Zur Ethik und Moral des Sports

NEUES FORUM übergab dem ADN ein Positionspapier

Ein Positionspapier "Zur Ethik und Moral des Sports" übergab die Arbeitsgruppe Sport beim Neuen Forum Leipzig dem ADN. Dabei wird davon ausgegangen, dass der Sport in der DDR radikale Reformen braucht, die die veränderten politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse berücksichtigen.

"Der neue Sport der DDR wird nur dann ein Sport des Volkes sein, wenn er seine Vergangenheit offen legt und bereit ist, sie zu überwinden", heißt es. In diesem Zusammenhang wird darauf verwiesen, dass Partei und Regierung der DDR den Sport missbraucht und den Leistungssport als strahlende Fassade errichtet hätten. Das alles sei auf Kosten der Volkswirtschaft, des Volkssports und damit der Volksgesundheit erkauft worden. "Die Notwendigkeit, das Sein der DDR durch den Schein olympischer Medaillen aufzupolieren, verlangte die vorrangige leistungssportliche Förderung olympischer Disziplinen." In dem Positionspapier wird ferner festgestellt, dass die Möglichkeiten der sportlichen Betätigung für die Bürger der DDR weit unter dem Standard entwickelter Industrie-Nationen liegen. Private Initiativen zur Behebung dieses Notstandes wurden und werden vom DTSB (beispielsweise Genehmigung privater Fitnesszentren) unterbunden. Die ernsthafte Unterstützung des Volkssports ende[t] mit dem Erkennen des leistungssportlichen Talents.

Weiterhin heißt es, das quantitative und qualitative Angebot an Sportbekleidung, -geräten, -ausrüstungen und -anlagen reiche bei weitem nicht aus, um die Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen. Der Hinweis auf den "Sportplatz Natur" füge der Gesundheit - wie das Beispiel Leipzig zeigt - durch Verunreinigung der Umwelt eher Schaden zu. "Die Existenz des Volkssports in der DDR ist also weniger eine Leistung von Partei und Regierung, sondern vielmehr das Verdienst ungezählter ehrenamtlicher Helfer, die als Übungsleiter, Kampf- und Schiedsrichter, Sportmediziner und Funktionäre fleißig und aufopferungsvoll arbeiten."

"Die Schreibtischtäter und ihre allzu willfährigen Helfer" seien die eigentlichen Verursacher der tiefen moralischen Krise des Sports in der DDR. Nicht die Soldaten des Sports (Spitzensportlern, . . . Trainer . . . usw.), sondern seine Generale, die für die Errichtung des perfekten Kasernensozialismus im Leistungssport Dank und Anerkennung ernteten und weiterhin mit Stolz auf diese 'Leistung' verweisen, gehören an den Pranger!" Hervorgehoben wird, dass der Zorn der Bevölkerung sich deshalb auch nicht - wie in zahlreichen Erklärungen glaubhaft gemacht werden soll - gehen den Leistungssport und den Leistungssportler an sich - sondern gegen ihren jahrzehntelangen Missbrauch wendet. Das Neue Forum stellt die Fragen noch der Positionierung der SED zum Leistungssport.

Um den politischen Missbrauch des Sports für immer auszuschließen, um den Glauben des Volkes an die Ideale des Sports wiederherzustellen, muss sich der DTSB zu eindeutigen Reformen bekennen. "Solange keine klaren vertrauensbildenden Konzeptionen und Strategien über den zukünftigen Kurs der Sportorganisation auf dem Tisch liegen, so lange wird das Volk nicht bereit sein, auch nur eine müde Mark für den Sport auszugeben", wird im Positionspapier unterstrichen.

Das Neue Forum äußert seine Betroffenheit darüber, mit welcher Zaghaftigkeit und Inkonsequenz dringend erforderliche Reformen in Angriff genommen werden. "Jede Halbherzigkeit schafft neues Misstrauen." Deshalb fordert die Vereinigung die sofortige Trennung von Partei und Sport, denn nach der jüngsten Beratung des DTSB-Bundesvorstandes sitzen weiterhin "sechs altgediente SED-Funktionäre an den Schalthebeln des alten Machtapparates des Sports". Es werden die Sicherung aller vertraulichen, streng vertraulichen und geheimen (Vertrauliche Verschlusssachen) Archivalien des DTSB verlangt. Erfolgen müsse eine umgehende Aufklärung moralischer, ethischer und finanzieller Vergehen (Fehlentwicklung des Sports, Doping, Unterschlagungen usw.). Unverzüglich seien richtungweisende Konzeptionen und Strategien zu erarbeiten, in denen der Einheit von moralischem und wirtschaftlichem Handeln Ausdruck verliehen wird.

Abschließend wird geäußert, dass die Vertreter des Neuen Forum bereit sind, die Erneuerung des Sports in der DDR weiterhin durch konkrete Beiträge zu unterstützen. "Nutzen wir die Kraft der Basis, um mit Sachlichkeit und Besonnenheit realistische Ziele und Aufgaben des Volks- und Leistungssports zu formulieren. Suchen wir gemeinsam nach Lösungswegen, die frei von unangemessenen finanziellen Forderungen die Existenz des DDR-Sports sichern. Stellen wir auch unsren Sport in den Dienst der Völker unterstützen wir ein gemeinsames 'Unternehmen Olympische Spiele 2004 in Berlin', fördern wir die Vertragsgemeinschaft zwischen der BRD und der DDR, zwischen beiden Teilen Berlins, die durch kluges Management in ideeller und materieller Hinsicht beiden Staaten zum Vorteil gereicht.

aus: Märkische Volksstimme, Nr. 289, 08.12.1989, 44. Jahrgang, Sozialistische Tageszeitung im Bezirk Potsdam, Herausgeber: Bezirksleitung Potsdam der SED

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