So. 6. Mai 1990

• • Ibrahim Böhme warnt vor einem "latenten Bürgerkrieg" im Zusammenhang mit der Diskussion, um das Eigentumsrecht in der DDR

    • Vor einem "latenten Bürgerkrieg" in der DDR hat der SPD-Politiker Ibrahim Böhme im Zusammenhang mit der Diskussion, um das Eigentumsrecht in der DDR gewarnt. In einem Gespräch mit Radio Luxemburg (RTL) sagte Böhme am Sonntag: "Wer das Recht an Grund und Boden, wer Mieterfragen und andere, ganz existentiell wichtige Probleme, Bedingungen für die Menschen missachtet, der macht sich schuldig an einem langjährigen, latenten Bürgerkrieg." Dies meine er nicht im Sinne von Barrikaden, erläuterte der Anfang April zurückgetretene Vorsitzende der SPD, sondern als einen Bürgerkrieg, "der Menschen ihres ganzen Existenz-Verständnisses beraubt". Damit werde der Mensch letztlich auch seines Demokratie-Verständnisses beraubt und habe keine Hoffnung auf die Zukunft mehr.
      (Berliner Zeitung, Mo. 07.05.1990)

  • Studientagung über "rechtsextremistische Potential" in der DDR

    • Das "rechtsextremistische Potential" in der DDR umfasst mehrere zehntausend junge Menschen. Das wurde am Wochenende auf einer Studientagung mitgeteilt, zu der die Kommission für kirchliche Jugendarbeit beim Bund der Evangelischen Kirchen der DDR in Beeskow (Bezirk Frankfurt/Oder) eingeladen hatte. Die Tagungsteilnehmer diskutierten vor allem vorbeugende Aufklärungs- und Erziehungsmaßnahmen, die ein Anwachsen des Rechtsextremismus verhindern sollen.
      (Neue Zeit, Mo. 07.05.1990)

  • 1. Deutsch-deutschen Forum "Medizin und Medien"

    • Zum 1. Deutsch-deutschen Forum "Medizin und Medien" trafen Medizinjournalisten beider Länder zusammen. Die zweitägige Veranstaltung in West-Berlin und in der DDR-Hauptstadt, die dem Austausch von beruflichen Erfahrungen wie vor allem von Vorstellungen über künftige Medienarbeit unter dem Aspekt der Gemeinsamkeit diente, war initiiert worden von I&P Presse-Information GmbH Bonn und Berlin, European Network of Health Information sowie dem Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V., Frankfurt. Einblick in die gesundheitspolitischen Vorstellungen der CDU gaben in einer Gesprächsrunde in Pankow Staatssekretär Dr. Horst Schönfelder und Dr. Christian Zippel. Vorangegangen war während eines Charité-Besuchs ein Gespräch mit dem Forschungsdirektor des Bereichs Medizin der Humboldt-Universität.
      (Neue Zeit, Mo. 07.05.1990)

  • Erste gemeinsame Bildungskonferenz

    • Pädagogen und Erziehungswissenschaftler aus beiden deutschen Staaten trafen sich am Wochenende in Hamburg zur ersten gemeinsamen Bildungskonferenz, um über Forderungen und Ansätze für demokratische Schulreformen in beiden Ländern zu diskutieren. Unter anderem müssten die Lehrplaninhalte, insbesondere im Bereich Arbeitslehre/Polytechnik, Ökologie und Pazifismus, auf beiden Seiten weiterentwickelt werden, wurde festgestellt.

      Der amtierende Präsident der Akademie der Pädagogischen Wissenschaften der DDR, Prof. Dr. Hans-Jörg König, skizzierte einen Plan zur Entwicklung der Regelschulformen in der DDR wonach sich an eine sechsjährige Grundschule eine obligatorische vierjährige Oberschule und - daneben ein gymnasialer Zug anschließen.
      (Neue Zeit, Mo. 07.05.1990)

  • Gründertage im Westberliner Internationalen Congress Centrum

    • Ungewöhnlich großen Zuspruch fanden am Sonnabend und Sonntag die Gründertage Berlin 1990 im Westberliner Internationalen Congress Centrum.

      In 28 Seminaren mit über 3 000 Teilnehmern wurde Firmengründern und Leuten mit Gründerabsichten marktwirtschaftliches Grundwissen vermittelt und über spezielle Themen wie Förderhilfen, Finanzierung, Rechts- und Steuerfragen diskutiert.

      Fast zwei Drittel der Seminarteilnehmer kamen aus Ostberlin oder der DDR. Eine Umfrage ergab, dass sich etwa jeder zweite von ihnen noch 1990 selbständig machen will; jeder vierte hat bereit seine Firma gegründet und suchte Rat zur Existenzsicherung.

      Dem Ansturm aus dem Osten trug die Veranstaltung, die seit 1985 jährlich stattfindet, Rechnung, indem sie erstmals auch speziell auf die Bedingungen der DDR und die hier zu erwartende Gründerwelle zugeschnittene Informations- und Diskussionsrunden einrichtete, die von erfahrenen Wirtschaftsexperten geleitet wurden.

      Auf die Wiederbelebung des Mittelstandes in der DDR eingehend, charakterisierte der Westberliner Wirtschaftssenator Dr. Peter Mitzscherling die Gründertage 1990 in seinem Einführungsvortrag als "zwar so informativ wie immer, aber so politisch wie noch nie".

      An der begleitenden Ausstellung, auf der 55 Firmen, Banken, Versicherungen, Unternehmensberater ihre Angebote unterbreiteten, beteiligte sich auch der Unternehmerverband der DDR.
      (Berliner Zeitung, Mo. 07.05.1990)

  • Erhebliche Anzahl von Kirchenleuten bei der Kommunalwahl gewählt

    • 42 Prozent aller Pastorinnen und Pfarrer der Pommerschen Evangelischen Kirche haben bei der Kommunalwahl am 6. Mai ein politisches Mandat erhalten. Das geht aus einer Umfrage des Greifswalder Konsistoriums in der Landeskirche hervor, über die der Evangelische Nachrichten dienst (ena) berichtet. Hinzu käme eine Vielzahl anderer hauptberuflicher Mitarbeiter der Kirche. Die Wahlergebnisse seien allerdings sehr unterschiedlich gewesen. Während im Kirchenkreis Pasewalk elf von 14 Pfarrern gewählt wurden, habe im Kirchenkreis Bergen kein Pfarrer ein Mandat erhalten.

      Wie ena schreibt, habe sich die Kirchenleitung in ihrer jüngsten Sitzung dafür ausgesprochen, die Pastorinnen und Pfarrer in kommunalen Gremien oder gewählten Ämtern besonders zu unterstützen. Sie vertrat aber die Ansicht, dass die Wahrnehmung der Tagespolitik nicht Aufgabe der Kirche sei. Sie befürchtet, kommunale Aufgaben und Entscheidungen könnten Pfarrer und kirchliche Mitarbeiter in eine Pflichtenkollision führen, bei der "die Kirche insgesamt Schaden nimmt". Andererseits müsse sich die Kirche angesichts der personellen Nöte auf der kommunalen Ebene engagieren.
      (Tribüne, Di. 26.06.1990)

Ab 1. Juli übernimmt der DDR-Zoll die Strukturen des bundesdeutschen Partners. Damit verbunden ist eine Umschulung der 11 000 Zöllner durch BRD-Experten, die seit Mitte April in vierwöchigen Lehrgängen auf Hochtouren läuft.
(Neues Deutschland, Mo. 07.05.1990)

Soldaten der Nationalen Volksarmee und der Bundeswehr dürfen sich zukünftig gegenseitig in den Kasernen besuchen und Dozenten können an Militärakademien der jeweils anderen Seite abkommandiert werden. Das geht laut "Welt am Sonntag" aus Rahmenrichtlinien des Generalinspekteurs der Bundeswehr, Admiral Dieter Wellershoff, über Kontakte zwischen Angehörigen der NVA und der Bundeswehr hervor, die am 15. Mai in Kraft treten und "bis zum Zeitpunkt der Vereinigung Deutschlands" gelten. Die Rahmenrichtlinien beruhen auf Vereinbarungen, die Bundesverteidigungsminister Gerhard Stoltenberg und DDR-Abrüstungs- und Verteidigungsminister Rainer Eppelmann bei ihrem ersten Treffen Ende April in Köln vereinbarten. Vorgesehen sind auch gemeinsame Seminare und Tagungen beider Armeen.
(Berliner Zeitung, Mo. 07.05.1990)

Von Montag bis Sonntag vergangener Woche wechselten nach Angaben des Bundesinnenministeriums 3 991 Menschen aus der DDR in die Bundesrepublik über. Insgesamt verließen seit Beginn dieses Jahres 174 708 Übersiedler die DDR Richtung Bundesrepublik.
(Junge Welt, Di. 08.05.1990)

Mit "Antenne Brandenburg" geht die erste Landesrundfunkanstalt in der DDR auf Sendung. Gesendet wird über die Frequenzen der bisherigen Bezirkssender Cottbus, Frankfurt und Potsdam.

Nach der Kommunalwahl in Ostberlin schlug der Regierende Bürgermeister von Berlin, Walter Momper, vor, drei Senatoren aus der Regierung Westberlins, könnten parallel auch Mitglieder des Ostberliner Magistrats werden.

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