"Wir waren entsetzt und empört"

Das Neue Forum hat eine Quotierungsregelung abgelehnt / Irena Kukutz vertritt das Neue Forum im Ausschuss "Gleichstellung von Frau und Mann" des Runden Tisches

INTERVIEW

taz: Bei der Landesdelegiertenkonferenz des Neuen Forums wurde die Forderung nach Quotierung einfach gekippt. Wie lautete euer Vorschlag?

Irena Kukutz: Damit Frauen ihre Forderungen nicht nur zu formulieren, sondern auch durchzusetzen lernen und eine politisch wirksame Vertretung ihrer Interessen gewährleistet ist, strebt das Neue Forum die Quotierung aller gesellschaftlich relevanten Positionen an.

Mit welcher Begründung wurde euer Vorschlag abgelehnt?

Damit, dass dieser Punkt eigentlich ins Statut gehört und nicht ins Programm. Darin wurde der Begriff Quotierung jetzt ersetzt durch die verwaschene Formulierung: ein ausgewogenes Verhältnis aller gesellschaftlich relevanten Positionen.

Warum haben Frauen sich dieses Abstimmungsergebnis gefallen lassen?

Erstens war zu diesem Zeitpunkt die Müdigkeit schon weit verbreitet. Unsere Hoffnung war, dass im Statut dann wenigstens eine genauere Formulierung zur Quotierung kommen würde. Das Schlimme war dann, dass die Diskussionen über das Statut so kurz ausfielen, dass im Statut jetzt eine genauso verwaschene Formulierung steht wie im Programm. Und die Anträge für eine 40-Prozent- beziehungsweise 50-Prozent-Quotenregelung wurde alle abgeschmettert. - Außerdem ist unter den Frauen dieses Thema leider noch nicht genug im Bewusstsein.

Welche Konsequenzen zieht ihr daraus?

Ich denke, wir können jetzt nur eine Diskussion darüber in Gang setzen. Weil eben ganz viele Frauen selber der Meinung sind: Wir arbeiten an der Basis, das ist wichtiger, als sich in Positionen zu schieben, wo sowieso nur die Männer dominieren. Aber das Abstimmungsergebnis zeigt ja, wie nötig es ist, dass es mehr Frauen auch oben gibt. Forumsfrauen aus den verschiedenen Stadtbezirken haben sich bereits getroffen, und die aktiven sind sich einig, dass wir die Quotierung brauchen.

Ein weiterer Punkt der Besorgnis: Auch Mitglieder des Neuen Forums stellen inzwischen die Abtreibungsfreiheit in Frage. Wie verlief die Debatte?

Sehr hitzig und sehr kontrovers und von Männern geführt bezeichnenderweise.

Und wie haben sich die Frauen verhalten?

Die waren entsetzt und empört. Weil wir auch überrascht sind, dass diese Diskussion jetzt auch bei uns anfängt.

Hat das Neue Forum zur Abtreibungsfrage letztlich Position bezogen?

Ja, und glücklicherweise ist sie schärfer ausgefallen als im ersten Entwurf. Das haben die Delegierten aus lauter Müdigkeit offenbar nicht so richtig mitbekommen. Sie lautet nun: ...unsere Gesellschaft muss alle Möglichkeiten ausnutzen und entwickeln, um Leben und dessen Entfaltung zu ermöglichen. Aber das Recht auf Schwangerschaftsabbruch darf keinesfalls angetastet werden.

Interview: Ulrike Helwerth

aus: taz, 30.01.1990