So eine Frau möchte ich nicht sein

(Gespräch mit Dietlind Steinhöfel, Sprecherrat des NEUEN FORUM Weimar)

DIE ANDERE: Dietlind, Du hast auf der Leipziger Delegiertenkonferenz des NEUEN FORUM gegen die Frauen-Quotierung im Statut plädiert. Du meintest, es sei diskriminierend, in eine Funktion gewählt zu werden, nur weil man eine Frau ist.

D. Steinhöfel: Als wir in Weimar die Nominierungsliste zu den Rathausgesprächen abgaben und die Hälfte der Oppositions-Vertreter Frauen waren, meinte der Oberbürgermeister: "Oh, da muss ich ja auch noch Frauen schicken." Die solcherart "Quotierten" saßen da und schwiegen. So eine Frau möchte ich nicht sein. Andererseits ist mir klar, dass in bestimmten festen Strukturen (z. B. Kirche) solche Quotierungen noch nötig sind, um für das Problem zu sensibilisieren.

DIE ANDERE: Und im NEUEN FORUM?

D. Steinhöfel: Wir sind eine basisdemokratische Bewegung. Da gibt es einen Großteil Männer, die dafür schon aufgeschlossen sind. Als wir uns alle im Weimarer Sprecherrat vorstellten, erhielt z.B. ein Mann großen Applaus, als er mitteilte, dass er Vater von 4 Kindern und im Babyjahr sei. Eine Basisbewegung wie das NEUE FORUM hat die Chance, so etwas von unten her wachsen zu lassen. Dazu ist Bereitschaft der Männer und Solidarität unter den Frauen nötig.

DIE ANDERE: Wie sieht das in der Praxis aus?

D. Steinhöfel: Als im letzten September in Weimar die erste Gruppe des NEUEN FORUM gebildet wurde, lud der Initiator nur Männer dazu ein. Ich bin einfach mitgegangen - und wurde als "Quotenfrau" akzeptiert. Das hat mir missfallen, aber in der sachlichen Atmosphäre, die herrschte, wurde ich schnell integriert. Ich habe dann von mir aus weitere Frauen zur Mitarbeit vorgeschlagen und sie auch ermutigt, Funktionen zu übernehmen.

DIE ANDERE: Warum müssen Frauen dazu ermutigt werden?

D. Steinhöfel: Es gibt genug Gründe, warum viele Frauen außerhalb der Familie keine Verantwortung übernehmen - sie schaffen es kräftemäßig nicht. ich habe den Freiraum dafür, dank einer guten, in vielen Jahren gereiften Partnerschaft mit meinem Mann. Das ist für mich der Punkt; wirkliche Freiheit der Frau kann kein Gnadenakt sein, sondern nur das Ergebnis von Erkenntnis auf beiden Seiten. Darum wünsche ich mir zu diesem Thema im Programm des NEUEN FORUM einen ganz besonders gut ausgearbeiteten Vorschlag, der Frauen und Männer in Bewegung bringt. Frauen sollten z.B. auch für die Ängste von Männern, die aus ihrem Rollenverständnis rühren, Verständnis haben.

DIE ANDERE: In Berlin wurde nun am 27./28. Januar nach heißer Diskussion das Programm des NEUEN FORUM verabschiedet. Bist Du mit der Behandlung des Themas zufrieden?

D. Steinhöfel: Wie das ganze Papier kaum genaue Formulierungen aufweist, so finde ich auch den Punkt "Gleichstellung von Mann und Frau" nicht systematisch genug behandelt. Ich hätte das gerne konkreter formuliert gesehen, um die Ursachen der Ungleichheit anzugehen, die m. M. nach in Tradition und Erziehung von Männern und Frauen liegen. Aber leider liefert das Programm dazu nicht genug Material. Und die Diskussion ist von der Männermehrheit abgewürgt worden. Dadurch wurde das Thema auch noch emotional stark aufgeheizt.

DIE ANDERE: Was wünschst Du Dir hinsichtlich des Programms für die Zukunft?

D. Steinhöfel: Ich hätte gerne, dass alle Punkte des Programms einzeln, mit genügend Zeit, Toleranz und Sachlichkeit ausdiskutiert würden. Das wäre eine gute Basis für die Weiterentwicklung dieses Papiers. Aber ich kann mit seiner Vorläufigkeit leben - es entspricht der Situation im Land.

aus: Die Andere, Nr. 3, 08.02.1990, Zeitung für basisdemokratische Initiativen im Auftrag des Landessprecherrates des Neuen Forum, herausgegeben von Klaus Wolfram