferung lebenswichtiger Energieträger, Rohstoffe und Materialien. Die sich daraus ergebenden Verpflichtungen der DDR für den Export müssen fester Bestandteil der Pläne der Betriebe und Kombinate sein.

Bei allen Problemen muss festgestellt werden, dass die Volkswirtschaft der DDR über entwicklungsfähige Grundlagen zur Stabilisierung und der Wiedergewinnung von Dynamik bei Wachstum und Effektivität verfügt. Dazu gehören:

- Erfahrung, Tradition und ein hohes Qualifikationsniveau der Werktätigen,

- die in der Wirtschaft vorhandenen Arbeitskräftereserven, z.B. der hohe Anteil von Beschäftigten mit manueller Tätigkeit,

- das in Jahren gewachsene Leistungsvermögen der Betriebe und Kombinate mit hohem wissenschaftlich-technischem Niveau auf ausgewählten Gebieten und teilweise ein "Überhang" an wissenschaftlich-technischen Erkenntnissen,

- die über lange Zeit gewachsenen Außenmarktbeziehungen mit dem sozialistischen Wirtschaftsgebiet, insbesondere mit der UdSSR, mit guten Marktpositionen, die nicht preisgegeben werden sollten,

- die bedeutenden Entwicklungsmöglichkeiten bei der Kooperation und wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit der BRD in einem vertraglich geregelten Wirtschaftsverbund und die Möglichkeiten der Beteiligung am EG-Binnenmarkt,

- das relativ hohe Verbrauchs- und Ausstattungsniveau der Bevölkerung mit Konsumgütern sowie ein bedeutender neu geschaffener Wohnungsfonds, wobei andererseits der schlechte Zustand in vielen Altbaugebieten zu berücksichtigen ist, dem dringend abgeholfen werden muss,

- eine Insgesamt leistungsfähige Landwirtschaft auf genossenschaftlicher Grundlage mit hohen Viehbeständen,

- entwickelte genossenschaftliche und zum Teil auch private Eigentumsformen sowie die Erfahrungen mit privaten und halbstaatlichem Eigentum bis 1971,

- die Lage des Landes als Transitland von West nach Ost sowie von Nord nach Süd und umgekehrt sowie als potentielles Reiseland,

- die Möglichkeit, dass die Hauptstadt der DDR und Berlin-West sich zu einer Drehscheibe im Ost-West-Verhältnis entwickeln und territoriale Verbindungen eingehen können, was beiden Seiten zugute käme,

- das objektive Interesse der westeuropäischen Nachbarn an ökonomischer, politischer und militärischer Stabilität in Mitteleuropa und ihre wachsende Bereitschaft, sich dafür auch ökonomisch zu engagieren, und nicht zuletzt,

- die potentiellen ökonomischen Möglichkeiten weiterer Rüstungsbegrenzung.

III.

Aus der gegenwärtigen Lage der Wirtschaft ergeben sich folgende grundlegende Schlussfolgerungen:

- Entsprechend den Regierungserklärungen vor der 12. und 14. Tagung der Volkskammer der DDR besteht die wichtigste Aufgabe darin, die Wirtschaft der DDR aus der Krise zu führen, ihr Stabilität zu verleihen und Wachstumsimpulse zu geben.

Gegenwärtig geht es darum, das Funktionieren der Wirtschaft unter den Bedingungen eines anhaltenden Verlustes an gesellschaftlichem Arbeitsvermögen und gestörter Kooperationsbeziehungen zu gewährleisten.

Bei der Ausarbeitung der ökonomischen Ziele für 1990 ist von den realen Bedingungen auszugehen. Dabei ist die grundlegende Erfahrung der beiden letzten Jahrzehnte zu berücksichtigen, dass auch und gerade auf den gegenwärtigen Entwicklungsniveau der Produktivkräfte die Nutzung des Marktmechanismus und der Ware-Geld-Beziehungen eine entscheidende Voraussetzung für steigende Produktivität, internationale Wettbewerbsfähigkeit und wachsende Lebensqualität ist.

Durch die neue Wirtschaftspolitik, energische Schritte zur Verwirklichung der Wirtschaftsreform in Beachtung einer sozial und ökologisch orientierten Marktwirtschaft, eine höhere Wirksamkeit des Leistungsprinzips, der Initiative und des Unternehmergeistes sowie durch die Stärkung der materiellen Basis der Volkswirtschaft, darunter durch die Nutzung der Möglichkeiten der internationalen Arbeitsteilung und Zusammenarbeit, sind der Produktionsrückgang zu stoppen und die Voraussetzungen für die Wiedererlangung von Dynamik bei wachsender Effektivität zu schaffen. Dabei muss die Mitsprache und die Mitverantwortung der Werktätigen und ihrer gewählten Vertretungen den neuen gesellschaftlichen Anforderungen und ökonomischen Bedingungen entsprechend in höherer Qualität verwirklicht werden.

Die Regierung hat weitere konkrete Stabilisierungsmaßnamen beraten, die der Ausarbeitung und Verwirklichung der Ziele und Aufgaben der ökonomischen Entwicklung zugrunde gelegt werden. Sie enthalten Aufgaben zur Entwicklung einer bedarfsgerechten Produktion, zur vorrangigen Entwicklung volkswirtschaftlich entscheidender Zulieferungen für den Inlandsbedarf sowie zur besseren Ersatzteilversorgung, zur Erhöhung der Kfz-Instandhaltungsleistungen, Aufgaben zur Aufrechterhaltung der Leistungsfähigkeit der Fleisch- und Milchindustrie, der Getränkeversorgung sowie der Leistungen in der örtlichen Versorgungswirtschaft. Es sind energische Maßnahmen zu treffen, um im Interesse der Stabilität des Binnenmarktes und der Stärkung der Mark der DDR die Übereinstimmung der Entwicklung von Kauf- und Warenfonds, beginnend 1990, zu gewährleisten.

Der Stand der Arbeit macht deutlich, dass es erforderlich ist, 1990 beginnend, ein längerfristiges Stabilisierungsprogramm auszuarbeiten, das in Übereinstimmung mit den Etappen der Wirtschaftsreform bis in das Jahr 1992 reichen muss.

Es werden Hemmnisse beseitigt und neue Maßnahmen wirksam für die Entfaltung privater Initiativen, vor allem zur Erhöhung der Konsumgüterproduktion, zur Verbesserung der Dienstleistungen sowie für die Kooperation auf dem Gebiet der Zulieferungen.

Für die Vorbereitung volkswirtschaftlicher Strukturentscheidungen sind Varianten zu erarbeiten und vornehmlich mit Hilfe von marktgerechten Instrumentarien und Methoden zu verwirklichen, die von folgenden qualitativen Anforderungen ausgehen:

Zur Erhöhung der Leistungskraft der Volkswirtschaft der DDR ist eine umfassende Modernisierung und Erneuerung des gesamten Produktionsapparates sowie der Infrastruktur erforderlich. Voraussetzung hierfür ist eine breite internationale Öffnung der Wirtschaft der DDR mit dem Ziel der Erreichung internationaler Wettbewerbsfähigkeit, der Erweiterung der Zusammenarbeit mit der UdSSR und anderen RGW-Ländern und der Beteiligung am EG-Binnenmarkt.

Auf der Grundlage des hohen Wissens und Ausbildungsgrades, der reichen Traditionen und Erfahrungen der Werktätigen der DDR ist die breite Nutzung fortgeschrittenen Know-how und neuester technologischer Lösungen im internationalen Maßstab zur Sicherung höherer Arbeitsproduktivität und Effektivität zu gewährleisten. Dazu ist enge Wirtschaftskooperation, Kapitalbeteiligung und Wirtschaftshilfe aus führenden Industrieländern, insbesondere der BRD, nötig, dringlich und liegt im gegenseitigen Interesse.

Es geht darum, den erreichten Stand des Lebensniveaus der Bevölkerung durch die Verwirklichung einer neuen Wirtschaftspolitik, verbunden mit einer radikalen Wirtschaftsreform, zu bewahren und nach Überwindung der krisenhaften Erscheinungen entsprechend der Stärkung der Leistungskraft schrittweise weiter zu erhöhen.

Dabei ist die Einheit von Sozial-, Preis- und Subventionspolitik leistungsorientiert und mit dem Ziel der Erhöhung der Lebensqualität sowie durch die Verbindung von Ökonomie und Ökologie in einer neuen Qualität zu gewährleisten.

Das Ziel ist eine Leistungsgesellschaft, die die soziale Gerechtigkeit für alle Bürger einschließt, das Recht auf Arbeit, grundlegende soziale Sicherheit und demokratische Mitbestimmung gewährleistet.

Die Aufgaben zur weiteren Stabilisierung und Wiedererlangung von Wachstum und Dynamik der volkswirtschaftlichen Entwicklung der DDR sind untrennbar mit der zielstrebigen Verwirklichung der von der Regierung vorgeschlagenen radikalen Wirtschaftsreform verbunden.

Das Ziel der radikalen Wirtschaftsreform besteht darin, mit dem bisherigen System der zentral-bürokratischen Verwaltungs- und Kommandowirtschaft zu brechen und stattdessen zu einer Marktwirtschaft mit entwickelten Ware-Geld-Beziehungen überzugehen.

Es geht um die Entwicklung eines demokratischen, das heißt dem Volke verpflichteten Wirtschaftssystems, das sozialen und ökologischen Erfordernissen Rechnung trägt, hohe Effizienz gewährleistet und für alle Eigentumsformen sowie private Initiative und Unternehmensgeist umfassende Entwicklungsmöglichkeiten bietet.

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