Ausländer unter uns

In einem offenen Brief an den Verfassungs- und Rechtsausschuss der Volkskammer vom 2.12.1989 macht die Arbeitsgruppe Multikulturelle Gesellschaft des NF-Pankow auf die katastrophale Lage der Ausländer in der DDR aufmerksam.

Die Arbeitsgruppe verweist auf Verträge über die Einfuhr von Arbeitskräften, die nichts anderes bedeuten als Menschenhandel. Das Ausländergesetz vom 28.6.1979 (Gbl. T 1/77) steht im großen Gegensatz zur Verfassung der DDR, zur Völkerverständigung und friedlichen Koexistenz, zum internationalen Völkerrecht und zum Asylrecht. (Ein Recht auf Asyl ist in diesem Gesetz nicht gegeben, nur die mögliche Gewährung oder Aberkennung.)

Aufgrund dieses Gesetzes konnten massenhaft Arbeitskräfte mit befristetem Aufenthalt und ohne freie Wahl des Wohnsitzes in die DDR geholt werden. Ihre Lebensbedingungen sind zutiefst menschenunwürdig. Sie leben zumeist auf engstem Raum in Wohnheimen von ihren Familien getrennt, dürfen nicht heiraten oder Kinder bekommen. Zuwiderhandlungen würden auf drastische weise geahndet. Sie haben unzureichende Begegnungsstätten, Betreuung und Beratung, leben isoliert, oft stark konzentriert. Ohre Ausbildung entspricht generell nicht den Erfordernissen in ihren Ländern.

Gefordert wird im Brief:

- Veröffentlichung der objektiven Situation der Ausländer in der DDR

- Beseitigung aller inhumanen Arbeits- und Lebensbedingungen

- Einrichtung von Beratungs- und Betreuungsstätten und Kultureinrichtungen

- Einsetzung eines Beauftragten für Ausländerfragen und einer gesellschaftlichen Kontrolleinrichtung

- Änderung des Ausländer- und Asylrechtes

- Unterzeichnung der UNO-Flüchtlingskonvention

Trotz tagespolitischer Ängste vor Ausverkauf sollte man sich jetzt nicht des menschlichen Grundwertes Solidarität berauben lassen. Die Arbeitsgruppe tritt ein für eine farbige, lebendig demokratische Republik, in der ausländische Bürger eine soziale und kulturelle Bereicherung darstellen.

B.R.

aus: "Die Panke", Herausgeber: Neues Forum Pankow, Nr. 2, '90