Mi. 6. September 1989


Bulletin der Bundesregierung zu den Gesprächen zwischen Slawomir Wiatr und Rudolf Seiters in Polen

Berlin (ADN). Führende Politiker der BRD sowie die Medien des Landes scheuen gegenwärtig vor nichts zurück, um die DDR zu diskreditieren, anmaßende Beschuldigungen gegen sie zu verbreiten und Falschinformationen in die Welt zu setzen. Konkret sei hier nur darauf verwiesen, was sich in diesen Tagen in der Ständigen Vertretung der BRD in der DDR abspielt, wo sich seit Wochen 116 Bürger der DDR widerrechtlich aufhalten. Mit rührseligen Geschichten über deren Lage, die von Mitarbeitern der Vertretung in Medien der BRD lanciert werden, wird versucht, Emotionen hervorzurufen. Das sind jedoch untaugliche Versuche, um darüber hinwegzutäuschen, wer wirklich die Verantwortung für diese Lage trägt und wer die betreffenden Bürger in eine solche unwürdige Situation gebracht hat.

Hier eine klare Antwort dazu: Die DDR hat durch Vizeaußenminister Nier am 11. August dem Vertreter des Bundeskanzleramtes der BRD Duisberg erklärt, dass niemand anders als die BRD-Seite Bürgern der DDR in der bundesrepublikanischen Vertretung rechtswidrig Aufenthalt gewährt und bei ihnen wider besseres Wissen die Hoffnung nährt, dass sie auf diesem Wege eine Ausreise für sich erzwingen können. Gleichzeitig wurde klargestellt, dass für Ausreisen von Bürgern der DDR aus der DDR ausschließlich deren Organe zuständig sind, wie es das Gesetz vorsieht, während die BRD die Verantwortung dafür trägt, dass die DDR-Bürger die BRD-Vertretung umgehend verlassen. Gegenüber dem Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramtes, Rudolf Seiters, wurde am 18. August durch den 1. Stellvertreter des Ministers für Auswärtige Angelegenheiten der DDR, Staatssekretär Dr. Krolikowski, unterstrichen, dass die DDR es nicht hinnehmen kann, dass die BRD über ihre Vertretungen die Versuche von Bürgern der DDR unterstützt, um für sich Sonderrechte zu erpressen. Die BRD wurde nachdrücklich aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass die in den BRD-Vertretungen befindlichen Bürger der DDR diese verlassen und sich in ihre Heimatorte begeben. Es wurde versichert, dass sich für sie keine strafrechtlichen Folgen ergeben werden. Trotz der Zusicherungen der DDR hat die BRD keinerlei Schritte zur Lösung des Problems unternommen. Statt dessen war es die DDR, die weiterhin großes Entgegenkommen zeigte und der BRD-Seite zusätzliche Vorstellungen unterbreitete. In Gesprächen mit der BRD, so am 31. August, wurde schließlich grundsätzliche Übereinstimmung über einen Lösungsweg erzielt. Es bestand auch Einvernehmen darüber, dass der Aufenthalt von DDR-Bürgern in Vertretungen der BRD nicht geeignet ist, eine Genehmigung zur ständigen Ausreise aus der DDR zu erreichen. Darüber hinaus hat die DDR grundsätzlich zu der verkündeten Straffreiheit gegenüber den Bürgern der DDR weitere Zusicherungen gegeben, wie sie in der Erklärung des Sprechers des Außenministeriums der DDR vom 4. September enthalten sind. Trotz des schnellen Reagierens der DDR und ihres Entgegenkommens hat sich bis heute nichts Entscheidendes geändert. Man kann nur zu dem Schluss kommen, dass die andere Seite ihre Möglichkeiten nicht nutzen will, um eine Lösung auf dem von der DDR vorgeschlagenen und vereinbarten Weg herbeizuführen. Damit steht die BRD nicht zu ihrem Wort und trägt allein die Verantwortung für die entstandene Situation.
(Neues Deutschland, Do. 07.09.1989)

In Ungarn harren immer mehr DDR-Bürger aus, in der Hoffnung über die ungarisch-österreichische Grenze gelangen zu können. In der Nähe des Lagers Zugliget in Budapest eröffnet die DDR eine Beratungsstelle, um DDR-Bürger zu einer Rückkehr zu bewegen.

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