Erstes Gespräch in Dresden

Herr XY vom Neuen Forum über den Inhalt der Gespräche zwischen Kirche, Demonstranten und Oberbürgermeister Berghofer / Pressefreiheit, Reisefrage

INTERVIEW

taz: Am Montagabend wurde in Dresden über den ersten Dialog mit Oberbürgermeister Berghofer informiert. Was wissen Sie darüber in Dresden?

XY: Am Sonntag war eine Gruppe von Demonstranten und Kirchenleuten beim Oberbürgermeister Berghofer von neun Uhr morgens bis mittags. Bei dem Gespräch wurden folgende Punkte angesprochen und vom Oberbürgermeister eine Stellungnahme gefordert: 1. Freilassung der Verhafteten und Aufhebung der Ordnungsstrafen.

Gab es eine konkrete Zusage?

Ja, ich habe den Bericht jedenfalls so verstanden. Als zweiten Punkt diskutierte man über Pressefreiheit, Veröffentlichung von Ereignissen und das allgemeine Problem der Wahrhaftigkeit. Dazu hatte die Gruppe selber einen Text formuliert, der aber leider bisher noch nicht in der Zeitung aufgenommen wurde. Drittens war die Legalisierung vom Neuen Forum angesprochen worden. Dazu wollte Berghofer aber keine Stellung nehmen. Das klang sehr entschieden, wobei das Neue Forum ja nicht verboten ist, sondern wegen angeblich fehlender Nachfrage nicht als Vereinigung zugelassen wird.

Dann ist viertens die Reiseproblematik angesprochen worden, überhaupt ins sozialistische und westliche Ausland. Da wurde an die offiziellen Stellen verwiesen. Fünftens redete man über das Wahlgeschehen in der DDR. Da hat der Oberbürgermeister der Intention der Gruppe wohl zugestimmt. Es soll gefallen sein: "Wahlen müssen Wahlen bleiben."

Dann ist sechstens wegen eines zivilen Wehrdienstes angefragt worden. Darauf wurde geantwortet, dass dieses Problem die Kompetenz eines Oberbürgermeisters überschreite. Weitere Ausführungen habe ich in der Kirche akustisch nicht mitkriegen können.

Unmittelbarer Anlass des Gespräches waren doch wohl die täglichen Demonstrationen seit einer Woche. Darüber ist nicht verhandelt worden?

Doch, der Oberbürgermeister hat hervorgehoben, die Demonstrationen seien illegal, weil sie nicht angemeldet wurden. Positiv aber ist aus dem Gespräch rausgekommen, dass der Dialog unter den Menschen weiter geführt werden kann. In der nächsten Woche wird ein weiteres Gespräch zwischen der spontan entstandenen Demonstrantengruppe und dem Oberbürgermeister stattfinden.

Haben Vertreter des Neuen Forums an dem Gespräch teilgenommen?

Nein. Das Neue Forum existiert hier so noch nicht. Jeder weiß natürlich, dass da Leute sind. Aber weil es noch nicht zugelassen ist, kann das Neue Forum auch noch nicht offiziell auftreten.

aus: taz, 11.10.1989