FÜR EINE SOZIALISTISCHE RÄTEREPUBLIK

In Sorge, um die Zukunft unseres Landes wenden wir uns als Marxisten an ALLE! die einen demokratischen Sozialismus wollen. In der DDR, die ihre Existenzberechtigung aus ihrer sozialistischen Entwicklung erklärt, steht die Überlebensfrage des Sozialismus. Partei- und Staatsapparat haben uns in die schwierigste gesellschaftliche Krise geführt. Diese Krise ist keine Krise des Sozialismus schlechthin, sondern die des bisherigen, des stalinistischen. Die Chance für einen Neubeginn hat das Volk mit der Oktoberrevolution1989 eröffnet.

Um sie zu nutzen, müssen wir uns vom stalinistischen Modell radikal trennen. Seine administrativ-zentralistischen und bürokratischen Säulen sowie das darauf beruhende System der Angst vor Konsequenzen bei wahrhaft demokratischer Willensbildung müssen hinweggefegt werden. Schaffen wir neue, wirklich demokratische Strukturen, die Machtfülle und -missbrauch sowie Disziplinierung und Entmündigung des Volkes durch Einzelne oder Gruppen unmöglich machen!

Besinnen wir uns der revolutionären, basisdemokratischen Traditionen, beleben wir diese mit zeitgemäßen Inhalten, und beginnen wir endlich einen wahrhaft demokratischen Sozialismus aufzubauen.

Solche Traditionen sind in der Rätebewegung zu suchen. Diese blieb in der Novemberrevolution 1918/19 auf halbem Wege stehen und auch nach dem Neuanfang, in den Jahren nach 1945, wurde sie durch den Stalinismus beseitigt.

Führen wir die Rätebewegung endlich zum Erfolg, indem wir auf allen Ebenen, von unten nach oben, eine sozialistische Rätedemokratie aufbauen. Das Volk muss der wahre Souverän seines Handelns werden.

EILE TUT NOT! Die Zeit arbeitet gegen uns. Je später wir anfangen, desto größer wird die Gefahr, auch die letzte Chance zu vertun.

Ausgangspunkt für Leben und damit für den Sozialismus bleibt die Erhaltung des Friedens und des natürlichen Lebensraumes der Menschen. Bisher existierende Gesellschaftsmodelle, ob Kapitalismus noch stalinistischer Sozialismus, haben es nicht vermocht, diese Lebensfragen zu lösen.

Wir unterbreiten daher als Diskussionsgrundlage unsere Plattform, die Hauptrichtungen einer demokratischen Erneuerung des Sozialismus umreißen will.

DIE "FÜHRENDE ROLLE" DES VOLK

Alle Macht muss vom Volk ausgehen. Deshalb sind auf allen Ebenen Räte zu bilden, über die die Interessen der Menschen durchgesetzt werden. Räte sind betrieblich und kommunal durch Vollversammlung direkt und geheim zu wählen. Alle Mitglieder der basisdemokratischen gewählten Räte sind jederzeit rechenschaftspflichtig und durch die Vollversammlung abwählbar. Die Arbeit der Räte ist öffentlich und damit ständig kontrollierbar.

Die Räte organisieren regelmäßig öffentliche Arbeitsgruppen. Damit haben sie ständigen Zugriff zu den Ideen des Volkes. Räte sind organisationsunabhängig. Parteien und Organisationen können nur über gewählte Vertreter in den Räten wirken.

Die Rätebewegung wird einen national koordinierenden Volksrat hervorbringen. Konkrete Strukturen entwickelt die Rätepraxis - wir können diese nicht als Modell vorwegnehmen.

Das Volk ist der Souverän, alle Gewalt ist unteilbar.

Der Volksrat in der DDR ist, wie jeder Rat, beschließende und ausführende Körperschaft, die die Gewaltenteilung aufhebt.

VERNÜNFTIGE WIRTSCHAFT - GESUNDE UMWELT

Der Produzent muss der Hauptnutznießer des gesellschaftlichen Reichtums werden.

Folgende Eigentumsformen sind möglich:

Des gesamtgesellschaftliche Eigentum, mit dem die Interessen jedes einzelnen gewährt werden sollen, angefangen von Gesundheit, Wissenschaft bis hin zu Verkehr und Kommunikation.

Das Gruppeneigentum und der hier erwirtschaftete Nettogewinn sind Besitz der Produzenten in Industrie, Landwirtschaft und Handwerk. Der Nettogewinn der Betriebe allen bestimmt das Einkommen der Produzenten.

Das gemischte Eigentum ist die Verbindung verschiedener Eigentumsformen.

Dem Privateigentum ist breiter Spielraum im Dienstleistungssektor zu gewähren.

In allen Eigentumsformen garantiert das Rätesystem ein Mindestmaß an sozialer Sicherheit und verhindert Unternehmungswillkür. Die Produktion und deren Planung müssen sich am Markt orientieren. Der Gewinn realisiert sich über den Markt. Dafür ist effektive Produktion Voraussetzung. Über das Rätesystem bestimmen die Produzenten der materiellen und geistigen Güter, letztlich was und wie produziert und verteilt wird. Ein schlecht arbeitender Intellektueller wird genauso schlecht bezahlt wie ein schlecht arbeitender Arbeiter, Bauer oder Handwerker. Der Hervorragende leistende Arbeiter wird ebenso entlohnt wie ein Spitzenleistung bringender Wissenschaftler, Künstler, Arzt und Ingenieur. Auf Basis breitester Aufklärung über konkrete ökologische Gefahren entscheiden die Produzenten, was ökologisch nötig und möglich ist. Es ist ein ökologisches Bewusstsein zu schaffen, dass in Zukunft ausschließt, Verbrechen an uns selbst zu wiederholen.

Wir bekennen uns zum Prinzip: "Global denken, lokal handeln!"

GRUNDWERTE DES RÄTESOZIALISMUS SOLLTEN SEIN:

Halle im November 1989 - Plattform Rätebewegung

Frank B(...), Forschungsstudent, Halle
Lutz B(...), Lehrer, Halle-Neustadt
Bernd B(...), Lehrer, Halle-Neustadt
Dr. Werner D(...), Historiker, Halle
Thomas D(...), KfZ-Schlosser, Halle
Gerd H(...), Forschungsstudent, Halle
Martin K(...), wiss. Assistent, Halle
Andreas M(...), Aspirant, Halle
Hartmud W(...), Lehrer, Halle-Neustadt
Dr. Manfred Z(...), Historiker, Halle

aus: gesammelte Flugschriften DDR `90, Heft 3, März 1990, erstellt von der Initiative für eine Vereinigte Linke, Technische Gestaltung, Produktion und Vertrieb: ASTA TU Berlin

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