Gespräch mit HELGA ENGEL, Gleichstellungsbeauftragte

Quotierung bei gleicher Fachkompetenz

Sie sind seit Januar Gleichstellungsbeauftragte im Ministerium für Maschinenbau. Damit waren Sie die erste Frau der DDR in einem solchen Amt. Wie kamen Sie dazu?

Der Unabhängige Frauenverband (UFV) brachte zur Jahreswende die Forderung nach einem Ministerium für Gleichstellung am Runden Tisch ein. Ich habe diesen Gedanken aufgegriffen und dem Minister für Maschinenbau den Vorschlag unterbreitet, eine Gleichstellungsbeauftragte zu berufen. Die Gelegenheit war günstig, da zu diesem Zeitpunkt aus vier ehemaligen das neue Ministerium entstand und Umstrukturierungen eben gerade bei Verwaltungs-Frauen bevorstand. Der Minister sah in mir wahrscheinlich die beste Anwältin.

Was haben Sie vorher gemacht?

Von Beruf bin ich Gießereiingenieur, war in der Forschung und habe in einer Fernaspirantur in der UdSSR zur Dr. Ing. promoviert. In den vergangenen vier Jahren habe ich im Ministerium gearbeitet und war dort Vorsitzende der Frauenarbeitsgruppe. Eine unserer wichtigsten Aufgaben damals war, Frauen für Leitungsfunktionen zu gewinnen.

Was ist jetzt Ihre Aufgabe, und wer unterstützt Sie?

Das Wort Gleichstellung gehört ja noch nicht lange zu unserem Wortschatz. Die Gedanken, die der UFV da einbrachte, sind für mich unverzichtbar. Ich arbeitete am Runden Tisch in der Arbeitsgemeinschaft Gleichstellung von Mann und Frau mit. Meine Hauptaufgabe ist jetzt, in den mehr als 40 Kombinaten und über 500 Betrieben darauf Einfluss zu nehmen, dass Frauen nicht benachteiligt werden. Ein wichtiges Thema bleibt der Abbau von Tarifunterschieden zwischen Frauen- und Männerarbeit.

Was haben Sie bisher erreicht?

Bei der Neubildung des Ministeriums musste keine schwangere Frau, keine junge Mutter oder Alleinerziehende ihren Hut nehmen. Aber mehrere hundert haben eine Tätigkeit in Betrieben oder anderen Einrichtungen aufgenommen. Außerdem habe ich mich mit Kombinaten und Betrieben in Verbindung gesetzt, angeregt, dort Gleichstellungsbeauftragte zu berufen und mich über schon bestehende Umschulungsprogramme informiert.

Welche dringenden Aufgaben ergeben sich aus der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung im Land?

Für uns Frauen ist wohl sehr wichtig, dass Kindereinrichtungen, auch betriebliche, erhalten bleiben. Das gilt ebenso für die Zentralen Pionierlager, die Kindererholungszentren werden könnten. Ich persönlich wünsche mir, dass bei der Umstrukturierung der Wirtschaft die Quotierung bei gleicher Fachkompetenz berücksichtigt wird. In unserem Ministerium sind zum Beispiel mehr als 60 Leiter tätig, dabei ist nur eine Frau. Ich denke, das ließe sich verbessern.

Was halten Sie von einem Gleichstellungsministerium, das der Runde Tisch befürwortet hat?

Ich finde es gut, dass dieser Beschluss gefasst wurde und erwarte von der neuen Regierung, dass ein solches Ministerium unverzüglich eingerichtet wird. Damit hätten wir die Chance, nicht nur von Gleichberechtigung zu reden, sondern Gleichstellung von Frau und Mann durchzusetzen. Damit hätte ich für meine Arbeit auch ein gutes Hinterland.

Für ND fragte
CORINNA FRICKE

Neues Deutschland, Zeitung der Partei des Demokratischen Sozialismus, 45. Jahrgang, Ausgabe 65, 17.03.1990. Die Redaktion wurde 1956 und 1986 mit dem Karl-Marx-Orden und 1971 mit dem Vaterländischen Verdienstorden in Gold ausgezeichnet.