ND sprach mit der stellvertretenden Vorsitzenden des geschäftsführenden FDGB-Vorstandes, Prof. Dr. Karin Schießl

ND: Welche Haltung nimmt die Gewerkschaft zum Problem Arbeitslosigkeit ein?

Prof. Schießl: Wir sind uns im Klaren, dass die Frage uns über längere Zeit begleiten wird. Die Sorgen und Nöte der Werktätigen, die im Arbeitsvermittlungsprozess stehen, aber auf Grund ihrer besonderen Qualifikation nicht vermittelt werden können, kennen wir. Es gibt schon eine Anzahl von Härtefällen, besonders allein stehende Mütter. Gegenwärtig sind an der Hochschule der Gewerkschaften Kollegen dabei, einen Arbeitslosenverband ins Leben zu rufen. Wir stehen damit ganz am Anfang.

ND: Welche Forderungen haben die Gewerkschaften an die Regierung erhoben?

Prof. Schießl: Unser Aktionsprogramm enthält eine ganze Reihe. Seit dem 13. Januar befinden wir uns mit den zuständigen Ministern in Verhandlung, was die finanzielle Unterstützung von Werktätigen betrifft, die über mehrere Monate nicht vermittelt werden können. Eine Verordnung dazu wird am heutigen 8. Februar im Ministerrat auf dem Tisch liegen. Gewerkschaftliche Forderungen zur Wirtschaftsreform sind beispielsweise: Sicherung sozialer Rechte und des Volkseigentums, Subventionsausgleich, sichere Arbeitsplätze trotz Kapitalimports. Es geht uns um den Erhalt gewerkschaftlicher Rechte.

ND: Und das geforderte Gewerkschaftsgesetz?

Prof. Schießl: Sowohl vom Volkskammerpräsidenten als auch vom Premier erhielten wir die Zusage, den Entwurf des Gewerkschaftsgesetzes so schnell wie möglich zu behandeln. Wir treten darüber hinaus für eine Politik ein, die Arbeitsplätze schafft, für Bildungs- und Umschulungsmaßnahmen. Ein weiterer Weg wäre Verkürzung der Tages-, Wochen- und Lebensarbeitszeit.

ND: Was können Sie nicht akzeptieren?

Prof. Schießl: Sozialabbau nicht mit uns. Wir sind gegen Teilzeitarbeit, Arbeit auf Abruf, befristete Beschäftigung, Heim- und Leiharbeit und verlangen rechtliche Regelungen. Es darf keine Entlassung im Betrieb geben ohne Mitsprache der Gewerkschaften, keine Umstrukturierung, Auflösung, Teilstilllegung ohne Zustimmung der gewerkschaftlichen Organisationen.

Das Gespräch führte Irina Malik

aus: Neues Deutschland, 45. Jahrgang, Ausgabe 33, 08.02.1990. Die Redaktion wurde 1956 und 1986 mit dem Karl-Marx-Orden und 1971 mit dem Vaterländischen Verdienstorden in Gold ausgezeichnet.