Do. 5. Oktober 1989


Laut Information Nr. 441/89 des Ministeriums für Staatssicherheit verlassen bis 1 Uhr 8 270 Personen der BRD-Botschaft in Prag das MfS befördert sie mit Bussen zum Bahnhof Praha-Liben. Dort steigen sie in Sonderzüge der Deutschen Reichsbahn.

90 Bürger verbleiben in der Botschaft. Sie wollen in ihre Heimatorte zurückkehren und mit ihrem Anliegen bei den zuständigen Organen für Inneres vorsprechen.

Die vorgesehene Route der Züge ist Bad Schandau – Dresden – Reichenbach – Gutenfürst.

Nur noch ein Zug passiert den Dresdner Hauptbahnhof. Und dort auch nur auf einem Nebengleis. Die anderen Züge werden nicht mehr über diese Strecke geleitet.

Es kommt wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen am Dresdner Hauptbahnhof. Es kommt zu zahlreichen Festnahmen.

Nach einem Bericht der Auswertungs- und Kontrollgruppe des MfS Karl-Marx-Stadt bekunden Beschäftigte der an der Bahnstrecke befindenden Betriebe Sympathien mit den Ausreisenden.

Im Jugendhaus Halle verweigern 196 Verurteilte wegen versuchtem ungesetzlichen Grenzübertritt ihre Arbeitsaufnahme. Damit wollen sie ihrer Forderung nach Ausreise Nachdruck verleihen.

Die Kreisdienststelle Plauen des MfS registrierte Arbeitsniederlegungen beim VEB Vowetex Plauen.

In der Leipziger Nikolaikirche findet eine Mahnwache für die politisch Inhaftierten statt.

In der Rostocker Petrikirche findet die erste Fürbittandacht für inhaftierte Demonstranten aus Leipzig statt.

In der Markuskirche in Plauen ist der Andrang so groß, dass die Friedensandacht wiederholt werden muss.

In Kühlungsborn findet ein Treffen zur Gründung des Neuen Forum in Rostock statt.

Die Abteilung XX der Bezirksverwaltung des Ministeriums für Staatssicherheit Dresden spricht sich dafür aus, alle Antragstellungen, bei denen keine Versagungsgründe vorliegen, zu genehmigen.

Medizinstudenten der Karl-Marx-Universität Leipzig übergeben dem Rektor eine Stellungnahme, in der sie sich für die Möglichkeit des öffentlichen Meinungsaustausches, den Dialog mit allen Bürgern und gegen Polizeigewalt und Kriminalisierung aussprechen.

Am Schauspielhaus in Karl-Marx-Stadt wird eine Protestresolution verabschiedet und eine Sprechergruppe gewählt.

Wegen des großen Andrangs muss in der Markuskirche in Plauen zwei Friedensandachten abgehalten werden.

Nach Schätzung des MfS nehmen 2 000 Personen daran teil. Am Vormittag versucht Plauens Oberbürgermeister Dr. Norbert Martin beim Superintendenten Thomas Küttler in einem Gespräch zu erreichen, dass die Veranstaltungen absagt wird.

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