Soziale Grundrechte wahren!

Sozialistische Fraueninitiative SOFI zur Frage der deutschen Einheit

Ein schneller, bedingungsloser Anschluss der DDR an die BRD und seine Quasi-Vorwegnahme durch eine baldige deutsche Währungsunion käme einer "kolonialen Lösung" gleich. Das hieße auch Angriff auf die sozialen Grundrechte der Frauen, weil gerade Frauen von der zu erwartenden strukturellen Arbeitslosigkeit überdurchschnittlich betroffen wären. Auf Grund ihrer Mehrfachbelastung haben sie meist eine weitaus ungünstigere Stellung im Beruf und gelten als "unzuverlässige" Arbeitskräfte. Frauen sind vor allem in jenen Bereichen beschäftigt, für die umfangreiche Rationalisierungsmaßnahmen zu erwarten wären.

Gravierend würde sich die Einschränkung der gesellschaftlichen Kinderbetreuung, auswirken, und ohne Berufstätigkeit würden Frauen erneut in die ökonomische Abhängigkeit vom Mann zurückgedrängt.

In Anbetracht dieser Gefahr ist es unbedingt notwendig, dass die deutsche Einigung schrittweise erfolgt, dass dem zunächst eine Phase der ökonomischen, sozialen und politischen Konsolidierung der DDR vorausgeht.

Vor allem müssen sich eine breite Frauenbewegung und starke Gewerkschaften etablieren können, um die vorhandenen sozialen Grundrechte der Frauen und aller Werktätigen zu erhalten. Dazu zählen das Recht auf Arbeit, das Recht auf legalen unentgeltlichen Schwangerschaftsabbruch (bei Beibehaltung der kostenlosen Abgabe empfängnisverhütender Mittel), sowie jene Rechte, die allen Familien - unabhängig von Familienform und Kinderzahl, insbesondere Alleinerziehenden - soziale Sicherheit gewährleisten. So gilt es zum Beispiel, Kindergeld und Geburtenbeihilfen, unentgeltliche Ausbildung in allen Bereichen, bezahlte Freistellung erwachsener Familienangehöriger zur Betreuung erkrankter Kinder, kostenlose medizinische Betreuung zu bewahren.

Dr. Uta Jegzentis
SOFI

aus: Podium, die Seite der neuen Parteien, Initiativen und Gruppierungen in der Berliner Zeitung, Nr. 41, 17./18.02.1990, 46. Jahrgang