"Frauen jetzt"

Frauen kommen langsam, aber . . .

Ein Gespräch mit Petra Fritze und Dagmar Engricht, Sprecherinnen der Initiativgruppe "Frauen jetzt" Suhl

Viele reden jetzt über die "Frauenfrage". Sollte sich engagierte Frauen nicht lieber an der Profilierung der Parteien beteiligen?

P. F. Ich bin überzeugt davon, dass dann die Probleme, die Frauen besonders betroffen machen, wieder unter den Tisch fallen. Wir wollen ja gerade erreichen, dass Männer auf die Frauenfrage reagieren müssen, dafür sensibilisiert werden. Zumal die neuen Parteien ebenso mehrheitlich patriarchisch strukturiert sind.

D. E. Wenn wir jetzt nicht unser Veto einbringen, werden wir dem Zug der Politik hinterher winken. Und das wäre in dieser sozial gefährdeten Situation fatal.

Die Vorstellung mancher Politiker zur Abschaffung von Kinderkrippen und Schulspeisung, der Dezimierung von Kindergärten nimmt bedrohliche Gestalt an. Endkonsequenz wäre für viele Frauen: Zurück an den Herd ...

D. E. Das würde eine erneute finanzielle Abhängigkeit vom Mann bedeuten. Die Ehe wieder als Versorgungseinrichtung. Denn ob der Mann zu Hause bei den Kindern bliebe, ist mehr als fraglich. Und was würde mit den alleinerziehenden Müttern? Alles Fragen, die besorgt machen, zumal die Volksbildung noch keine konkreten Aussagen getroffen hat. Daraus resultiert auch die gespannte Situation an den Schulen. Was wird mit dem Hort? Werden die Lehrstellen weiter vermittelt? Unsere Aufgabe ist es, den Erhalt dieser sozialen Errungenschaften zu fordern.

P. F. Es wäre einfach ein enormer Rückschritt in der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung. Zwar wird Karl Marx jetzt nicht mehr gern zitiert, aber seine Erkenntnis, dass die Emanzipation der Frau ein natürliches Maß für die Emanzipation der Gesellschaft ist, gilt mehr denn je.

Mit welchen Forderungen bringt Ihr euch beispielsweise am Runden Tisch ein?

D. E. Dort weisen wir immer wieder ganz vehement auf soziale Probleme hin, die ja eigentlich nicht nur die Frauen angehen. Zum Beispiel wurde unser Antrag einstimmig angenommen, dass beim nächsten Runden-Tisch-Gespräch der Stadtrat für Volksbildung Rechenschaft ablegen muss.

Eines unserer Fernziele ist dann auch die Einrichtung eines Frauenhauses. Ein Treffpunkt für Frauen in Notsituationen, aber auch ein Ort, an dem sie juristisch, medizinisch und auch in Haushaltsführung beraten werden können. So irrig es jetzt noch klingt, auch eine zentrale Babysittervermittlung würde dort zu finden sein. Und einfach ein Ort zum Kommunizieren.

Ein Dreh- und Angelpunkt ist die Stellung der Frau in der Familie. 1989 wurden fast 50 000 Scheidungen in der DDR ausgesprochen. Auch eine Folge des gescheiterten Bemühens um Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Haushalt. Welche Vorstellungen habt ihr hierzu?

Bisher war es unüblich, dass der Mann ein Teil des Babyjahres nehmen konnte, da es ja auch zumeist mit finanziellen Einbußen verbunden war Es geht aber nicht nur um neue Mütterlichkeit, sondern auch um neue Väterlichkeit.

Eine letzte Frage. Die Probleme, die ausgesprochen wurden, betreffen ja alle sozialen Schichten. Würdet ihr euch als Emanzenklub bezeichnen?

D. E. Nein. In der Initiativgruppe sind alle Berufsgruppen vertreten, und das Altersspektrum reicht von 20 bis 50.

P. F. Letztendlich zielt die Verbesserung der Frauenpolitik auch auf eine verbesserte Atmosphäre in der Familie. Außerdem richtet sich diese neue Art von Frauenbewegung gegen eine erneute Ausgrenzung von Alleinstehenden, älteren Bürgerinnen, Ausländerinnen und auch Lesben, die bisher in der Angst vor Diskreditierung leben mussten.

Für das Gespräch bedanken sich
A. Riediger und Katrin Schwab

aus: Freies Wort, Nr. 36, 12.02.1990, 39. Jahrgang, Unabhängige Tageszeitung für Südthüringen

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